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vom 28.12.2019, aktuelle Version,

Karl Landsteiner

Karl Landsteiner

Karl Landsteiner (* 14. Juni 1868 in Baden bei Wien; † 26. Juni 1943 in New York) war ein österreichisch-US-amerikanischer Pathologe, Hämatologe und Serologe, der 1900 das AB0-System der Blutgruppen entdeckte, wofür er 1930 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhielt. 1921 führten ihn weitere Arbeiten zur Prägung des Begriffs Hapten; 1940 beschrieb er mit Alexander Solomon Wiener und Philip Levine den Rhesusfaktor.

Anfang der Karriere

Landsteiners Vater Leopold (* 1817 in Wien; † 22. Februar 1875 ebenda), ein bekannter Journalist und erster Chefredakteur der Zeitung Die Presse, starb mit 58 Jahren, als Karl sechs Jahre alt war. Dadurch hatte er eine sehr enge Beziehung zu seiner Mutter Fanny, geb. Heß. Ihre Totenmaske hing bis zu seinem Tod in seinem Schlafzimmer. Landsteiner studierte nach seiner am heutigen Gymnasium Wasagasse in Wien mit Vorzug bestandenen Matura[1] ab 1885 an der Universität Wien Medizin und promovierte dort 1891. Während seines Studiums veröffentlichte er eine Arbeit über den Einfluss von Diäten auf die Zusammensetzung des Blutes.

Nach seinem Studium verbrachte Landsteiner fünf Jahre im Ausland in Laboratorien in Zürich bei Arthur Hantzsch, in Würzburg bei dem berühmten deutschen Chemiker Emil Fischer und in München bei Eugen Bamberger. 1896 kehrte er nach Wien zurück und wurde zunächst Operationszögling an der 1. Chirurgischen Klinik bei Theodor Billroth.[2] Nach Abschluss dieser praktischen Ausbildung verschrieb er sich erneut der Theorie und wurde Assistent am von Max von Gruber geleiteten Hygienischen Institut. Dort führte er Studien über den Mechanismus der Immunität und das Wesen von Antikörpern durch. Zwischen 1898 und 1908 war Landsteiner Assistent an der Pathologischen Anatomie der Universität Wien, danach bis 1919 Prosektor am Wilhelminenspital in Wien. 1903 habilitierte er sich bei Anton Weichselbaum im Fach Pathologie und 1911 erfolgte die Ernennung Landsteiners zum außerordentlichen Professor für Pathologie. Während dieser Zeit veröffentlichte er viele medizinische Arbeiten, unter anderem über die Übertragung der Kinderlähmung. Landsteiners Leistung – zusammen mit Erwin Popper – war der endgültige Nachweis, dass Kinderlähmung eine infektiöse Krankheit ist, bewiesen durch Injektion von Rückenmarkflüssigkeit eines an der Krankheit verstorbenen Kindes auf Affen und die darauf folgende Übertragung von einem Tier zum nächsten.[3]

1932 wurde Landsteiner in die National Academy of Sciences gewählt. Für seine bahnbrechenden Erkenntnisse, die als Grundlage für die Poliobekämpfung gelten, wurde er posthum in die Polio Hall of Fame in Warm Springs (Georgia) aufgenommen, die im Januar 1958 eingeweiht wurde.

Entdeckung der Blutgruppen

Karl Landsteiner auf der Rückseite der 1000- Schilling-Banknote (1997)

Landsteiner bemerkte 1900, dass Blut zweier Menschen beim Vermischen oft verklumpte. Die Beobachtung war ihm in ihrer Tragweite beim Verfassen des Manuskriptes noch nicht offenbar, denn er schildert den Vorgang der Hämagglutination lediglich in einer Fußnote:

„Das Serum gesunder Menschen wirkt nicht nur auf tierische Blutkörperchen agglutinierend, sondern öfters auch auf menschliche, von anderen Individuen stammende. Es bleibt zu entscheiden, ob diese Erscheinung durch ursprünglicher individuelle Verschiedenheiten oder durch erfolgte Einwirkung von Schädigungen etwa bakterieller Natur bedingt ist. Thatsächlich fand ich das erwähnte Verhalten bei Blut, das von Schwerkranken herrührte, besonders ausgeprägt.“

Karl Landsteiner [4]

Und er berichtete, dass dieser Effekt auch durch Kontakt von Blut mit Blutserum eintrat.

