Geschichte Wiens - ein kurzer Abriss#
Wien, am Schnittpunkt der Kulturen und Verkehrswege - Bernsteinstraße und Donau - „zwischen Orient und Okzident“ gelegen, ist seit langem besiedelt. Funde aus der ältesten Kulturstufe der Jungsteinzeit, der bandkeramischen Kultur, 5500 - 4700 v. Chr. - entdeckte man im 13., 19., 22. und 23. Bezirk. Die folgende Bronzezeit hinterließ Spuren in der Innenstadt, in Simmering, Kagran, Leopoldau und Aspern (Urnenfelderkultur, um 1000 v. Chr.) Die jüngere Eisenzeit (450 - 15 v. Chr.) ist mit den Kelten verbunden, deren Höhensiedlungen sich im Wiener Raum auf dem Leopoldsberg, Nussberg und Bisamberg befanden.
Mit der Offensive der Römer endete die schriftlose Urgeschichte Wiens und die Siedlungskontinuität des 1. Bezirks nahm ihren Anfang. Das Legionslager Vindobona war in die Befestigungslinie des Donaulimes eingebunden. Der Platz lag ein wenig außerhalb. In der Lagervorstadt (canabae legionis) lebten die Angehörigen der Soldaten, Händler und Handwerker. Das Legionslager selbst - „die steinerne Keimzelle einer städtischen Agglomeration“, wie es der Historiker Johannes Sachslehner nennt - war von bis zu drei Meter dicken Mauern umgeben. Ihr Verlauf - im Geviert Salzgries, Rotgasse, Kramergasse, Graben, Naglergasse und Tiefer Graben - und ihre Hauptstraßen (Wipplingerstraße, Marc-Aurel-Straße, Tuchlauben) bestimmen seit etwa 100 n.Chr. das Straßennetz der City. Für die Anlage des rund 18 Hektar großen militärischen Gebiets, das weniger als ein Fünftel der heutigen Inneren Stadt einnahm, nützte man natürliche Vorteile des Areals und Wasserläufe: Ottakringerbach, Möhringbach (Mörung) und Donau. Das römische Wien (15 v. Chr. bis 791 n. Chr.) hatte in seinen besten Zeiten rund 35 000 Einwohner, 30 000 Zivilisten und 5 000 Soldaten.
Das römische Imperium brach um 400 unter dem Ansturm kriegerischer Stämme aus dem Norden und Osten zusammen. Die Welt der Antike ging zu Grunde. Europäische Machtbereiche gruppierten sich neu. Schriftliche Quellen sind schweigsam über die „dunklen Jahrhunderte“ der Völkerwanderungszeit. Doch Archäologen entdeckten deren „goldene Spuren“ (Herbert Mitscha-Märheim), wie die typischen Gürtelbeschläge der Awaren auf einem Simmeringer Gräberfeld.
Mit sieben Jahrhunderten war das europäische Mittelalter eine Epoche von langer Dauer. Historiker datieren es auf die Zeit zwischen 800 und 1500 und unterscheiden die drei Phasen Früh- (um 800 - 907), Hoch- (907 - um 1250) und Spätmittelalter (um 1250 - 1522). Die Jahreszahl 791 markiert das Ende des „Regnum Avarorum“. Die Truppen Kaiser Karls des Großen (742-814) marschierten donauabwärts. Nach ihrem Sieg über "Heiden“ und „Barbaren“ - organisierten die Franken das Grenzgebiet im Osten neu als Karolingische Mark. 881 findet sich in den Salzburger Annalen erstmals die Erwähnung des Stadtnamens („apud Weniam“, bei Wien) im Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Ungarn. Becs / Wien blieb generationenlang ungarisch, bis sie Otto I. (912-973) in der Schlacht am Lechfeld bei Augsburg besiegte. Als erster Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation übertrug er die Verwaltung der umstrittenen Gebiete persönlichen Vertrauensleuten. Zu diesen zählte das fränkische Markgrafengeschlecht der Babenberger (976-1246), die um 1135 Stadtherren von Wien wurden.
