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wir finden diefe bei uns nicht in schulmähig nüchterner, dvetrinärer Gestalt, sondern als
natürlichen Gesinuungsausdruck bedeutender Individualitäten; was cinst der Geist ganzer
Völker geschaffen, ward zum Glanbcnsinhalte von Einzelnen, Hansen steht als der Träger
des Grirchenthuniö da, Schmidt ist der begeisterte Repräsentant des Mittelalters, van der
Null, Ferstet, Semfter und Hasenauer gesellen sich dazu als die Meister der Renaissance
von bald mehr französischem, bald vorwiegend römischem oder allgemein italienischem
Charakter. Und ihnen Allen wieder ist ein ausgesprochen einheimischer Zug gemeinsam, ein
Bestreben, das bewußt oder unbewußt sich dem lebensfrohen, heiteren Wefen des xemuL
laei fügt.
Die Mufitstadt forderte vor Allem nene Tempel für ihren Musendienst, Als eines
der ersten großen Gebäude auf den Stadterweiterungs-Griinden entstand (1861 bis 18W)
das von van der Null und Siccardsburg errichtete t, k, Operntheater. Die beiden Meisler
hatten bereits fünfzehn Jahre früher durch den Ban des Karlthcaters ihren Beruf zur
Lösung der äußerst couiulicirten Aufgabe bewährt, welche das Bnhnenwesen unserer Zeit
dem Architekten stellt, und sie rechtfertigten ihn hier aufs neue. Wir lassen die Vorzüge
technischer Art ganz bei Seite, durch die sich das Wirucr Opernhaus den vorzüglichsten
Einrichtungen seiner Art an dic Seite stellt. Als Kunstwerk zählt es ohne Frage zu den
originellsten Schöpfungen der modernen Zeit, Fern von dem Bestreben, seine Schönheit
nns dnrch Massenwirknng aufzudrängen, muthet es uns an wie das Gespräch eiues edleu
Mannes von französischer Bildung und romantischem Wefen, der bei dein nöthigen Respect
vor Allem, was der Tag bringt, fich doch fein inneres Heiligthnm der Poesie gerettet hat,
Van der Null war innig befreundet mit M. von Schwind, nnd wir finden diesen daher
an der Spiye derjenigen Künstler, welchen der Architekt die Ausschmücknng feines Baues
anvertraute. In der architektonischen wie in der plastischen und malerischen Tecoration besteht
der Hauptwcrth des Ganzen. Seine Wirkung auf das Bau- und Kunstgewcrbc Wiens war
eine nuermeßliche. Schon in den Vierziger-Jahren hatten van der Null und Siccardsbnrg
im Verein mit dem Technologen Reuter, mit Spörlin nnd anderen dic Hebung der deeorativen
Künste Wiens auf ihr Programm gesetzt, und der Auffchwnng nnferes Knnftgcwcrbcs ist
mit in erster Linie diesen ihren Bemühungen zu danken. Solidität in der Arbeit und
Selbständigkeit in der Erfindung waren dabei die ersten Forderungen, die sie stellten. Ter
Bau und die iunere Ausstattung des Opernhauses, durch I. Storck, Gugitz und ein
gauzes Heer ausgczeichueter Tceoratenre und Kunsthandwerker ausgeführt, fiud leuchtende
Beweife der Vortrefflichkeit ihrer Schnle. (Siehe Abbildung bei „Mnfik in Wien".)
Es folgten zunächst einige größere Vereinshäufcr nnd conimnnale Bauten in den
östlichen Gebieten des Stadterweiterungsterrains: der Ban der Gartenbaugesellfchaft, der
Kursalon, das von Weber errichtete, später dnrch Streit erweiterte Äünstlerhaus nud
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277