In seiner Arbeit „Ueber Agglutinationserscheinungen normalen menschlichen Blutes“, forderte er erstmals, wiederum in einer Fußnote, es müsse drei Blutgruppen geben.[5] Es gelang ihm, die Blutgruppenmerkmale A, B und 0 (letzteres als C bezeichnet) zu identifizieren. Das (erst 1910 von Emil von Dungern und Ludwik Hirszfeld so bezeichnete) Blutgruppenmerkmal AB wurde 1902 von zwei Kollegen Landsteiners, dem Wiener Internisten Alfred von Decastello-Rechtwehr (1872–1960) und dessen Mitarbeiter Adriano Sturli (1873–1964), entdeckt. Die 1910 von Dungern und Hirszfeld vorgeschlagene AB0-Nomenklatur wurde international erst 1928 übernommen.

Landsteiner war es auch, der erkannte, dass die Bluttransfusion zwischen Personen der gleichen Gruppe nicht zur Zerstörung der Blutzellen führte, wohl aber zwischen Personen verschiedener Blutgruppen, so dass im Jahre 1907 die erste erfolgreiche, auf seinen Arbeiten basierende Bluttransfusion am Mount Sinai Hospital in New York von Reuben Ottenberg durchgeführt wurde.

Heute weiß man, dass Menschen mit der Blutgruppe AB Erythrozyten aller anderen Blutgruppen akzeptieren (Universalempfänger), Erythrozyten der Blutgruppe 0 können von allen Gruppen empfangen werden (Universalspender). Dies liegt daran, dass Menschen mit der Blutgruppe AB keine Antikörper gegen die Blutgruppe A oder B bilden. Die Blutgruppe 0 dagegen besitzt weder das Merkmal A noch das Merkmal B, so dass nach der Übertragung beim Empfänger auch keine Antikörper dagegen gebildet werden können.

Heutzutage werden bei Bluttransfusionen nur Erythrozytenkonzentrate ohne Blutserum mit Antikörpern übertragen. Diese Erkenntnis ist besonders bei Bluttransfusionen und Operationen sehr wichtig. Für die Entdeckung der Blutgruppen erhielt Landsteiner 1930 den Nobelpreis für Medizin.

1937 entdeckte Landsteiner zusammen mit Alexander Solomon Wiener den Rhesusfaktor.

Weitere Forschungstätigkeit

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs war die wirtschaftliche Not in Österreich groß und die Perspektiven für eine geordnete akademische Karriere in Wien schienen äußerst ungewiss. Landsteiner nahm daher Stellenangebote aus dem Ausland an. 1919 ging er nach Den Haag, wo er die Prosektur eines kleinen Katholischen Krankenhauses leitete. Er blieb weiter wissenschaftlich aktiv und behandelte in insgesamt zwölf Veröffentlichungen verschiedene serologische Probleme. So berichtete er 1921 über niedermolekulare „spezifische Substanzen“, die die Bindung an ein Protein benötigen um ein sog. Vollantigen zu werden, und für die er die Bezeichnung Haptene vorschlug. 1922 nahm Landsteiner eine Stelle am Rockefeller-Institut in New York an, wo er 1940 zusammen mit seinen Schülern Philip Levine und Alexander Solomon Wiener den Rhesusfaktor beschrieb, den er im Blut von Rhesusaffen entdeckt hatte. Neben der Arbeit an den Blutgruppen beschäftigte er sich mit Fragen zur Entstehung der Paroxysmalen Kältehämoglobinurie, in deren Folge die Donath-Landsteiner-Reaktion als Test zur Diagnosesicherung entwickelt werden konnte. In den Jahren 1927/1928 fungierte er als Präsident der American Association of Immunologists. 1935 wurde er zum Mitglied der American Philosophical Society gewählt.[6]

Auf dem Gebiet der Bakteriologie gelang es Landsteiner zusammen mit Clara Nigg in den Jahren 1930–1932 Rickettsia prowazekii, den Fleckfiebererreger, in lebenden Gewebekulturen zu züchten.

