Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast
vom 10.04.2022, aktuelle Version,

Peter Zadek

Peter Zadek (* 19. Mai 1926 in Berlin; † 30. Juli 2009 in Hamburg) war ein deutscher Regisseur und Theaterintendant am Schauspielhaus Bochum (1972 bis 1979)[1] sowie dem Deutschen Schauspielhaus in Hamburg (1985 bis 1989). Darüber hinaus führte er Regie an allen maßgeblichen deutschsprachigen Bühnen. Theatergeschichte geschrieben haben insbesondere seine unkonventionellen Inszenierungen von Shakespeare, der neben Tschechow und Ibsen von ihm zum „Theatergott“ erhoben wurde.[2]

Leben

Herkunft und Ausbildung

Berliner Gedenktafel am Haus Offenbacher Straße 24 in Berlin-Wilmersdorf

Peter Zadek wurde in Berlin in eine bürgerliche, reformiert jüdische Familie geboren. Sein Vater war Kaufmann und seine Mutter stammte aus einer „reichen, gutbürgerlichen Bankiersfamilie“.[3] Da seine Mutter gerne in Berlin geblieben wäre, lockte sie ihr Mann 1933 mit dem Vorwand nach London, dort gemeinsam ihre Ferien zu verbringen.[3] Nach Beginn des Bombenkrieges gingen sie ins ruhigere Oxford.

Während der Ausbildung zum Lehrer kam er in Kontakt mit einem Amateurtheater, was in ihm den Wunsch weckte, Regisseur zu werden. Er begann eine Regieausbildung in London, und mit 21 Jahren hatte seine erste Inszenierung von Oscar Wildes Salome in London Premiere.

Privatleben

In den 1960er Jahren war Peter Zadek mit der Schauspielerin Judy Winter liiert. Von 1980 an war die Schriftstellerin und Übersetzerin Elisabeth Plessen seine Lebensgefährtin. Sie verfasste für ihn unter anderem Neu-Übersetzungen seiner Shakespeare-Inszenierungen, die dadurch eine neue Frische erhielten, und trug damit wesentlich zum Erfolg der Inszenierungen bei.

Peter Zadek, der Vater zweier Kinder, hat sich an deren Erziehung jedoch nicht beteiligt, da er sich nicht imstande sah, dies mit seinem Theaterberuf in Einklang zu bringen. Zadek sah seine Schauspieler, einen kleinen festen Stamm von rund 15 bis 20 Akteuren, darunter Eva Mattes, Angela Winkler, Jutta Hoffmann und Susanne Lothar sowie Ulrich Wildgruber, Gert Voss, Ulrich Tukur, Uwe Bohm, Paulus Manker, Hermann Lause und Knut Koch, als seine eigentliche Familie an, die er nach eigenen Angaben besser kannte als seine Angehörigen. Er entdeckte u. a. Rosel Zech, die später zu den bedeutenden Schauspielerinnen des deutschsprachigen Films gehörte. Auch Herbert Grönemeyer benannte Zadek als denjenigen, der sein Talent entdeckt habe.[4]

Von sich selbst sagte er einmal: Wenn man ihn frage, wer er sei, könne er nur sagen, er sei Jude, denn etwas anderes falle ihm nicht mehr ein; vielleicht noch Peter Zadek.[5]

Nach seinem Tod wurde sein Leichnam eingeäschert und die Urne in Vecoli, einem Weiler im Hinterland von Lucca, bestattet. Zadeks Grabstätte liegt nahe dem alten Palazzo, in dem er während seiner langen Italienaufenthalte lebte. Auf dem Grabstein stehen die Worte "Ich träume von einem Theater, das Mut macht" in italienischer Sprache.[6]

Wirken

Nach dem Studium begann Zadek an zahlreichen Theatern in der britischen Provinz zu inszenieren. Im walisischen Swansea und Pontypridd hatte er Engagements als Regisseur mit der Verpflichtung, wöchentlich eine neue Inszenierung herauszubringen. 1958 erhielt er eine Einladung des Theaters am Dom in Köln und reiste zum ersten Mal nach seiner Emigration wieder nach Deutschland. Dort lernte er den deutschen Regisseur und Theaterleiter Kurt Hübner kennen, der ihn ans Theater Ulm holte und später mit ihm am Theater Bremen in den 1960er-Jahren für Furore sorgte mit dem so genannten „Bremer Stil“, der vor allem durch die wilden Inszenierungen Zadeks und die Bühnenbilder des Malers Wilfried Minks geprägt wurde. Mit Minks arbeitete Zadek seit seiner Zeit in Ulm zusammen.

