KZ Mauthausen#
- Siehe auch die Neuaufstellung der Dauerausstellung im Mai 2013 und
- die Dokumentation des BM.I
Unmittelbar nach der Besetzung Österreichs wurde am 8. August 1938 im Steinbruch des Donauortes Mauthausen ein „Außenkommando" des KZ Dachau errichtet; im März 1939 begann der Ausbau des selbständigen Konzentrationslagers Mauthausen. Schätzungsweise waren in diesem Konzentrationslager seit 8. August 1938 bis zur Befreiung am 5. Mai 1945, 335 000 Personen beiderlei Geschlechtes inhaftiert. Nach noch erhaltenen Aufzeichnungen wurden in Mauthausen 122 767 politische Häftlinge auf die grausamste Weise ermordet.
Außer den oben Angeführten wurden weitere Zehntausende Häftlinge sofort nach der Einlieferung in das Lager erschossen oder vergast. Diese Häftlinge wurden von keiner Evidenzstelle erfasst und sind auch in obiger Zahl nicht enthalten. Die überwiegende Mehrzahl der Mauthausener Häftlinge waren Menschen, die wegen ihrer nationalen Zugehörigkeit, rassischen Abstammung, politischen Tätigkeit oder ihres religiösen Glaubens von den nationalsozialistischen Behörden als "Volksschädlinge" interniert wurden. Außerdem befanden sich hier kriminelle Häftlinge, die bis zum Jahre 1944 fast alle Häftlingsfunktionen besetzten.
Erkennen konnte man den einzelnen Häftling nach dem auf der linken Seite in seiner Brusthöhe angebrachten farbigen Dreieck, das anzeigte, ob es sich um einen politischen oder kriminellen Häftling handelte. Politische Häftlinge trugen ein rotes Dreieck und nach der Nation im Dreieck die Anfangsbuchstaben ihrer Nation. So z. B. die Franzosen ein rotes Dreieck mit „F", Jugoslawen ein „J", Sowjetrussen „SU" usw. Die Juden mussten unterhalb des roten Dreiecks einen gelben Davidstern tragen. Die kriminellen Häftlinge, im Lager "Berufsverbrecher" genannt, trugen ein grünes Dreieck, die sogenannten Asozialen ein schwarzes, die Bibelforscher (Zeugen Jehovas) ein lila, die Homosexuellen ein rosa Dreieck. Unterhalb des Dreiecks wurde die Häftlingsnummer getragen. Die Häftlinge durften sich gegenüber der SS nur mit ihrer Nummer melden. Ihre Namen wurden beim Eintritt ins Lager ausgelöscht — sie wurden Nummern!
Nebenlager#
Dem Hauptlager Mauthausen waren noch folgende Nebenlager unterstellt:
-- Gusen I-III (Rüstungswerke und Steinbruch, za. 10.000 bis 20.000 Häftlinge);
-- Melk, unter der Tarnbezeichnung „Quarz" geführt (4.000 bis 6.000, Rüstungswerk);
-- Ebensee, „Zement" und „Kalk" (8.000 bis 14.000, unterirdisches Rüstungswerk);
-- Linz I, II, III (insgesamt 7.000, Hermann-Göring-Werke, Rüstungswerk);
-- Steyr (4000, Rüstungswerk);
-- Saurerwerke Wien (1.500, Rüstungswerk);
-- Junkerswerke Wien (2.000, Flugzeugwerke);
-- Wr. Neustadt (1.000, Flugzeugwerk);
-- Wiener Neudorf (3.000, Rüstungswerk);
-- Großraming (800, Staudammbau);
-- Nibelungenwerke in St. Valentin (1.100, Rüstungswerk);
-- Klagenfurt (90, SS-Schule);
-- Loiblpaß Süd und Ost (zusammen 5.000, Tunnelbau);
-- Schlier-Vöcklabruck (1.500, Rüstungswerk und Fälscherwerkstätte)
-- Peggau (600, Rüstungswerk);
-- Wien-Jedlesee (400, unterirdisches Rüstungswerk);
-- Wien-Hinterbrühl (800, Rüstungswerk);
-- Lenzing (Frauenlager, 600, Textilbetrieb);
Die Lebensbedingungen in manchen dieser Filiallager waren noch schlechter als in Mauthausen selbst.