Der Babenbergerherzog Heinrich II., genannt Jasomirgott (1141-1177), gilt als eigentlicher Gründer der Stadt: Im Privilegium minus erhielt er Österreich als Herzogtum aufgewertet. Um 1155 verlegte er seine Residenz von Klosterneuburg nach Wien. Die Burg befand sich innerhalb der alten Mauern auf dem Platz Am Hof. Unmittelbar vor der Stadt stiftete er das erste Kloster Wiens, das Schottenstift. Bald wurden freie Flächen verbaut und zusammen mit bestehenden Siedlungen von einer neuen Stadtmauer umgeben. Die Mittel dafür kamen aus dem Lösegeld für den englischen König Richard Löwenherz, das 11 bis 13 Tonnen Silber betrug. Die Befestigung bestimmte für die nächsten 650 Jahre die Stadtentwicklung. Ihr Verlauf entsprach etwa der Ringstraße. Die 4,5 km lange Mauer hatte 5 Tore und 19 Türme. Die beim Bau beschäftigten Handwerker waren die ersten, die sich gemauerte Wohnhäuser errichteten. Im frühen 13. Jahrhundert war Wien nach Köln die größte Stadt des Reiches. Die Babenberger residierten auf dem Platz Am Hof. Die Jahrzehnte nach ihrem Aussterben waren äußerst unruhig. Seit 1251 herrschte in Österreich Przemysl Ottokar II. (um 1230-1278), der Wien sehr förderte. Er verlegte die Burg vom Platz Am Hof an ihre heutige Stelle. Die viertürmige Burg verstärkte die Stadtbefestigung. Unweit davon entstand St. Augustin als Hofkloster. Mit der Wahl Rudolf I. (1218-1291) zum römisch-deutschen König endete 1273 „die kaiserlose, die schreckliche Zeit“ (Friedrich Schiller). 1276 zog Rudolf I. in Wien ein, das sich ihm ergeben hatte. 1278 fand sein Widersacher, der Böhmenkönig Ottokar II. Przemysl in der Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen den Tod. Durch die Belehnung seiner Söhne Albrecht I. (1255-1308) und Rudolf II. (1271-1290) mit Österreich begründete Rudolf I. die Herrschaft der Habsburger.
Rudolf IV. (1339-1365) erhielt den Beinamen „der Stifter“. Er baute St. Stephan aus und gründete ein Domkapitel, als Vorstufe eines eigenen Bistums. 1365 erhielt Wien eine (nach Prag zweite deutschsprachige) Universität. Großzügig förderte der junge Herzog die Stadt, die sich lange nicht vom Rückschlag durch die Pest erholen konnte. Um die Jahrhundertmitte war ein Drittel der Bewohner Opfer der Seuche geworden. Rudolf der Stifter starb 26-jährig ohne männliche Nachkommen. Sein Bruder Albrecht III. (1350-1393) setzte die Projekte fort.
„Das 15. Jahrhundert war eine Zeit des Umbruchs,“ fasst der Historiker Reinhard Pohanka zusammen: „An der Nordgrenze Österreichs war ein Religionskrieg gegen die Hussiten zu führen, am Balkan rückten die Türken weiter vor, wodurch die Wiener Händler traditionelle Märkte verloren. Die schlechte wirtschaftliche Lage führte zu Tumulten und Aufruhr in Wien und als auch die Wiener Juden, die nach einem Brand der Judenstadt 1406 verarmt waren, als Geldgeber ausfielen, ließ Albrecht V. sie in der ‚Wiener Geserah‘ 1421 vertreiben und ermorden.“ Die Sozialstruktur Wiens in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts zeigte bei etwa 20 000 Einwohnern 20 % Handwerker, 16 % Taglöhner und Dienstboten, 12 % Adelige, 12 % Erbbürger und Kaufleute, 12 % Handwerksgesellen, 8 % Arme, 8 % Geistliche, 8 % Universitätsangehörige, 2 % selbstständig erwerbstätige Frauen und 2 % Juden.