Bluttransfusion in einem Lazarett im Zweiten Weltkrieg

In seinen letzten Jahren arbeitete er an onkologischen Fragestellungen, da seine Frau an einem bösartigen Tumor der Schilddrüse erkrankt war.

Karl Landsteiner war ein Mensch voller Energie und Forscherdrang. Typisch dafür ist auch sein Ende: Mit 75 Jahren, am 24. Juni 1943, erlitt er während der Arbeit in seinem Labor am Rockefeller-Institut einen Herzinfarkt, dem er zwei Tage später erlag.

Im Laufe seines Lebens erhielt er viele hohe Auszeichnungen, darunter Ehrendoktorate von Universitäten – allerdings keines von seiner Heimatuniversität Wien. Lediglich im Arkadenhof der Wiener Universität wurde ihm eine Gedenkplakette gewidmet. Seit 1929 besaßen er und seine Familie die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. 1946 wurde er postum mit dem Albert Lasker Award for Clinical Medical Research ausgezeichnet.

Privatleben

1916 heiratete Landsteiner nach langjähriger Verlobungszeit (Landsteiner konnte sich aufgrund seiner freiwilligen Arbeitslast nicht zur Heirat entschließen) Leopoldine Helene, geborene Wlasto. Sie war die Tochter des Mesners der griechisch-orientalischen Kirchengemeinde zu St. Georg. Aufgrund ihrer Liebe zu ihm verließ sie ihre angestammte Konfession, um ihrem – 1890 vom Judentum zum katholischen Bekenntnis konvertierten[7] – Gatten auch religiös näher zu sein. 1917 wurde sein Sohn Ernst Karl geboren. Landsteiner war ein guter und äußerst besorgter Vater, dem es im letzten Kriegsjahr gelang, eine Ziege aufzutreiben, so dass trotz allen Mangels wenigstens frische Milch im Haus zur Verfügung stand. Eigenhändig sammelte er Kräuter, damit daraus Ersatzspinat gekocht werden konnte. In der Gemeinde Purkersdorf hatte er ein Haus gekauft, damit sein Nachwuchs nicht in der Stadt, im 9. Wiener Gemeindebezirk, aufwachsen musste. Privat las er gerne, heimlich auch Kriminalromane – heimlich deswegen, weil er diese Lektüre eigentlich als unter seiner Würde empfand.

Er war von kräftiger Statur und hatte einen herabhängenden Schnurrbart.

Obwohl er seit 1929 die amerikanische Staatsbürgerschaft hatte, fühlte er sich zeit seines Lebens als Europäer, sprach Deutsch allerdings nur dann, wenn er ungehalten wurde, wie seine Schüler an der Universität feststellten.

Seine Frau, die im selben Jahr wie er und am Weihnachtstag starb, und er wurden Seite an Seite in Nantucket, Massachusetts, beigesetzt.[1]

Landsteiner war ein ausgezeichneter Pianist. Er hatte einen großen Bechsteinflügel in seinem Salon.

Würdigung

Karl Landsteiner auf der 1000-Schilling-Banknote (1997)

Werke (Auswahl)

  • Ueber Agglutinationserscheinungen normalen menschlichen Blutes. In: Wiener klinische Wochenschrift. Band 14, 1901, S. 1132–1134.
  • Die Spezifizität der serologischen Reaktionen. 1933.