Von den SS-Behörden wurde das KZ Mauthausen als Vernichtungslager geführt. Die Rückkehr der dort Eingewiesenen galt als „unerwünscht". Seine Wachttürme und Schornsteine ragten wie giftige Stacheln in die Luft. Meterhohe, aus den Schornsteinen des Krematoriums emporsteigende Flammen leuchteten nachts weit in das Donautal, und in die gesamte Umgebung drang der süßliche Geruch verbrannten Menschenfleisches. Die Granitmauern des Lagers trugen mit Starkstrom geladenen Stacheldraht.
Kommandant des Lagers war seit 17. Februar 1939 der SS-Standartenführer Franz Ziereis aus München. 1936 bis 1939 war Ziereis Bildungsreferent der SS in Oranienburg.
Appellplatz#
Auf dem Appellplatz mussten die Häftlinge dreimal täglich - morgens, mittags und abends - ob Regen oder Sonnenschein, zum oft stundenlangen Zählappell antreten. Hier wurden sie - ohne Grund - im Laufschritt, hüpfend, hinlegend und robbend, unter ständigen Prügeln und Fußtritten der SS herumgejagt. Hier fanden öffentliche Hinrichtungen statt, bei denen sämtliche Häftlinge, mit den Augen zum Galgen gerichtet, strammstehen mussten. Hier wurden sie von abgerichteten Hunden zerrissen. Hier hingen oft tagelang, als abschreckendes Beispiel, die Leichen der Gehenkten, während Gruppen von Häftlingen stundenlang davor stehen mussten, weil sie mit dem Gemordeten entweder im gleichen Kommando gearbeitet oder in der gleichen Wohnbaracke gelebt hatten. Hier konnten aber auch die Häftlinge nach der Arbeit die karge Zeit, die ihnen der Bettenbau und das Spindputzen gewährten, im gemeinsamen Spaziergang verbringen.
Links vom Eingang ins Lager, am Turm befestigt, hängt eine Eisenkette, die zur Befestigung des geöffneten Tores dienen sollte. Sie hat vielen Opfern das Genick gebrochen. Die Kette wurde den Unglücklichen um den Hals gelegt und das freie Ende ruckweise angezogen. Dies konnte jeder SS-Mann nach Belieben tun. Da aber das erste Anziehen selten den gewünschten Erfolg brachte, wurde diese entsetzliche Prozedur mehrmals wiederholt.
Rechts vom Haupttor in der Steinmauer sind noch heute Eisenringe eingegossen, an denen Häftlinge bei Tag und Nacht angebunden wurden. Da jeder vorübergehende SS-Posten, je nach Temperament, seine Wut an den Gefesselten auslassen konnte, waren die Schreie der Unglücklichen, besonders bei Nacht, im ganzen Lager zu hören.
Klagemauer#
Diese Mauer wurde auch „Klagemauer" genannt. Hier mussten die Häftlinge tage- und nächtelang, mit dem Gesicht zur Wand, ganz nahe an den Steinquadern stehen. Hier standen sie ohne Nahrung, ohne die Möglichkeit, ihre Notdurft verrichten zu können, immerwährend „verhört" bis zum Zusammenbruch.An der "Klagemauer" standen tage- und nächtelang Rotarmisten, österreichische, deutsche, belgische und tschechische Antifaschisten, französische und polnische Partisanen. Hier stand auch der heldenmütige General der Roten Armee, Dimitri M. Karbyschew, dessen standhafte Weigerung, in den Dienst des deutschen Faschismus zu treten, seinen qualvollen Tod bedeutete. Karbyschew wurde mit zirka 700 Häftlingen im Februar 1945 über persönlichen Auftrag des Lagerkommandanten Ziereis ermordet. Die entkleideten Häftlinge standen bei strengem Frost fast drei Tage an der Mauer und wurden in Abständen von zirka drei Stunden mit Wasser begossen!