Um 1500 endete in Wien die lange Epoche des Mittelalters. Über den königlichen Hof und die Universität verbreiteten sich die Gedanken des Humanismus. Bedeutende Gelehrte wirkten hier, die Universität genoss internationalen Ruf. Maximilian I. (1459-1519) liberalisierte die Wirtschaft. In der Folge verloren Zünfte und Bürger angestammte Privilegien. Um 1520 veröffentlichte Martin Luther (1483-1546) in Deutschland seine Reformationsschriften. In der Folge wurden auch 80% der Wiener evangelisch. Wien zählte zu Beginn des 16. Jahrhunderts an die 50 000 Bewohner.
1529 ging als Jahr der Ersten Türkenbelagerung in die Chronik ein. Von 25. September bis 14. Oktober versuchte Sultan Suleyman II. Wien, eine der wichtigsten Städte des Heiligen Römischen Reiches, zu erobern. Seinem Heer von 150 000 Mann standen 1 700 gepanzerte Reiter und 8 000 Knechte des Verteidigers Graf Niklas Salm gegenüber, 1 500 Krieger fanden den Tod. Schließlich erzwang Schlechtwetter den Abzug der Belagerer. Als Konsequenz erfolgte der Ausbau der Stadtbefestigung. Zwischen 1531 und 1672 wich die mittelalterliche Ringmauer einer der Kriegstechnik angemessenen Anlage mit Basteien, Bollwerken, davor liegendem breitem Graben und einem unverbauten Gebiet (Glacis). Am Verlauf änderte sich nichts. 1533 verlegte Ferdinand I. die Hofhaltung nach Wien, das mit einer kurzen Unterbrechung Reichs-Haupt-und Residenzstadt blieb. Der Hof als Zentrum zog neue Oberschichten an. Der Hochadel ließ sich nächst der Burg im Herrenviertel nieder. Doch für die vielen Angehörigen des Hofstaats, Beamte und Hofhandwerkern fehlten Wohnungen. Um 1550 zählten fast 18 % der Haushaltsvorstände in der Inneren Stadt zum Hof. Zur Unterbringung wurde 1566 die Hofquartierspflicht eingeführt. Hausbesitzer mussten an diese Bevölkerungsgruppen vermieten. 1551 ergriff Ferdinand I. (1503-1564) Initiativen gegen seine nicht katholischen Untertanen. Von den Juden verlangte er, ihre Kleidung mit einem gelben Kreis zu kennzeichnen. Im Sinne der Gegenreformation berief er die Jesuiten nach Wien. Generationenlang verfolgten die katholischen Herrscher die Ziele der Gegenreformation. Nur noch Katholiken durften Bürger werden und städtische Funktionen bekleiden. Großen geistlichen und politischen Einfluss übte Domprobst Melchior Klesl (1553-1630) aus. Er war nicht nur Bischof (1602) und Kardinal (1615) in Wien, sondern nach dem Tod des Kaisers Rudolf II. (1612) als Kanzler auch der wichtigste Mann im Staat. Um sein Hauptanliegen, die Rekatholisierung, voranzutreiben, berief er neue Orden. Die Klosteroffensive wirkte sich auf das Stadtbild aus. Für die Gründung von neun neuen Klöstern wurden in der Altstadt 50 Bürgerhäuser abgetragen. Zusätzlich stieg die Zahl der weltlichen Verwaltungsgebäude.
Der Historiker Roman Sandgruber spricht von einer europäischen Krise des 17. Jahrhunderts mit den Plagen „Pest, Hunger und Krieg“: Pestwellen, die zwischen den 1630er Jahren und 1715 in Österreich grassierten, forderten in Wien zahlreiche Tote: 1679 starben zehn Prozent, 1713 überlebten zwischen 2 500 und 6 000 Menschen die Seuche nicht. Dazu kamen allein in der zweiten Jahrhunderthälfte drei große Hungersnöte. Vom Dreißigjährigen Krieg, 1618-1648, einem Religions-, Stände- und Staatenkonflikt, der in Deutschland und Böhmen ausgetragen wurde, waren Österreichs Gebiete 1618-20, 1645/46 und 1647 betroffen.
