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die Bundeswehr musste Reisende und Kraftfahrer mit Lebensmitteln ver-
sorgen.16
Lieferfristüberschreitung bei innerdeutschem Transport
Im Grundfall entstand der Stau am Grenzübergang nach Polen. Es ist aber
gerade vor dem Hintergrund der Länge des Staus von mehr als 60 km
durchaus denkbar, dass dieser Stau auch für Transporte zum Hindernis
wurde, die innerdeutsch erfolgten und auf die daher deutsches Frachtrecht
anwendbar wäre.17 Die erste Variante soll also einen Fall betrachten, in
dem bei einem innerdeutschen Transport eine Lieferfristüberschreitung
eingetreten ist, weil der LKW des Frachtführers im Stau vor der polnischen
Grenze stand.
Nach den zuvor dargelegten Grundregeln der Haftung nach deutschem
Frachtrecht würde der Frachtführer für einen durch die Überschreitung
der Lieferfrist entstandenen Schaden haften. Es ist aber dann zu prüfen, ob
der Haftungsausschluss gemäß §426 HGB eingreift. Das wäre dann der
Fall, wenn der Frachtführer die Lieferfristüberschreitung auch bei Anwen-
dung größter Sorgfalt nicht hätte vermeiden können und ihre Folgen
nicht hätte abwenden können.
Der hier anzulegende Sorgfaltsmaßstab ist sehr hoch und orientiert sich
an der alten Fassung des §7 Abs.2 StVG, in dem die Ersatzpflicht des Hal-
ters eines KFZ ausgeschlossen war, wenn der Unfall durch ein „unabwend-
bares Ereignis“ (die aktuelle Fassung der Vorschrift verlangt höhere Ge-
walt) zurückzuführen war.18 In einer neueren Entscheidung formulierte
das OLG Hamm:
„Der anzuwendende Sorgfaltsmaßstab orientiert sich, […] in Anlehnung an
§7 Abs.2 StVG a.F. an einem "idealen" Frachtführer, der eine über den ge-
wöhnlichen Durchschnitt erheblich hinausgehende Aufmerksamkeit, Ge-
schicklichkeit und Umsicht sowie ein geistesgegenwärtiges und sachgemäßes
Handeln im Rahmen des Menschenmöglichen an den Tag legt. Der Fracht-
1.
16 https://www.mdr.de/sachsen/bautzen/goerlitz-weisswasser-zittau/stau-grenze-
polen-a-vier-waechst-weiter-100.html (zuletzt besucht am 03.05.2020)
17 Zum Beispiel ein Transport von Dresden nach Görlitz.
18 BGH, VersR 1984, 551; BGH, VersR 1981, 1030. Auch wenn diese Entscheidun-
gen zur CMR ergangen sind und fraglich ist, ob der Verschuldensmaßstab des
deutschen Rechts auf das internationale Übereinkommen übertragbar ist, ist eine
Auslegung der des deutschen Frachtrechts an diesem Maßstab durchaus legitim.
Vgl. hierzu: Koller, Transportrecht, §426 HGB, Rn.4, Fn.21.
Transportrecht in der Corona-Krise
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
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