Hauptlager#
Das Hauptlager bestand aus drei Abteilungen. Außer dem Hauptlager bestand noch das Sanitätslager, auch Russenlager genannt (siehe Plan) und seit Sommer 1944 nördlich des Lagers (siehe Plan) das sogenannte Zeltlager. Die im Lager I und II befindlichen Häftlingsbaracken waren eingeteilt in Stube A (links) und Stube B (rechts). In der Mitte der Stube B befand sich die Klosettanlage und ein Waschraum. Jede Stube hatte einen sogenannten Aufenthaltsraum und einen Schlafraum. Eine Baracke war für 300 Häftlinge berechnet. In der Mehrzahl der Blöcke befanden sich aber 500 bis 600 Häftlinge, in den sogenannten Quarantäneblöcken (16 bis 24) waren manchmal in den einzelnen Blocks bis 2.000 Häftlinge untergebracht. Im Waschraum lagen haufenweise die Leichen der nach dem abendlichen Zählappell verstorbenen Häftlinge. Dieser Raum war auch die Marterkammer, in der eine sogenannte Lagerdisziplin durch Behandlung mit kaltem Wasser erzwungen wurde.Die erste Baracke links am Appellplatz war Block 1. Er hat eine bunte Vergangenheit. Erst Kantine, dann Post, Lagerschreibstube und Bordell.
Als letzter Block in der ersten Reihe steht der Block 5. Er war der Judenblock (später vorübergehend in der Stube A Häftlingsrevier). Die schändlichen, unaussprechlichen Quälereien, denen die unglücklichen Insassen dieses Blocks ausgesetzt waren, waren die Ursache, dass Nacht für Nacht Juden in dem nur wenige Schritte vor ihrem Fenster gespannten, mit Starkstrom geladenen Stacheldraht, Selbstmord verübten. Morgens hingen dann unzählige Leichen im Draht. Beim Morgenappell kam es öfters vor, dass der Lagerälteste dem Lagerkommandanten ein „judenreines" Lager meldete. Eine bei der unmenschlichen SS beliebte Tötungsart, vor allem bei Juden, war das „Dreschen". Das ausgesuchte Opfer, dem der Weg durch das Fenster in den Draht durch einen SS-Mann verstellt war, musste sich, den Kopf in die Hände gestützt, auf die Erde setzen, worauf drei bis vier SS-Leute mit Ochsenziemern — den gleichen, die zur Verabreichung der „25" dienten — im Takt des Getreidedreschens auf den Kopf des Unglücklichen einschlugen. Sie waren sorgsam bedacht, ihm nicht mit einem einzigen Schlag den Schädel einzuschlagen. In wenigen Stunden war der Kopf zu einer unförmigen Masse von doppelter Größe angewachsen, den der Unglückliche mit beiden Händen am Kinn stützen musste, da er anders nicht aufrecht gehalten werden konnte. Nur der Tod erlöste den Gequälten erst in zwei oder drei Tagen von seinen Leiden. Bis Ende 1944 durfte ein Jude nicht länger wie drei Tage leben. Binnen drei Tagen musste er sterben.
Zwischen dem Block 1 und 2 fanden die „Bockstrafen" statt. Die Exekution wurde von SS-Männern mit Ochsenziemern vorgenommen. Der Häftling musste sich, oft mit entblößtem Gesäß, über den Block legen, worauf die beiden SSler mit voller Wucht abwechselnd die Schläge austeilten.
Block 13 war der Zugangsblock für tschechoslowakische Häftlinge. Besondere Bedeutung erlangte er nach dem Anschlag auf Reinhard Heydrich in Prag (27. Mai 1942). Sogleich nach dem Bekanntwerden des Attentats auf Heydrich verbreitete sich Angst und Schrecken über das Lager. Die Tschechen wurden aus allen Arbeitskommandos entfernt, jede ärztliche Behandlung wurde verboten und selbst die schwerkranken Häftlinge wurden aus der Revierbaracke entfernt. Tage- und nächtelang mussten die tschechischen Häftlinge exerzieren und wurden am Appellplatz herumgejagt. Viele Angehörige der tschechischen Intelligenz, Ärzte, Professoren und Künstler, haben sich damals den Todeskeim geholt.
