Andrei Corbea-Hoișie
Andrei Corbea-Hoișie (* 15. Dezember 1951 in Iași) ist ein rumänischer Germanist, Romanist, Hochschullehrer und Diplomat. Seit 1995 ist er Professor für Deutsche Literatur in Iași. In der Ära Ceaușescu war er langjähriger Mitarbeiter der Securitate.
Leben
Nach dem Abitur am Gymnasium C. Negruzzi (1970) studierte Corbea-Hoișie Germanistik und Romanistik an der Alexandru-Ioan-Cuza-Universität in Iași. Dort machte er 1974 das Deutschdiplom und 1979 das Geschichtsdiplom. 1988 promovierte er in Bukarest in Philologie.[1] Wie kein anderer kennt er die multikulturelle Geschichte und (jüdische) Literaturgeschichte der Bukowina. So ragen in seinem großen Œuvre die Bücher über Paul Celan, Immanuel Weissglas und den in Deutschland (zu Unrecht) vergessenen Valeriu Marcu hervor. Besonders befasst hat er sich auch mit Ernst Jünger, Theodor Adorno und Max Frisch.
Corbea-Hoișie war Associate Professor an Hochschulen in Paris, Siegen, Freiburg im Üechtland und Bukarest. Die Fondation de l'École Normale Superieure verlieh ihm 1998/99 die Blaise-Pascal-Forschungsprofessur in Paris. Die Universität Konstanz verlieh ihm 2004 den Dr. phil. h. c.
Im April 2007 erhielt Andrei Corbea-Hoișie von Seiten des Nationalen Rats für das Studium der Archive der Securitate (rumänisch: Consiliul Național pentru Studierea Arhivelor Securității, CNSAS), das rumänische Pendant der Gauckbehörde in Deutschland, einen Urteilsspruch, der dessen Kollaboration mit der Securitate bestätigte. Als Folge seiner IM-Tätigkeit genoss Corbea-Hoișie während des Ceaușescu-Regimes einen Sonderstatus, der ihm unter anderem zahlreiche Auslandsreisen erlaubte. Unter dem Mitarbeiternamen „Horia“ bespitzelte er die intellektuelle Opposition in Jassy. Zu den Betroffenen gehörte auch der prominente Literaturkritiker und Regimegegner Dan Petrescu, an dessen vom Geheimdienst betriebener Diskreditierung Corbea-Hoișie beteiligt war: Man versuchte den unbequemen Liberalen Petrescu als Rechtsextremisten zu diffamieren. Als im April 2007 die Archivbehörde ihr einstimmiges Verdikt sprach, das ihn als Mitarbeiter der politischen Polizei benannte, widersprach er mit keinem Wort. Das Beweismaterial war erdrückend.[2] Deswegen waren weder der Tagesspiegel noch die Frankfurter Rundschau dazu bereit, seine Entgegnung zu veröffentlichen. Ihre rumänische Version erschien 2008 in der Bukarester Kulturzeitschrift Observator cultural (Nr. 436, 14. August 2008).[3]
Auf Grund seiner Spitzeltätigkeit unter dem kommunistischen Regime musste er seinen Posten als Botschafter Rumäniens in Wien, den er seit 2005 innehatte, aufgeben. Zu seiner Nachfolgerin als Botschafterin in Wien wurde Silvia Davidoiu ernannt. 2008/09 hielt er dann eine dreisemestrige Gastprofessur an der Universität Wien. Als er im selben Jahr zur Sommerakademie des Rumänischen Kulturinstituts in Berlin eingeladen wurde, protestierten die Schriftsteller Herta Müller und Richard Wagner, weil er für den rumänischen Sicherheitsdienst Securitate gearbeitet hatte.[4] Seit 2000 ist er Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt.
Corbea-Hoișie ist mit Magda Jeanrenaud verheiratet.
Preise
- Johann-Gottfried-von-Herder-Preis (Wien 1998)
- Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Preis (DAAD) (Bonn 2000)
Veröffentlichungen (Auswahl)
- mit Octavian Nicolae: J. W. Goethe, 1832–1982 : contribuții ale germanisticii ieșene. Iași 1982.
- Interferenţe culturale româno-germane. Iași 1986.
- mit Michael Astner (Hrsg.): Kulturlandschaft Bukowina. Studien zur deutschsprachigen Literatur des Buchenlandes nach 1918. Iaşi 1990.
- Czernowitz. Frankfurt am Main 1998.
- Hrsg.: Paul Celan: Biographie und Interpretation - Biographie et interprétation. Konstanz 2000.
- „Ein Kopf ist mehr als vierhundert Kehlköpfe“ – Marcu, Valeriu. Konstanz 2002.
- Czernowitzer Geschichten. Über eine städtische Kultur in Mittelosteuropa. Böhlau, Wien 2003. ISBN 978-3205770343.
- Historisches Erbe – Kapital für die Zukunft? Deutsche Spuren in Rumänien. Potsdam 2003, ISBN 978-3936168105.
- Umbruch im östlichen Europa. Innsbruck 2004.
- Leben für andere. Konstanz 2004.
- La Bucovine. Éléments d’histoire politique et culturelle. Institut d’Études Slaves, Paris 2004.
- Czernowitz bei Sadagora. Iași 2006.
- Politik, Presse und Literatur in Czernowitz 1890–1940. Kulturgeschichtliche und imagologische Studien. Stauffenburg, Tübingen 2013. ISBN 978-3860574980.
- Deutschsprachige Öffentlichkeit und Presse in Mittelost- und Südosteuropa (1848–1948). Iași 2008.
- mit Harald Haslmayr (Hrsg.): Pluralität als kulturelle Lebensform. Österreich und die Nationalkulturen Südosteuropas, Lit, Berlin / Münster / Wien / Zürich / London 2013, ISBN 978-3-643-50546-0.
- mit Christina Spinei: Gregor von Rezzori : auf der Suche nach einer größeren Heimat : Studien und Materialien. Jassyer Beiträge zur Germanistik 17 (2013).
Weblinks
- Literatur von und über Andrei Corbea-Hoișie im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Lebenslauf und Schriftenverzeichnis (rumän.)
- Chaires Internationales (Memento vom 5. Juli 2008 im Internet Archive)
Einzelnachweise
- ↑ Dissertation: Franz Kafka
- ↑ Artikel über A. Corbea-Hoișie (Der Tagesspiegel, 17. Juli 2008)
- ↑ Entgegnung (rumänisch)
- ↑ Herta Müllers Protest
Personendaten | |
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NAME | Corbea-Hoișie, Andrei |
KURZBESCHREIBUNG | rumänischer Germanist, Romanist, Hochschullehrer und Diplomat |
GEBURTSDATUM | 15. Dezember 1951 |
GEBURTSORT | Iași |
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