Graz Glockenturm#
(Mit der Glocke Lisl oder auch Liesl)Der Glockenturm ist ein im Auftrag von Erzherzog Karl II. 1588 erbaute 34 Meter hoher achteckiger Glockenturm, der die bekannte „Liesl“ beherbergt. Unter dem Glockenturm befindet sich ein Verlies, das unter dem Namen „Bassgeige“ bekannt ist.
Die Glocke im Glockenturm ist nach der „Großen“ in Mariazell mit 5.700kg und der Glocke von Schloss Seggau bei Leibnitz mit 5.300kg mit 4.600kg die drittgrößte Glocke der Steiermark. Sie läutet täglich um 7, 12 und 19 Uhr mit 101 Schlägen.
Wieso 101 Schläge? Der Legende nach ist die Glocke aus 101 Kanonenkugeln der Türken gegossen worden. Diese Überlieferung entspricht vermutlich nicht der Realität, denn die „Liesl“ besteht wie die meisten Glocken aus Bronze, Kanonenkugeln aber nicht. Das Material wurde aus dem Zeughaus für den Glockenguss bereitgestellt.
Innerhalb des Paulustores befand sich um 1527 eine Gießhütte, aus der viele Glocken und Geschütze hervorgingen. Erzherzog Karl II. von Innerösterreich hörte aber 1577 von Martin (Merten) Hilger, einem Glockengießer in Sachsen, den er sich vom Kurfürsten August für 10 Jahre lieh. Das Ergebnis seines 10jährigen Aufenthaltes waren 187 Geschütze und sieben Glocken, von denen die letzte die Liesl war.
Die Reliefdarstellungen gehören zu den wertvollsten ihrer Zeit. Übersetzt ins Deutsche ist am oberen Rand in zwei Zeilen angeordnet zu lesen „Man nennt mich Glocke, niemals verkünde ich Unbedeutendes. Ich läute Feste ein und den Tod der sterblichen Menschen, wie den kommenden Sturm. Andere rufe ich zur Kirche, ich selbst bleibe aber immer hier.“ In der Inschrift eingeschoben steht das Hilgersche Wappen und zu beiden Seiten ist zu lesen „Merten Hilger goss mich“. Man nannte sie Große Glocke oder Siebener Glocke, später auch Türkenglocke. Der Name Liesl kam erst in der Biedermeierzeit Anfang des 19. Jahrhunderts auf und geht wahrscheinlich auf die 1577 abgetragene Elisabeth-Kapelle.
1784 verbot Kaiser Josef I. das Geläute der „Liesl“ und die Regierung wollte die Glocke verkaufen. Doch die Bürger von Graz erreichten, dass die Glocke wieder läuten durfte. 1790 um 7 Uhr in der Früh war es dann endlich wieder soweit und die „Liesl“ erhob wieder ihre Stimme. Während der französischen Besatzung 1797, 1805 und 1809 verstummte die „Liesl“ erneut, wobei 1809 der Glockenturm und der Uhrturm beinahe dem Erdboden gleich gemacht worden wäre.
Französische Belagerung#
Die Franzosen unter Napoleon fielen 1809 vom Norden in die Steiermark ein, besetzten Gebiete und drangen weiter vor. Am 29. Mai verließ Erzherzog Johann mit 17.000 Mann Graz. Die Verteidigung des Schlossbergs hatte er Major Franz Hackher mit 900 Mann übertragen. Am selben Tag stand der französische Marschall Macdonald vor Graz und die Stadt wurde den Franzosen übergeben.
In der Nacht vom 13. auf den 14. Juni begann Napoleon mit der Belagerung des Schlossbergs. Um Punkt Mitternacht begannen die Franzosen die Beschießung der Grazer Schlossbergfestung, die sieben Tage und Nächte andauerte. Die verzweifelten Grazer zählten bis zu 90 Kanonenschüsse pro Stunde, berichten die Chronisten. Aber der Sturmlauf wurde von den Verteidigern abgewehrt. Nach mehreren erbitterten Schlachten wurde bei Znaim schließlich ein Waffenstillstand ausgehandelt. Dieser bestimmte, dass die Festung auf dem Schlossberg zu räumen sei. Unbesiegt zog die tapfere Besatzung am 23. Juli mit fliegenden Fahnen ab.
Laut Wiener Friedensvertrag sollten der Uhrturm und der Glockenturm gesprengt werden, aber nur die Befestigungsanlagen wurden zerstört. Der Uhrturm und der Glockenturm konnten von der Grazer Bürgerschaft für 2.900 Gulden freigekauft werden. Die französischen Soldaten hatten den Uhrturm geplündert und alle Türen und Fester beim Glockenturm ausgebrochen. Den Klöppel hatten sie abgenommen und in der Umgebung vergraben, wo er erst viel später wieder gefunden wurde.
Weiterführendes#
- Viele Bilder und Geschichten
- Engele, R.: Die Geheimnisse unserer Liesl (Essay)
- Engele, R.: Die Nacht, in der Napoleon angriff (Essay)
- Schlossberg (AEIOU)
Quellen#
- Edith Münzer. Ich erzähl' euch was vom alten Graz. Geschichte und Geschichten für junge Leute. Edition Strahalm, 2. Auflage, 1997.
- Robert Engele. Damals in Graz. Eine Stadt erzählt ihre Geschichten (2010, 2. Aufl. 2011)
- https://www.stadt-graz.at
Andere interessante NID Beiträge