Politruks #
Im Jahre 1942 kamen als „Politruks" bezeichnete russische Kriegsgefangene nach Mauthausen. Es waren dies in der Mehrzahl Soldaten und Offiziere, die versucht hatten, aus der Kriegsgefangenschaft zu fliehen. Die unter ihnen befindlichen Juden und Kommunisten wurden sofort getötet, die anderen Gefangenen kamen in verschiedene Baracken. Diese Gefangenen hatten die wüstesten Kommandoführer und mussten schwerste Arbeit verrichten. Da sie als erstes Kommando abmarschieren mussten, kamen sie an allen zur Arbeit angetretenen Häftlingen vorbei. Sie mussten im Winter ohne Kopfbedeckung, ohne Handschuhe und Mäntel ausrücken. Und als sie eines Tages in der Frühe am Kommando der jugendlichen Steinmetze vorbeikamen, warfen ihnen diese spontan Handschuhe, Mützen und selbst Mäntel zu.Dieses Ereignis trug viel zur Stärkung der Lagersolidarität bei. Durch schwerste Arbeit und mangelhafte Nahrung haben sich die Reihen der „Poiitruks" bald gelichtet.
"Mühlviertler Hasenjagd"#
Die noch aktionsfähigen, aber völlig waffenlosen Insassen unternahmen anfangs Februar 1945 unter Führung und Leitung von russischen Offizieren einen Ausbruchsversuch. Zirka 700 ausgebrochene Häftlinge wurden — wo immer aufgegriffen — erschlagen. Erschlagen nicht nur von der SS, sondern von allen aufgebotenen Mannschaften ihrer Hilfsorganisationen. Als blutige, verstümmelte Leichen wurden sie auf Lastwagen oder in Bauernfuhrwerken ins Lager geschleppt. Die SS nannte diesen Massenmord „Mühlviertler Hasenjagd". 19 Häftlinge konnten sich retten. Zuletzt barg der Block 20 mehrere Wochen ein Arbeitskommando, das sich mit der Fälschung von Pfund- und Dollarnoten, Pässen, Dokumenten und Briefmarken für das Oberkommando der Deutschen Wehrmacht befasste. Dieses Kommando befand sich dann bis Ende des Krieges im Nebenlager Schlier-Vöcklabruck.
"Hygiene"#
Vom Haupttor kommend stehen rechts vom Appellplatz drei Steinbauten. Der erste Bau ist die Wäscherei, heute Kapelle und Weiheraum. Unter der Wäscherei befand sich das Brausebad; hier wurden die Neuangekommenen gebadet, kahlgeschoren und erhielten ihre Häftlingskluft. Das Brausebad für Häftlinge wurde erst 1941 fertiggestellt, so dass in den Jahren 1939 bis 1941 überhaupt keine Möglichkeit bestand, zu baden oder warmes Wasser für die Reinigung des Körpers zu erhalten. Nur einige Auserwählte hatten das Glück, durch ihre Verbindung zum Block- oder Stubenältesten, einen Topf warmes Wasser zu bekommen. Dazu kamen noch die Schwierigkeiten der Wasserversorgung für das hochgelegene Lager. Bei ungenügender Wasserzufuhr oder Gebrechen der Leitungsanlagen wurde das Wasser abgeschaltet. Dieser Zustand war besonders für die Klosettanlagen katastrophal. Die Häftlinge mussten ihre Notdurft in die zwischen den Baracken angelegten Senkgruben verrichten. Oft verschwand ein entkräfteter Häftling in der Senkgrube. Dass gar manchmal Brutalität und Bosheit einen solchen Unfall verschuldeten, war in einem SS-Lager nicht verwunderlich.
Zwischen der Wäscherei und der Steinmauer mussten sich vorher die ankommenden Häftlinge entkleiden und bei jedem Wetter stundenlang nackt stehen. Während der Wartezeit sorgten die SS-Leute für ihr Vergnügen. Wehe dem unglücklichen Häftling, der durch irgendeinen Umstand den SS-Wachen aufgefallen wäre oder in den Zugangspapieren als besonders gefährlich bezeichnet wurde. Vom Kommandanten angefangen bis zum letzten Posten, SS-Arzt oder Verwaltungsbeamten, sie alle beteiligten sich an den unaussprechlichen Martern und Quälereien. Wohl eine der grausamsten Szenen hat sich im Sommer 1942 bei der Einlieferung der großen Wiener Eisenbahnergruppe abgespielt. Unvergessen soll es bleiben, dass hier sechs Wiener Eisenbahner von Hunden und SS-Angehörigen zu Tode gehetzt wurden.
