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tragsrecht hat hier durch Konkretisierung der arbeitsvertraglichen Aufklä-
rungspflichten die Informationsinteressen der Parteien mit dem Persön-
lichkeitsschutz der Arbeitnehmer in Einklang zu bringen.
Aufklärungspflichten des Arbeitnehmers
Grundsätzlich gilt für das Arbeitsrecht, dass der Arbeitnehmer gegenüber
dem Arbeitgeber nicht zur Aufdeckung eigener Krankheitsbilder verpflich-
tet ist. Sein allgemeines Persönlichkeitsrecht geht dem Informationsinter-
esse des Arbeitgebers vor, da diesem mit der Erbringung eines Nachweises
über die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit genüge getan werden
kann, ohne dass es der Mitteilung einer konkreten Erkrankung bedarf.51
Von diesem Grundsatz wird man allerdings im Pandemiefall Ausnahmen
zulassen müssen, ist doch der Gesundheitsschutz der übrigen Arbeitneh-
mer in die Abwägung mit den Persönlichkeitsrechten des infizierten Ar-
beitnehmers einzustellen. Demnach ist der Arbeitnehmer auf Grundlage
seiner Rücksichtnahmepflichten (§241 II BGB, §§15, 16 ArbSchG) dazu
verpflichtet, den Arbeitgeber über eine diagnostizierte Coronaerkrankung
jedenfalls dann aufzuklären, wenn er für die Dauer der Inkubationszeit
von 14 Tagen persönlichen Kontakt zu anderen Arbeitnehmern hatte.52
Auskunft kann der Arbeitgeber weiterhin darüber verlangen, ob sich der
Arbeitnehmer in den vergangenen 14 Tagen in Gebieten aufgehalten hat,
in denen eine erhöhte Infektionsgefahr bestand, sowie darüber, ob der Ar-
beitnehmer in dieser Zeit Kontakt zu Personen hatte, bei denen ein be-
gründeter Verdacht einer Infektion oder gar eine positive Diagnose be-
steht.53 Dem vergleichsweise geringen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht
des Arbeitnehmers steht hier ein schutzwürdiges Interesse der Belegschaft
an Gesundheitsschutz gegenüber, hinter welchem die Interessen des be-
troffenen Arbeitnehmers ausnahmsweise zurückzutreten haben. Aus die-
sem Grund ist die hiermit verbundene Erhebung personenbezogener Da-
ten nach Art.6 I lit.c) DSGVO gerechtfertigt.54
Fraglich ist, inwieweit dem Arbeitgeber das Recht zusteht, die Gesund-
heit seiner Arbeitnehmer selbständig zu überprüfen, z.B. in Form von Fie-
1.
51 ErfK/B. Reinhard, §5 EFZG Rn.5; U. Preis, Individualarbeitsrecht, Rn.2156.
52 M. Weber, ARP 2020, 120, 122; A. Sagan/M. Brockfeld, NJW 2020, 1112.
53 M. Weber, ARP 2020, 120, 122; E. Dehmel/N. Hartmann, BB 2020, 885, 887; A. Sa-
gan/M. Brockfeld, NJW 2020, 1112.
54 E. Dehmel/N. Hartmann, BB 2020, 885, 887; A. Sagan/M. Brockfeld, NJW 2020,
1112.
Stephan Klawitter
238
https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
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