Nach dem Westfälischen Frieden konnte man in Wien einige Jahrzehnte in Sicherheit und Stabilität leben. Trotzdem entfiel ein Drittel bis die Hälfte der Bewohner auf Unter- und Randschichten ohne Bürgerrecht. Private Wohltäter stifteten ihr Vermögen für Findel- und Waisenhäuser. Öffentliche Sozialeinrichtungen sollten die Not lindern. 1639 gab es im Bürgerspital einen Vorläufer der „Babyklappe“. Bisher hatten viele ledige Mütter ihre Kinder getötet. Leopold I. ließ ein „Zucht- und Arbeitshaus“ für Männer und Frauen einrichten, die dort u.a. in der Textilindustrie werken mussten. Ab 1638 bestand eine - aus Mitteln der Luxus- und Vergnügungssteuer dotierte - städtische Armenkasse. 1693 begann der Bau des Großarmenhauses in der Alser Straße. Man unterschied zwischen unwürdigen und würdigen Armen, denen allein es gestattet war, Almosen zu erheischen. Wer unbefugt bettelte, musste mit schweren Strafen rechnen. Trotzdem gab es immer mehr Bettler. Roman Sandgruber schätzt, dass fünf bis zehn Prozent der in Wien Anwesenden dazu zählten, darunter so unterschiedliche Gruppen wie abgedankte Soldaten, alte Dienstboten, Frauen, Kinder und Kriminelle. Er wies auch darauf hin, dass die große Zeit der Hexenverfolgungen in Österreich erst zwischen 1650 und 1700 war - mit 5 000 Angeklagten, von denen viele hingerichtet wurden. Mehrfach ordnete die Regierung an, „umherstreifendes Gesindel“ vor die Stadt zu bringen und „abzuschaffen“. 1683 sollen es 7 000 Menschen gewesen sein.
1683, die zweite Türkenbelagerung, ist eine weitere, im historischen Bewusstsein verankerte Jahreszahl. Die Belagerung dauerte rund zwei Monate, von 14. Juli bis 12. September. Die Lebensmittelpreise verdreifachten sich. Kaiser und Hofstaat, aber auch Tausende Einwohner, flohen Richtung Westen. Die Vorstädte wurden der Verteidigung geopfert und in Brand gesteckt. Gemeinsam mit einem Entsatzheer unter dem polnischen König Johann III. Sobieski (1629-1696) und Herzog Karl V. (1643-1690), dem Schwager des Kaisers, wurde das Heer Kara Mustafas geschlagen. Nachdem Prinz Eugen von Savoyen (1663-1736) die Osmanen aus Ungarn vertrieben hatte, war Wien nicht länger von ihnen bedroht.