Küche#
Das nächste Gebäude ist die Küche. Sie war wohl mit den modernsten Geräten eingerichtet, doch von den wertvollen Lebensmitteln, die hier verkocht werden sollten, haben die Häftlinge nichts erhalten. Vom Kommandanten angefangen bis zum einfachen Blockführer haben sie alle ihre privaten Küchen mit Lebensmitteln aus den Beständen der Häftlingsküche versorgt. Was übrigblieb wurde von einem Teil der kriminellen Küchenarbeiter zu schwungvollem Schleichhandel ausgenützt. Die Tagesration für einen Häftling betrug laut Aufzeichnung der SS-Wirtschaftsleitung: In der Frühe 1/4 l Knorrsuppe, mittags ein 3/4 l Steckrübeneintopf mit Kartoffeln; abends 25 dkg Brot und 2,5 dkg Wurst. Sonntag abends wurde anstatt Wurst 2,5 dkg Margarine und ein Suppenlöffel Marmelade ausgefolgt.
Der Bunker#
In seinen durch dicke Mauern von der Außenwelt getrennten Einzelzellen hat sich wohl das Entsetzlichste der an Schrecken reichen Geschichte des KZ Mauthausen abgespielt. Ergänzungsverhöre von politischen Häftlingen oder alliierten Soldaten (vor allem Flieger), die weder von der Gestapo noch von der politischen Abteilung zu einem Geständnis gebracht werden konnten, wurden hier vorgenommen. Überlebten sie diese Methoden, hingen sie am anderen Morgen als „in den Freitod gegangen" an einem Mauerhaken der Zelle. Unter dem Bunker war das erste Krematorium. Seine Feuer brannten Tag und Nacht und der aus dem Kamin schlagende Flammenschein war weithin im Donautal sichtbar. Neben diesem Krematorium befand sich der Sezierraum, wo auf dem heute noch dort befindlichen Seziertisch den toten Häftlingen Goldzähne gezogen wurden. Wenn gewisse Leichen besonders schöne oder interessante Tätowierungen hatten, wurde die Haut abgezogen und entsprechend präpariert. Das Zahngold ist der Deutschen Reichsbank übermittelt worden. Später musste ein zweiter Verbrennungsofen aufgestellt werden, der mit Ölfeuerung versehen war. Das Massensterben der Häftlinge Ende des Jahres 1944 hat dann die Aufstellung eines dritten Doppelofens für Kohlenfeuerung notwendig gemacht, der unter dem Eingang zum neuen Revier erbaut wurde.
Gaskammer#
Mit dem Krematorium verbunden, schon unter der neuen Revierbaracke, liegt die Gaskammer. Zwischen Revier und Bunker, vor dem Eintritt in die Gaskammer, war die Eisentraverse einbetoniert, die als Galgen diente. Vor dem Eintritt in die Gaskammer sieht man den Genickschusskeller. Ein halbdunkler Raum mit auffallend großem Fußraster, der als Blutauffang fungierte. An der einen Wand links befand sich ein Größenmessgerät. Der Schlitz, in dem sich das Kopfbrett befand, stellte die Verbindung zu einem dunklen Raum her, aus dem der Genickschuss auf das ahnungslos vor dem Messapparat stehende Opfer von einem SS-Mann abgefeuert wurde. Die Gaskammer war als Baderaum mit Brausen und Abläufen getarnt. Nur eine dicke Eisenröhre, die halbhoch an der Wand der Gaskammer entlang führt und deren rückwärtiger Teil eine breite längliche Öffnung aufweist, führte in einen Aufenthaltsraum für die SS, wo ein Gasapparat in der Größe und Bauart eines Backrohres stand. Von hier aus konnte man durch ein kleines Fenster die Vorgänge in der Gaskammer verfolgen und das durch das Eisenrohr ausströmende Giftgas in seiner Wirkung beobachten. Prominenten Besuchern, z. B. dem Reichsleiter Baldur von Schirach, Kaltenbrunner, Himmler und anderen Persönlichkeiten des nationalsozialistischen Staates, die sich interessehalber sämtliche Todesarten vorführen ließen, wurde auf besonderen Wunsch eine „Vergasung" gezeigt. Das Öffnen der Tür in die Gaskammer zeigte nach der Vergasung einen die ganze Türfüllung ausfüllenden, ineinander verkrampften Leichenhaufen, der selbst einen Ziereis zurückweichen ließ. Die Entwirrung dieses Leichenhaufens belohnte Ziereis mit einer Sonderbesuchserlaubnis des Bordells für jene kriminellen Häftlinge, die diese Arbeit verrichten mussten. Vor dem Verlassen des Lagers hat die SS den Gasapparat entfernt und das Fenster vermauert. Das neue Revier (Lazarett) stand erst kurze Zeit in Verwendung und war nur halb ausgebaut.Überbelegt#
Der Vormarsch der russischen Armee hat die Evakuierung der östlich gelegenen KZ nötig gemacht; dadurch wurde ein Teil der abtransportierten Häftlinge auch nach Mauthausen gebracht. Unfassbarer Überbelag der Häftlingsbaracken zwang die Häftlinge, beim Schlafen sitzende Stellung einzunehmen, wobei einer hinter dem anderen sitzend, zwischen den gegrätschten Beinen des Hintermannes Platz nehmen musste. Zu dieser Zeit kamen auch Frauentransporte ins Lager, die anfangs im Block 16, dann in den Baracken 16 bis 20 und in Steinbruchbaracken Unterkunft fanden.
