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all diesen Fällen liegt eine Leistungsstörung aus der Risikosphäre des Ar-
beitnehmers vor, deren Realisierungsfolgen grundsätzlich auch von die-
sem zu tragen wären. Von dem Grundsatz „Ohne Arbeit, kein Lohn“ ma-
chen jedoch sowohl das Allgemeine Schuldrecht als auch das Arbeitsrecht
zahlreiche Ausnahmen zugunsten des Arbeitnehmers, die in der Corona-
krise sein Vertrauen auf Erhalt seines Arbeitsentgelts besonders schützen.
Wegfall oder Beschränkung der Leistungsfähigkeit
Für den Fall, dass der Arbeitnehmer selbst am Coronavirus erkrankt, wird
er gem. §275 I BGB von der Leistungspflicht befreit.4 Ihm steht, wie jedem
krankheitsbedingt arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, ein Anspruch auf Ent-
geltfortzahlung nach §3 I EFZG zu.5 Dieser ist ausgeschlossen, wenn der
Arbeitnehmer schuldhaft erkrankt ist, was insbesondere dann der Fall sein
kann, wenn er grob gegen innerbetriebliche Schutzmaßnahmen verstoßen
oder sich entgegen behördlicher Warnungen in ein Gefahrengebiet bege-
ben hat.6 Die für den Nachweis der Erkrankung erforderliche Arbeitsunfä-
higkeitsbescheinigung kann während der Kernzeit der Pandemie aus-
nahmsweise auch nach telefonischer Anamnese für bis zu zwei Wochen
ausgestellt werden, ohne dass es eines analogen Arztbesuches bedarf.7
Besteht lediglich der Verdacht einer Coronainfektion, z.B. weil der Ar-
beitnehmer Kontakt zu positiv getesteten Personen hatte, so wird er hier-
durch allein nicht arbeitsunfähig, da die Arbeitsleistung grundsätzlich
I.
4 Allgemein zu den Folgen einer Krankheit für die Arbeitsleistungspflicht ErfK/B.
Reinhard, 20. Auflage 2020, §3 EFZG Rn.3; U. Preis, Individualarbeitsrecht, 5. Auf-
lage 2017, Rn.2021; speziell zur Corona-Erkrankung A. Sagan/M. Brockfeld, NJW
2020, 1112, 1113; A. Groeger, ARP 2020, 106, 108; differenzierender F. J. Düwell,
der in einem symptomfreien Krankheitsverlauf keine Einschränkung der Arbeitsfä-
higkeit sehen will, BB 2020, 891, 892.
5 ErfK/B. Reinhard, §3 EFZG Rn.45; U. Preis, Individualarbeitsrecht, Rn.2172.
6 A. Sagan/M. Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1113; E. Dehmel/N. Hartmann, BB 2020,
885, 888; M. Fuhlrott/K. Fischer wollen ein solches Verschulden nur im Einzelfall
annehmen, wenn das Infektionsrisiko im Gefahrengebiet höher ist als in Deutsch-
land, da sich sonst lediglich das (derzeit gesteigerte) allgemeine Lebensrisiko ver-
wirklicht, NZA 2020, 345, 347.
7 Vgl. §31 S.3 und 4 des Bundesmantelvertrages-Ärzte, welcher am 11.03.2020
durch Zusatzvereinbarung zunächst für einen befristeten Zeitraum von vier Wo-
chen dahingehend angepasst wurde, dass eine telefonische Anamnese bei Erkran-
kungen der oberen Atemwege zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit genügen
soll, vertiefend: F. J. Düwell, BB 2020, 891, 893f.
Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
- Niemand zahlt mehr Miete!? ‑ Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Pflicht zur Mietzahlung 147
- Aktuelle Probleme im Reiserecht durch die Corona-Krise 175
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- Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise 223
- Vertragsrecht in der Corona-KriseCOVInsAG: Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht und die Haftung der Organe 245