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des Absenders zuzuordnen seien, eine umfangreiche Debatte entwickelt.32
Dabei wird insbesondere kritisiert, dass der Gesetzgeber die sogenannte
„neutrale Sphäre“ nicht hinreichend berücksichtigt habe, Ereignisse also,
die keiner der beiden Parteien sinnvollerweise zugerechnet werden kön-
nen.33
Bei Störungen aufgrund der Corona-Krise dürfte es sich in der Tat um
solche handeln, die regelmäßig keiner der Parteien zugerechnet werden
können. So bleibt es für den Frachtführer dabei, dass ein Warten aufgrund
einer verzögerten Abwicklung im Betrieb des Empfängers auch dann nicht
seiner Risikosphäre zuzuordnen ist, wenn sie ebenfalls nicht der Risiko-
sphäre des Empfängers zuzuordnen ist. Vergleichbare Fälle wurden auch
zuvor bereits so beurteilt, dass der Frachtführer Standgeld verlangen konn-
te.34 Eine verzögerte Abwicklung wegen fehlenden Personals auf Seiten
des Empfängers dürfte jedenfalls nicht zur Risikosphäre des Frachtführers
zuzurechnen sein. Eine Vergütung gemäß §420 Abs.4 HGB wird der
Frachtführer wegen Störungen, die durch die Corona-Krise verursacht
wurden, aber regelmäßig nicht verlangen können, denn solche Störungen
werden typischerweise nicht dem Risikobereich des Absenders zuzuord-
nen sein.
Ersatz von Aufwendungen auf das Gut und die Ausführung von Weisungen
durch den Auftraggeber
Gemäß §420 Abs.1 S.2 HGB kann der Frachtführer Ersatz von Aufwen-
dungen auf das Gut verlangen, die er für erforderlich halten durfte. Ein
solcher Ersatzanspruch dürfte jedenfalls in Fällen entstanden sein, die in
den zuvor als Beispiel gewählten Staus an der polnischen Grenze vorge-
kommen sind. Fahrer von Viehtransportern mussten teilweise Futter für
die Tiere beschaffen, um deren Verhungern zu vermeiden. Eine solche
2.
32 Siehe für einen guten Überblick Koller, Transportrecht, §412, Rn.53ff.
33 So zum Beispiel auch Reuschle, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.), Han-
delsgesetzbuch, §412 Rn.37f. mit Verweis auf C.-W. Canaris, Handelsrecht, §31
Rn.52.; siehe auch P. Schmidt, in: Staub HGB, §412, Rn.55. Einschränkend K.-H.
Thume, in: Münchener Kommentar zum HGB, §412 Rn.43, der eine neutrale
Sphäre nur dort erkennen will, wo der störende Einfluss gänzlich ohne Bezug
zum Verkehrsgeschehen ist. Eine neutrale Sphäre ablehnend hingegen T. Braun,
Das frachtrechtliche Leistungsstörungsrecht nach dem Transportrechtsreformge-
setz, Münster 2002, S.117.
34 Siehe zum Beispiel Koller, Transportrecht, §412, Rn.57 mit verschiedenen Bei-
spielen. Transportrecht in der Corona-Krise
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
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