Eine Vergrößerung des Lagers war durch die Schaffung des Lagers III und eines sogenannten Zeltlagers herbeigeführt. Hier gab es keine hygienische Vorrichtung, keine Kanalisation, kein Wasser. Der ständig sinkende Gesundheitszustand ließ die Zahl der Arbeitsunfähigen bedeutend steigen. Im Zeltlager wurden im Juni 1944 vorwiegend Warschauer Frauen, im März und April 1945 Tausende ungarische Soldaten konzentriert. Die im Zeltlager inhaftierten Personen wurden in der Lagerschreibstube nicht erfasst. Im Lager III wurden im März 1945 ca. 3.000 schwache Häftlinge zur Liquidierung in der Gaskammer konzentriert. Den Schlüssel zu diesem Lager hatte nur die SS. Trotzdem gelang es der Widerstandsbewegung, einen Schlüssel nachzumachen, und Hunderte von den zum Tode Bestimmten konnten nachts herausgeholt werden. Da die täglichen Todesopfer in den vorhandenen Krematorien nicht mehr eingeäschert werden konnten, musste in einem Feld, anschließend an den Lagerbereich, in Marbach „bei der Linde", ein Massengrab ausgehoben werden, in dem mehr als 10.000 Leichen begraben liegen. Außerhalb des Lagers, nächst der Rückseite des Blocks 15 wurde die Asche der verbrannten Leichen über die Böschung entleert. In den letzten zehn Monaten vor der Befreiung starben monatlich zirka 9.000 Häftlinge. So starben allein im Monat April 1945 im KZ Mauthausen laut SS-Aufzeichnungen 11.525 erfasste Personen.
An einem einzigen Tag, zum Beispiel am 25. April 1945, starben im Lager insgesamt 1.131 Personen. Davon waren 753 politische Häftlinge verschiedener Nationalität, 1 Bibelforscher, 2 Zigeuner, 78 sowjetische Kriegsgefangene, 266 Juden, 5 Asoziale, 26 kriminelle Häftlinge.
Das Sanitätslager#
Das Sanitätslager, auch Russenlager genannt, befand sich gegenüber dem ehemaligen SS-Sportplatz. Ursprünglich zur Aufnahme russischer Kriegsgefangener gedacht, waren die Baracken Pferdeställe, die notdürftig bewohnbar gemacht wurden. Da der Zustrom russischer Kriegsgefangener ausblieb, wurden sie als Krankenlager eingerichtet, um angeblich die noch erholungsfähigen Häftlinge aus den verschiedenen Arbeitslagern dem Arbeitsprozess wieder zuzuführen. Die unfassbare Ausnützung der menschlichen Arbeitskraft machte den Zustrom zu diesem Sanitätslager derartig groß, dass vier bis sechs Häftlinge in einem Bett zusammengepresst waren. Dort war das Massensterben an der Tagesordnung. Hier wurden die ersten Fälle von Kannibalismus entdeckt. Kein Grashalm wuchs in diesem Bereiche und selbst die aus der Lagerküche unverbrannten Kohlenrestchen verschwanden in den Mägen der verhungernden Kranken. Auf dem gegenüberliegenden freien Platz befand sich der SS-Sportplatz und nach der Befreiung vorübergehend der Mauthausener Häftlingsfriedhof. Hier wurden nur jene Häftlinge bestattet, die nach der Befreiung starben.Himbeerpflücker-Kommando``#
An der Böschung des ehemaligen „Sanitätslagers" befanden sich fünf bis zehn Meter außerhalb der SS-Postenkette Himbeersträucher. Im Sommer der Jahre 1942 und 1943 hat die SS-Lagerführung mehrmals Arbeitskommandos aus arbeitsunfähigen und kranken Häftlingen zusammengestellt und diesen aufgetragen, Himbeeren für die Häftlingsküche zu pflücken. Die Häftlinge, denen man verschiedene Gefäße zum Sammeln der Früchte aushändigte, wurden in das Sanitätslager geführt und dort vom SS-Kommandoführer aufgefordert, Beeren von den Sträuchern zu pflücken. Als sich die Häftlinge auf Grund dieser Aufforderung zu den Himbeersträuchern begaben, verließen sie die große Postenkette, somit das Lagergebiet; damit war für die SS-Posten der „offizielle" Grund gegeben, die Häftlinge zu erschießen. Auf diese Art wurden die jeweiligen Himbeerpflücker-Kommandos „auf der Flucht erschossen" — liquidiert.
