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führer hat Anstrengungen zur Schadensverhütung bis zu dem Punkt zu er-
bringen, an dem diese bereits auf den ersten Blick als unzumutbar erschei-
nen. Das Vorliegen höherer Gewalt wird daher gerade nicht vorausgesetzt.“19
Rechtsprechung oder Literatur zu pandemiebedingten Lieferfristüber-
schreitungen liegen naturgemäß noch nicht vor. Allerdings hat sich die
Kommentarliteratur mit der Frage auseinandergesetzt, wie Straßenblocka-
den zu behandeln seien, die der hier vorliegenden Grenzschließung durch-
aus ähnlich sind. Hierzu wird ausgeführt, dass ein sorgfältiger Frachtführer
sich ständig über die Straßenlage informiere und Blockaden daher durch
Umplanungen seiner Route umgehen könne. Eine Entlastung sei daher
nur dann möglich, wenn das Ereignis, das zu einer Lieferfristüberschrei-
tung führt, vollkommen überraschend aufgetreten ist und darauf durch
Umplanungen nicht mehr reagiert werden kann.20
Es wird also für die Frage, ob sich der Frachtführer auf einen Ausschluss
seiner Haftung gemäß §426 HGB berufen kann darauf ankommen, ob er
von dem Stau völlig überrascht wurde oder ob er noch die Möglichkeit
einer Umplanung seiner Route gehabt hätte.
Kann er sich nicht auf einen Haftungsausschluss berufen, haftet der
Frachtführer auf den Haftungshöchstbetrag des §431 HGB. Die Haftungs-
höchstgrenzen würden gemäß §435 HGB allerdings dann entfallen, wenn
dem Frachtführer bei der Schadensverursachung Vorsatz oder Leichtfertig-
keit in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintre-
ten werde, zur Last fällt. Das wäre zum Beispiel dann denkbar, wenn der
Frachtführer von dem Stau und seinem Ausmaß wusste und gleichwohl
auf die Autobahn aufgefahren ist. In diesem Fall würde der Frachtführer
dann ohne Haftungsbegrenzungen auf den vollen Schaden haften, der
durch die Lieferfristüberschreitung entstanden ist.
Lieferfristüberschreitung bei Transport nach Polen
Auch bei der zweiten Fallvariante soll davon ausgegangen werden, dass der
LKW eines Frachtführers an der Grenze zu Polen im Stau steht. Nun soll
aber davon ausgegangen werden, dass der Transport für ein Ziel in Polen
bestimmt war.
2.
19 OLG Hamm, Urteil vom 21. April 2016 – I-18 U 17/14 –, Rn.51, juris.
20 G. Kirchhof, in: BeckOK HGB, 27. Ed. 15.1.2020, HGB §426 Rn.4, 5; W. Schaffert,
in: C. Ebenroth/K. Boujong/D. Joost/L. Strohn (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, §426
HGB, Rn.3; Koller, Transportrecht, §426 HGB, Rn.6.
Andreas Maurer
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
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