Der Triumph über Pest und Krieg fand in repräsentativen Bauten Ausdruck. Häuser mit Fassaden im Stil des Barock brachten das mittelalterliche Stadtbild zum Verschwinden. Der Kaiser stiftete die Dreifaltigkeitssäule auf dem Graben und die Karlskirche. 1716-1739 von Johann Bernhard und Josef Emanuel Fischer von Erlach errichtet, zählt das Hauptwerk des österreichischen Hochbarock zu den bedeutendsten Kuppelkirchen Europas. Kaiser Karl VI. wollte nicht nur seinem Namenspatron, dem Pestheiligen Karl Borromäus, eine Kirche widmen, sondern auch sich selbst ein Denkmal setzen. Alles was den Namensheiligen verherrlicht, lobt zugleich den Stifter. Die Architektur ist voll von Allegorien: Der von Säulen flankierte Bau erinnert sowohl an den Jerusalemer Tempel als an das Pantheon und verherrlicht den Kaiser als „neuen Salomon“. Die Triumphsäulen machen ihn zum „Augustus“ und Wien zum „neuen Rom“. Spanische Krone und Reichsadler zieren die „Herkulessäulen“. Adelige bauten in der Stadt Paläste und in den Vorstädten großzügige Gartenpalais, wie das Belvedere mit seinem repräsentativen Park. Wien erhielt 1704 eine äußere Grenze, den Linienwall. Nach den Überlegungen von Prinz Eugen sollte er die Stadt vor den Einfällen der Kuruzzen schützen. „Kreuzträger“ nannten sich ungarische Aufständische gegen die Habsburger. Zunächst als Erdwall mit Graben in nur vier Monaten aufgeworfen, wurde der Linienwall 1738 mit Ziegeln gemauert. Auf 13 km Länge umgab er die Vorstädte vom Donaukanal bei St. Marx (Wien 3) bis Lichtental (Wien 9). Bei den wichtigsten Ausfallstraßen durchbrachen Tore - zunächst mit Zugbrücken über den Graben - die Mauer, in deren Nähe Kapellen und ärarische Gebäude entstanden. Ab 1829 war hier die Verzehrungssteuer-Grenze, was das Leben in den Vororten wesentlich billiger machte als in den Vorstädten oder in der Innenstadt. Zwischen den Wohnorten bestanden große soziale Unterschiede, wobei der Bevölkerungsanteil der Inneren Stadt zurückging, in den Vorstädten (zwischen heutigem Ring und Gürtel) und Vororten aber zunahm:
Jahr | Stadt | Vorstädte | Vororte | Gesamt |
---|---|---|---|---|
1754 | 54.340, 28,4 % | 121.269, 63,4 % | 15.720, 8,2 % | 191.329 |
1797 | 59.303, 22,2 % | 168.976, 63,2 % | 38.970, 14,6 % | 267.249 |
1830 | 54.230, 14,4 % | 249.655, 69,6 % | 57.892, 16,0 % | 361.177 |
1857 | 51.904, 8,7 % | 424.318, 71,0 % | 121.013, 20,3 % | 597.235 |
1740 starb Kaiser Karl VI. (1685-1740), den die Habsburger-Biographin Brigitte Hamann als „ganz barocken Herrscher“ charakterisiert: „Unter ihm erreichte der Barock in Österreich seinen Höhepunkt ... Innenpolitisch ist die Bilanz der Regierung Karls VI. wesentlich besser als außenpolitisch.“ Zu seinen größten Belastungen zählte die Nachfolgefrage, obwohl die Pragmatische Sanktion - das Gesetz, das die Unteilbarkeit der habsburgischen Länder und auch die weibliche Erbfolge festlegte - offiziell anerkannt war.
Seine Tochter Maria Theresia (1717-1780) war zum Zeitpunkt der Amtsübernahme 23 Jahre alt. Schon als 19-Jährige hatte sie, dem Willen des Vaters gehorchend, Franz Stephan von Lothringen (1708-1765) geehelicht. Als Herrscherin war sie bestrebt, für die jeweils aktuellen Probleme Lösungen zu finden. Die ersten waren die Erbfolgekriege gegen den Preussenkönig Friedrich II. Im Inneren forderten die Reformen des „aufgeklärten Absolutismus“ besondere Dringlichkeit: Vereinheitlichung des Rechts, Abschaffung der Folter, Verwaltungsreform, wirtschaftliche Maßnahmen, allgemeine Schulpflicht. Modernisierung war gleichbedeutend mit Rationalisierung und staatlicher Einflussnahme. In der Regierungszeit Maria Theresias und Joseph II. (1741-1790) sollten möglichst viele Männer, Frauen, Kinder, Arme und Waisen in den Produktionsprozess einbezogen werden. Manufakturen wie die 1718 gegründete Porzellanfabrik wurden gegründet. Mit der zunehmenden Verbauung der Vorstädte durch adelige Besitzungen, Manufakturen und Wohnhäuser für Arbeiter blieb in Wien wenig Platz für die frühere landwirtschaftliche Nutzung. Gemüsegärten und Weinrieden verschwanden zusehends. Auf dem Lande aber setzten sich neue Feldfrüchte - Mais, Kartoffel und Kürbisse - durch.