Der Steinbruch#
Der Steinbruch war das Um und Auf des Lagers. Seinetwegen wurde das KZ Mauthausen errichtet, seinetwegen mussten Zehntausende Menschen sterben. Hier wurden in den letzten Kriegsjahren riesige Rüstungswerke der Ruhrmagnaten errichtet. Der Steinbruch hat die meisten Opfer gefordert. Der Steinbruch war nicht nur zur Vernichtung von Menschenleben bestimmt, sondern sollte auch einen Teil des größenwahnsinnigen Bauprogramms eines Hitler erfüllen. Dort wurde unter Hintansetzung der primitivsten Sicherheitsvorkehrungen das größtmögliche Arbeitspensum verlangt und mit aller Brutalität eingetrieben. Hier hatte man die beste Möglichkeit, Häftlinge ohne viel Zeitverbrauch und am bequemsten bis zur tödlichen Erschöpfung zu jagen. Einen erbarmungslosen Stein auf den Schultern, bis 50 kg schwer, im Laufschritt, ständiges Treten und Prügeln, und bald brach das Opfer zusammen, um irgendwo zu sterben. Die steilen Wände des Steinbruchs dienten wie nichts anderes dazu, um zu ihren Füßen die Opfer zerschellen zu lassen; der größte Teil der ersten Gruppe von Juden aus Holland musste auf diese Weise ihr Leben lassen. Die SS nannte dies scherzhaft „Fallschirmspringen". In seinen tiefen Tümpeln hat mancher Verzweifelte Befreiung aus untragbarer Qual gesucht oder er wurde von der SS hineingeworfen. Die Straße, die vom Lager in den Steinbruch führt, und die die Häftlinge, die im Steinbruch arbeiteten, zweimal passieren mussten, war nicht nur durch einen einfachen Stacheldraht ohne Starkstrom abgeschlossen, sondern auch durch zahlreiche SS-Posten, die nur darauf warteten, durch den Abschuss eines Häftlings drei Tage Sonderurlaub und eine Geldprämie zu erhalten.
Mancher „Steineträger" wurde so „auf der Flucht erschossen". An manchen Tagen lag hier eine ganze Reihe von Erschossenen, die bewies, dass es im Steinbruch wieder einmal „rundgegangen" war. Einzelne Stellen an dieser Straße hatten ihre besondere Benennung, so das von der SS benannte „Judenloch", das vielen verzweifelten Juden das Ende brachte, oder der „Rosengarten", der für viele alliierte Offiziere die letzte Station war. Bevor man die Todesstiege betrat, befand sich rechts von der Straße ein Garten, wo die SS für ihre Frauen Rosen züchtete. Die zur Ermordung bestimmten Häftlinge wurden aufgefordert, Rosen zu pflücken; beim Betreten des Gartengeländes wurden sie von der SS erschossen.