Literatur

  • Paul Speiser. Karl Landsteiner, Entdecker der Blutgruppen und Pionier der Immunologie. Biographie eines Nobelpreisträgers aus der Wiener Medizinischen Schule. 3. unveränd. Auflage. Blackwell Ueberreuter-Wiss., Berlin 1990 ISBN 3-89412-084-3.
  • Landsteiner, Karl. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 4, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1969, S. 433 f. (Direktlinks auf S. 433, S. 434).
  • Ralf-Dieter Hofheinz: Von der Wiener Pathologie ins Forschungslabor nach New York: Karl Landsteiner und die Entdeckung der Blutgruppen im Jahr 1900. In: Ärzte–Zeitung, die aktuelle Zeitung von Springer Medizin, Berlin und Neu-Isenburg Nr. 176, 4. Oktober 2000, S. 32.
  • Susanne Blumesberger, Michael Doppelhofer, Gabriele Mauthe: Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft 18. bis 20. Jahrhundert. Band 2: J–R. Hrsg. von der Österreichischen Nationalbibliothek. Saur, München 2002, ISBN 3-598-11545-8, S. 781.
  • Hans Schadewaldt: Landsteiner, Karl. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 13, Duncker & Humblot, Berlin 1982, ISBN 3-428-00194-X, S. 521–523 (Digitalisat).
  • Karl Holubar: Landsteiner, Karl. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 822.
  • Axel W. Bauer: Karl Landsteiner: Entdecker der Blutgruppen in Wien – Nobelpreisträger in New York. In: Transfusionsmedizin 8 (2018), S. 164–169.
  • Masaya Itou, Mitsuharu Sato, Takashi Kitano: Analysis of a larger SNP dataset from the HapMap project confirmed that the modern human A allele of the AB0 blood group genes is a descendant of a recombinant between B and 0 alleles. In: Internat J Evol Biol 2013. Freier Artikel.
  • Paul Speiser: Landsteiner, Karl. In: Charles Coulston Gillispie (Hrsg.): Dictionary of Scientific Biography. Band 7: Iamblichus – Karl Landsteiner. Charles Scribner’s Sons, New York 1973, S. 622–625.
  Commons: Karl Landsteiner  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 Große Österreicher, Ueberreuter, Hrsg. Thomas Chorherr, Autor Dr. Pia Maria Plechl
  2. Achim Thom: Karl Landsteiner, In: Wolfgang U. Eckart, Christoph Gradmann (Hrsg.): Ärztelexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert. C. H. Beck, München 1995, S. 226 f., ISBN 3-406-37485-9, 3. Aufl., Springer/Heidelberg/Berlin et al. 2006, S. 203, Print und Online-Version (ISBN 978-3-540-29584-6 bzw. ISBN 978-3-540-29585-3).
  3. Titel der Publikation: K. Landsteiner, E. Popper: Übertragung der Poliomyelitis acuta auf Affen. In: Zeitschrift für Immunitätsforschung und experimentelle Therapie, Band 2 (1909), S. 377–390
  4. Karl Landsteiner: Zur Kenntnis der antifermentativen, lytischen und agglutinierenden Wirkungen des Blutserums und der Lymphe. Darin der Abschnitt IV. Zur Kenntnis des chemischen Verhaltens der Lysine, Agglutinine (1), Antifermente. Seite 361 in: Centralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten 27/10+11/1900: 357–362. Digitalisat
  5. Karl Landsteiner: Ueber Agglutinationserscheinungen normalen menschlichen Blutes. In: Wiener klinische Wochenschrift 14/46/1901: 1132–1134. doi:10.1016/B978–012448510–5.50165–5.
  6. Member History: Karl Landsteiner. American Philosophical Society, abgerufen am 20. November 2018.
  7. Anna L. Staudacher: „… meldet den Austritt aus dem mosaischen Glauben“. 18000 Austritte aus dem Judentum in Wien, 1868–1914: Namen – Quellen – Daten. Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 2009, ISBN 978-3-631-55832-4, S. 349.
  8. Ratsversammlung vom 18. Mai 2011 (Beschluss-Nr. RBV-822/11), amtliche Bekanntmachung: Leipziger Amtsblatt Nr. 11 vom 4. Juni 2011, bestandskräftig seit dem 5. Juli 2011 bzw. 5. August 2011. Vgl. Leipziger Amtsblatt Nr. 16 vom 10. September 2011

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