Kaiser Josef II. (1741-1790), Mitregent seit 1765, führte die sozialen, kirchlichen und wirtschaftlichen Reformen mit großem Eifer weiter. Zu den Infrastrukturmaßnahmen zählten der Umbau des Großarmenhauses als Allgemeinen Krankenhaus, die Öffnung von Prater und Augarten, Erschließung des Glacis mit beleuchteten Straßen und Gehwegen als Erholungsräume, Verbauung der Areale der von ihm aufgehobenen Klöster, Auflassung der innerstädtischen Friedhöfe, Ausbau der Straßen, Verstaatlichung der Post und eine Pfarreinteilung die in großen Zügen bis heute gilt. Pressefreiheit, "Leibeigenschaftsaufhebungspatent" und Toleranzpatente (bürgerliche Gleichheit für evangelische und griechisch-orthodoxe Christen, Abschaffung vieler diskriminierender Bestimmungen für Juden) sind untrennbar mit dem Namen des Herrschers verknüpft, der sich als erster Diener seines Volkes verstand. Zu den markanten Neubauten seiner Zeit zählen Nutzgebäude wie der so genannte Narrenturm im Allgemeinen Krankenhaus als Beispiel der Revolutionsarchitektur, und die "Josephinum" genannte chirurgisch-medizinische Akademie zur Ausbildung von Militärärzten (beide von Isidor Canevale, 1783).
Auf Josef II. folgten als Kaiser sein Bruder Leopold II. (1747-1792) und schon zwei Jahre später dessen Sohn Franz II. (I.). Kaiser Leopold II., der ein Vierteljahrhundert hindurch als Großherzog die Toskana zum Musterland der europäischen Aufklärung gemacht hatte, gelang es, in Wien die gespannte innenpolitische Lage zu entschärfen und die Außenpolitik zu stabilisieren. Inzwischen hatte sich mit der Epoche der französischen Revolution - komplexe historische Abläufe 1789-1799 mit markanten Ereignissen wie Sturm auf die Bastille 1789, Hinrichtung des Königspaares 1793 - eine neue Gesellschaftsordnung angekündigt.
Franz II. war ein überzeugter Gegner der Revolution. In seine Regierungszeit fielen die Napoleonischen Kriege, eine schwere Wirtschaftskrise und der Staatsbankrott. Nachdem sich Napoleon zum Kaiser der Franzosen gekrönt hatte, sah sich auch Franz II. veranlasst, sich von der römisch-deutschen Kaiserwürde unabhängig zu machen. 1806 legte er, nun Franz I., die Krone des Heiligen Römischen Reiches endgültig nieder und verkündete dessen Auflösung. Nach der Besiegung Napoleons war Wien 1814/15 als Schauplatz des Wiener Kongresses Mittelpunkt Europas. Das beginnende Industriezeitalter erforderte eine neue Infrastruktur wie den Wiener Neustädter Kanal mit einem stadtnahen Hafen, Eisenbahnlinien, Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung (1835-1846 gebaut), oder die „Cholerakanäle“ gegen hygienische Missstände. Die klassische Erschließungsart waren Rasterviertel mit einem zentralen Rechteckplatz als öffentlicher Raum wie das Beispiel von Breitenfeld, Wien 8, zeigt.
