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Das Grablied
»Dort ist die Gräberinsel, die schweigsame; dort sind auch die Gräber meiner
Jugend. Dahin will ich einen immergrünen Kranz des Lebens tragen.«
Also im Herzen beschliessend fuhr ich über das Meer. –
Oh ihr, meiner Jugend Gesichte und Erscheinungen! Oh, ihr Blicke der
Liebe alle, ihr göttlichen Augenblicke! Wie starbt ihr mir so schnell! Ich
gedenke eurer heute wie meiner Todten.
Von euch her, meinen liebsten Todten, kommt mir ein süsser Geruch, ein
herz- und thränenlösender. Wahrlich, er erschüttert und löst das Herz dem
einsam Schiffenden.
Immer noch bin ich der Reichste und Bestzubeneidende – ich der
Einsamste! Denn ich hatte euch doch, und ihr habt mich noch: sagt, wem
fielen, wie mir, solche Rosenäpfel vom Baume?
Immer noch bin ich eurer Liebe Erbe und Erdreich, blühend zu eurem
Gedächtnisse von bunten wildwachsenen Tugenden, oh ihr Geliebtesten!
Ach, wir waren gemacht, einander nahe zu bleiben, ihr holden fremden
Wunder; und nicht schüchternen Vögeln gleich kamt ihr zu mir und meiner
Begierde – nein, als Trauende zu dem Trauenden!
Ja, zur Treue gemacht, gleich mir, und zu zärtlichen Ewigkeiten: muss ich
nun euch nach eurer Untreue heissen, ihr göttlichen Blicke und Augenblicke:
keinen andern Namen lernte ich noch.
Wahrlich, zu schnell starbt ihr mir, ihr Flüchtlinge. Doch floht ihr mich
nicht, noch floh ich euch: unschuldig sind wir einander in unsrer Untreue.
Mich zu tödten, erwürgte man euch, ihr Singvögel meiner Hoffnungen! Ja,
nach euch, ihr Liebsten, schoss immer die Bosheit Pfeile – mein Herz zu
treffen!
Und sie traf! Wart ihr doch stets mein Herzlichstes, mein Besitz und mein
Besessen-sein: darum musstet ihr jung sterben und allzu frühe!
Nach dem Verwundbarsten, das ich besass, schoss man den Pfeil: das waret
ihr, denen die Haut einem Flaume gleich ist und mehr noch dem Lächeln, das
an einem Blick erstirbt!
Aber diess Wort will ich zu meinen Feinden reden: was ist alles Menschen-
Morden gegen Das, was ihr mir thatet!
Böseres thatet ihr mir, als aller Menschen-Mord ist; Unwiederbringliches
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Buch Also sprach Zarathustra"
Also sprach Zarathustra
- Titel
- Also sprach Zarathustra
- Autor
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Datum
- 1885
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 354
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Zarathustras Vorrede 2
- Teil 1 - Die Reden Zarathustras 19
- Von den drei Verwandlungen 20
- Von den Lehrstühlen der Tugend 22
- Von den Hinterweltlern 25
- Von den Verächtern des Leibes 28
- Von den Freuden- und Leidenschaften 30
- Vom bleichen Verbrecher 32
- Vom Lesen und Schreiben 34
- Vom Baum am Berge 36
- Von den Predigern des Todes 39
- Vom Krieg und Kriegsvolke 41
- Vom neuen Götzen 43
- Von den Fliegen des Marktes 46
- Von der Keuschheit 49
- Vom Freunde 51
- Von tausend und Einem Ziele 53
- Von der Nächstenliebe 55
- Vom Wege des Schaffenden 57
- Von alten und jungen Weiblein 60
- Vom Biss der Natter 63
- Von Kind und Ehe 65
- Vom freien Tode 67
- Von der schenkenden Tugend 70
- Teil 2 - Also sprach Zarathustra 75
- Das Kind mit dem Spiegel 77
- Auf den glückseligen Inseln 80
- Von den Mitleidigen 83
- Von den Priestern 86
- Von den Tugendhaften 89
- Vom Gesindel 92
- Von den Taranteln 95
- Von den berühmten Weisen 98
- Das Nachtlied 101
- Das Tanzlied 103
- Das Grablied 106
- Von der Selbst-Ueberwindung 109
- Von den Erhabenen 112
- Vom Lande der Bildung 115
- Von der unbefleckten Erkenntniss 118
- Von den Gelehrten 121
- Von den Dichtern 123
- Von grossen Ereignissen 126
- Der Wahrsager 130
- Von der Erlösung 134
- Von der Menschen-Klugheit 139
- Die stillste Stunde 142
- Teil 3 - Also sprach Zarathustra 145
- Der Wanderer 147
- Vom Gesicht und Räthsel 150
- Von der Seligkeit wider Willen 155
- Vor Sonnen-Aufgang 158
- Von der verkleinernden Tugend 161
- Auf dem Oelberge 167
- Vom Vorübergehen 170
- Von den Abtrünnigen 173
- Die Heimkehr 178
- Von den drei Bösen 182
- Vom Geist der Schwere 187
- Von alten und neuen Tafeln 191
- Der Genesende 222
- Von der großen Sehnsucht 228
- Das andere Tanzlied 231
- Die sieben Siegel 236
- Teil 4 - Also sprach Zarathustra 243
- Das Honig-Opfer 245
- Der Notschrei 248
- Gespräch mit den Königen 251
- Der Blutegel 256
- Der Zauberer 259
- Außer Dienst 267
- Der häßlichste Mensch 271
- Der freiwillige Bettler 276
- Der Schatten 280
- Mittags 283
- Die Begrüßung 286
- Das Abendmahl 291
- Vom höheren Menschen 293
- Das Lied der Schwermut 313
- Von der Wissenschaft 319
- Unter Töchtern der Wüste 322
- Die Erweckung 330
- Das Eselsfest 334
- Das trunkne Lied 339
- Das Zeichen 352