Die Todestiege#
Die Todesstiege präsentiert sich heute in einer geradezu promenadenhaften Form. So war sie nicht immer. Ihre heute gleichmäßigen, normalen Stufen waren damals willkürlich aneinandergereihte, ungleich große Felsbrocken der verschiedensten Formen. Oft einen halben Meter hoch, verlangten sie beim Steigen größte Kraftanstrengung. Oft fehlten sie ganz und ließen eine steile Stelle Lehmboden offen, die — besonders bei feuchtem Wetter — zu schweren Stürzen führte. Und wie freute sich die entmenschte SS, wenn sie die letzten Reihen einer abwärtsgehenden Kolonne durch Fußtritte und Kolbenstöße zum Gleiten brachten und diese gleitende und fallende Menge, die Vordermänner mitreißend, in einem wüsten Haufen die Treppen hinunterkollerte. Deshalb war es ein Gebot der Vorsicht, beim Abmarsch ins Lager, der immer mit einem Stein auf der Schulter angetreten werden musste, solche Stellen zu wählen, die den wenigsten Kraftverbrauch beanspruchten. Wehe dem, der dabei zurückblieb und dem sich keine helfende Hand bot.
Die den Abschluss bildenden SS-Leute trieben die geschwächten Nachzügler mit unbarmherzigen Schlägen und Tritten an. Die Stiege zum Lager mit ihren 186 Stufen nahm oft dem ausgemergelten Körper die letzten Reserven und war in zahllosen Fällen der Schlußpunkt eines tapferen Lebens. Möge sie ein Sinnbild des Kampfes gegen den Faschismus sein.
Finale#
In den letzten Tagen des Monats April 1945 gab es im KZ Mauthausen offiziell ca. 64.000 männliche, 7.000 weibliche und ca. 20.000 nicht erfasste Häftlinge.Am 5. Mai 1945 stießen die amerikanischen Truppen in den Raum um Linz vor. Gleichzeitig erhoben sich unter der Leitung des Internationalen Komitees (die illegale Widerstandsleitung der Häftlinge) die überlebenden Insassen von Mauthausen. Das Internationale Komitee übernahm das Lager, bewaffnete die Häftlinge und organisierte die Verteidigung gegen die Horden der SS, die noch in den letzten Tagen alle Häftlinge liquidieren wollten. Amerikanische Truppen befreiten das Lager am 5./6. Mai. Am 7. Mai 1945 war das Gebiet im KZ Mauthausen endgültig von der SS gesäubert und alle Häftlinge befreit.
Weiterführendes#
- Nagl, M.: Marko Feingold - "Der Renner-Ring muss weg" (Essay)
- Marco Feingold (AEIOU)
- Stuiber, P.: Versuch eines Brückenbaus (Essay)
- Historische Bilder zu KZ Mauthausen (IMAGNO)
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund VerfolgungspolitikBand 1Gerhard Botz et al.Böhlau VerlagWien2021
- Deportiert nach MauthausenBand 2Gerhard Botz et al.Böhlau VerlagWien2021
Web-Links#
Quelle#
- Hans Maršálek/Josef Kohl, Wegweiser durch Mauthausen, herausgegeben vom Verband österreichischer Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus.
Der Beitrag macht sehr betroffen und ist wirklich erschütternd. Sollte weiteste Verbreitung (Übersetzungen) erfahren, da für die politische Bildung und die noch immer anhaltende Diskussion über Gaskammern extem relevant. Pflichtlektüre für Schulen!
Dr. Karl Anton Glaubauf
Freitag, 12. Februar 2010, 19:54
Leiter der Häftlingsrevolte war der österreichische Widerstandskämpfer und Ritterkreuzträger Generalstabsoberst Heinrich Kodré, der die Aktion des 20. Juli 44 in Wien zum Erfolg führte, weshalb sich ihm die Häftlinge infolge seiner militärischen Kompetenz unterstellten. Im Gegensatz dazu war die SS der Meinung, Kodré würde von den Häftlingen getötet werden, weshalb der Ritterkreuzträger als Ehrenhäftling im Lagerbordell untergebracht war. Die Häftlinge waren aber über Kodrés Widerstandstätigkeit, die heute nicht einmal Fachleuten mehr bekannt ist, obwohl sie im Standardwerk von Marsalek leicht nachzulesen wäre, wesentlich besser informiert als die SS. Literaturkenntnis ist offensichtlich heute auch bei Fachleuten nicht mehr vorauszusetzen, wie die Kodré-Diskussion zeigte.
--Glaubauf Karl, Mittwoch, 18. August 2010, 18:08
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