Ferdinand I. (1793-1875), der Franz I. auf dem Kaiserthron folgte, dankte 1848 ab. „Die gescheiterte Revolution von 1848 war ein Aufstand des Besitz- und Bildungsbürgertums. Die Bauern, die eine ersatzlose Streichung ihrer Feudallasten wollten, und die von der Hungersnot und Wirtschaftskrise besonders betroffenen Arbeiter, die in den Wiener Vorstädten Fabriken und Verzehrungssteuerämter in Brand steckten und vor den Häusern der Unternehmer Katzenmusiken veranstalteten, konnten für ihre Forderungen beim Bürgertum wenig Verständnis erwarten. Die sozialpolitischen Anliegen der Arbeiterschaft, Preisstopp, Lohnerhöhungen oder Zehnstunden-Arbeitstag, wurden von den bürgerlichen Garden erstickt.“ (R. Sandgruber)
1848 trat der 18-jährige Franz Joseph I. (1830-1916) die Nachfolge seines Onkels, Kaiser Ferdinand I. an. 1853 entging der Monarch einem Attentat, ein Jahr später erlebten die Wiener seine Prunkhochzeit mit Elisabeth von Bayern (1837-1898). 1857 ließ der Kaiser die Stadtmauer schleifen, an ihrer Stelle entstand die Ringstraße als Prachtboulevard mit der großbürgerlichen Kultur der Ringstraßengesellschaft. Wien entwickelte sich zur internationalen Metropole. Das Weltausstellungsjahr 1873 brachte nicht nur ein Großevent, sondern auch den „schwarzen Freitag“ des Bankenkrachs, eine Cholera-Epidemie und eine Kostenexplosion, besonders bei Lebensmitteln. 1879 feierte Wien die Silberhochzeit des Kaiserpaares mit der Weihe der Votivkirche und einem Huldigungsfestzug. Hans Makart beschwor noch einmal den Glanz des alten Handwerks. 14.000 in Samt und Seide Kostümierte zogen in Gruppen und auf geschmückten Wagen über die Ringstraße zum Festplatz vor dem Burgtor.
Durch die Eingemeindung der 43 Vororte 1890 verdreifachte sich die Fläche Wiens (von 5.540 auf 17 812 Hektar), die Einwohnerzahl stieg von 563 000 auf 1 364 000. Die Schleifung des fast 200-jährigen Linienwalls und die Anlage der Gürtelstraße war eine logische Folge der Stadterweiterung. Bahnlinien, elektrische Straßenbahn, Stadtbahn und Verbindungbahn erleichterten die Mobilität. Die Stadtbahn beförderte im Jahr 1900 mehr als 28 Millionen Personen. Die letzte Pferdetramway fuhr 1902. Sozialhistoriker haben errechnet, dass die durchschnittliche Arbeitszeit für einen Tramwayfahrschein bei 37 Minuten lag. Das große Anliegen der Stadtplaner hieß „Regulierung“, sowohl der Straßen, als auch der Gewässer Donau und Wienfluss. Auch die Infrastruktur sollte ihre Ordnung haben. Unter dem christlich-sozialen Bürgermeister Karl Lueger (1844-1910) erfolgte die Kommunalisierung der Gas- und Elektrizitätsversorgung und der Verkehrsbetriebe, die Anlage der 2. Hochquellenwasserleitung und des Wald- und Wiesengürtels. Um 1900 erlebte Wien noch einmal eine kulturelle und wissenschaftliche Hoch-Zeit.
Kaiser Franz Joseph I. starb am 21. November 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, an einer Lungenentzündung. Mit ihm ging eine Ära zu Ende. „Der Erste Weltkrieg war nicht einfach eine Wiederholung früherer Kriege in größerem Umfang. Er war der erste Krieg, in dem die Leistungsfähigkeit der Industrie und deren Organisation von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Kriegsführung wurden“, schrieb Roman Sandgruber und zitierte Feldmarschall Franz Conrad von Hötzendorf, der meinte, es sei ein „Krieg der Massen und der Industrie“ gewesen. Zahlen laut amtlicher Angabe des k.u.k. Kriegsministeriums lassen das menschliche Elend ahnen: Österreich-Ungarn mobilisierte 75% der männlichen Bevölkerung für den Kriegsdienst. Von den 8,5 Millionen Menschen zwischen 18 und 50 Jahren. fanden 1,2 Millionen den Tod, 3,86 Millionen wurden verwundet, gefangen oder blieben vermisst. Für Österreich dauerte der Erste Weltkrieg vier Jahre, drei Monate und zehn Tage. Die Kosten waren gleich hoch wie das gesamte Volkseinkommen von zweieinhalb Jahren. Die Zweimillionen-Stadt Wien war nur noch Hauptstadt des Reststaates.
1919 gewannen die Sozialdemokraten 100 von 165 Mandaten in der Stadtregierung. Unter Bürgermeister Jakob Reumann (1853-1925) begann der Aufbau des Roten Wien mit der Verbessung der sozialen Einrichtungen. Aus Mitteln der Wohnbausteuer baute die Gemeinde Wohnungen, die einen - für damalige Bedürfnisse - hohen Standard boten. Bis Februar 1934 entstanden 348 Wohnhausanlagen mit 61 175 Wohnungen und 42 Siedlungen mit 5 227 Wohnhäusern. 1931 gab es Aufsehen erregende Neubauten: Das staatlich geförderte Hochhaus in der Herrengasse ist ein Stahlskelettbau mit 224 Wohnungen in 15 Stockwerken. Für die Werkbundsiedlung, eine Mustersiedlung in Hietzing, stellte die Gemeinde Wien das Areal für 70 Einfamilienhäuser prominenter Architekten zur Verfügung.
1933 bedeutete der Rücktritt aller drei Präsidenten des Nationalrates das Ende der parlamentarischen Republik. Die Machtergreifung des Nationalsozialismus besiegelte das Ende der Eigenstaatlichkeit Österreichs. Wien wurde zu einem Reichsgau und sollte, wie andere deutsche Städte, großzügig erweitert werden. Umlandgemeinden wurden zu Stadtbezirken, die Fläche vervierfachte sich. 1939 begann der Zweite Weltkrieg, der der bis 1945 dauerte. „Die nationalsozialistische Schreckensherrschaft und der Krieg hatten eine grausige Bilanz hinterlassen“, schreibt Roman Sandgruber. „Die nüchternen Zahlen, die wohl eher Untergrenzen darstellen, können nur das Ausmaß andeuten: etwa 247 000 österreichische Militärtote, mindestens 120 000 Österreicher, die in Haft, Konzentrationslagern und Euthanasieprogrammen umgekommen und ermordet worden waren, und etwa 25 000 bis 30 000 Ziviltote, die Luftangriffen und Kriegshandlungen auf österreichischem Boden zum Opfer gefallen waren. Von den 185 000 bis 190 000 österreichischen Juden war 125 000 bis 130 000 die Auswanderung oder besser wohl Flucht geglückt.“ 86 000 Wiener Wohnungen waren beschädigt - weit mehr als das Bauvolumen der vergangenen Jahre ausgemacht hatte. Von der Zerstörung, die fast ein Viertel des Hausbestandes betraf, war auch der historische Stadtkern in Mitleidenschaft gezogen.
„Die aufwendige Restaurierung von Burgtheater und Staatsoper markierte das Ende der Wiederaufbauphase; ihre Eröffnung erfolgte kurz nach dem Staatsvertrag, durch den Österreich am 15. Mai 1955 seine volle Souveränität wiedererlangt hatte“, schreibt der Kunsthistoriker Mario Schwarz im „Weltkulturerbe“-Führer. Seit Dezember 2001 zählt das historische Stadtzentrum von Wien zum Weltkulturerbe der UNESCO, das derzeit 830 Denkmäler in 138 Ländern umfasst. Mario Schwarz formuliert die neue Einstellung zur Gegenwartsarchitektur im historischen Stadtgefüge so: „Qualitätvolles Altes erhalten und sanieren, Neues aber selbstbewusst in einer zeitgemäßen Formensprache an seine Seite stellen.“
Quellen#
Österreichische Geschichte, Ueberreuter-Verlag Wien 2000.Helga Maria Wolf. Spurensuche Wien. Erfurt 2007
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