In Ulm sorgte seine erste Inszenierung von Shakespeares Der Kaufmann von Venedig für Aufsehen, da aufgrund der negativen Darstellung des Juden Shylock dem Juden Zadek Antisemitismus vorgeworfen wurde. Zadek entgegnete den Vorwürfen: „Solange die Deutschen nicht die schlechten Seiten von Juden aussprechen, haben sie nicht begonnen, sich mit ihrem Antisemitismus auseinanderzusetzen.“

Die herausragenden Arbeiten unter Kurt Hübner in Bremen waren seine Inszenierungen Frühlings Erwachen von Frank Wedekind und Die Räuber von Friedrich Schiller, die den Geist und die revolutionäre Atmosphäre von 1968 bereits vorwegnahmen. Neben Peter Zadek arbeitete auch der junge Peter Stein als Regisseur in Bremen und so wurde dieses Theater zu einem der wichtigsten Theater seiner Zeit in Deutschland.

Schauspielhaus Bochum

Die Erfolge in Bremen führten zu seiner ersten Intendanz am Schauspielhaus Bochum von 1972 bis 1979. Hier begann seine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Protagonisten seiner spektakulärsten Inszenierungen: Ulrich Wildgruber. Wildgruber war bis zu seinem Tode in allen großen Shakespeare-Rollen unter Zadeks Regie zu sehen. Es zeigte sich aber auch, dass Zadek mit der Führung eines Theaters und den damit verbundenen bürokratischen Tätigkeiten überfordert war, und er ließ sich erst nach langjähriger Tätigkeit als freier Regisseur wieder auf das Abenteuer einer Intendanz (ab 18. Dezember 1984) am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg ein, an dem er bereits einige Jahre zuvor u. a. Shakespeares Othello in einer umstrittenen Aufführung inszeniert hatte, ein Stück, das Zadek als Absage an das Kulturtheater empfand.

1972 startete die fast zwanzigjährige Zusammenarbeit mit seinem Freund, dem Künstler, Regisseur und Autor Götz Loepelmann, der in diesem Jahr zunächst für die Werbung zum Stück Der Kaufmann von Venedig verantwortlich war. 1973 realisierte Loepelmann bereits das Bühnenbild sowie die Ausstattung zu Die Möwe, 1974 ebenfalls Bühnenbild und Ausstattung zu Tankred Dorsts Eiszeit. 1977 verantwortete Götz Loepelmann die Ausstattung zu Henrik Ibsens Hedda Gabler. 1983 Bühnenbild und Ausstattung zu Baumeister Solness, ebenfalls von Ibsen. 1991 schließlich die Bühne für Wenn wir Toten erwachen (Ibsen).[7]

1979 begann seine langjährige Zusammenarbeit mit dem Künstler Johannes Grützke, der für seine Berliner Inszenierung im Schillertheater der Revue Jeder stirbt für sich allein nach Hans Fallada die Bühnenbild- und Prospektentwürfe fertigte. 1983 entwarf Grützke das Bühnenbild und die Kostüme für Zadeks Inszenierung der Oper Die Hochzeit des Figaro von Wolfgang Amadeus Mozart im Württembergischen Staatstheater in Stuttgart. 1985 wurde Grützke schließlich künstlerischer Berater von Peter Zadek am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, eine Tätigkeit, die er bis 1988 ausübte.

1987 sorgte Zadek mit der Inszenierung des Musicals Andi für einen handfesten Skandal: Er engagierte als Musiker die Einstürzenden Neubauten aus Berlin, die kompromisslos sämtliche Aktion auf der Bühne übertönten, so dass sich das Theater dazu entschloss, Ohrenschützer zu verteilen und jede Haftung für gesundheitliche Schäden von vorneherein zurückzuweisen.[8]

Mit der Premiere der erstmals in der Urfassung aufgeführten Lulu von Wedekind erreichte er 1988 dort seinen größten Erfolg und erhielt den Fritz-Kortner-Preis (zudem Wahl zur Aufführung des Jahres, sowie Susanne Lothar Schauspielerin und Ulrich Wildgruber Schauspieler des Jahres). Im Jahr darauf schied er im Unfrieden vom Haus.

In Bochum brachte er 1973 seine zweite Interpretation vom Kaufmann von Venedig, dem 1988 noch eine dritte am Wiener Burgtheater – Zadeks Debüt an diesem Theater – folgte, heraus und kreierte eine in Deutschland neue Form der Theaterrevue. Seit 1990 war Peter Zadek an allen großen deutschsprachigen Bühnen als freier Regisseur tätig. Seine Inszenierungen stießen immer wieder auf fast kultartige Zustimmung sowie auf inbrünstige Ablehnung. Zadek verstieß in seinen Inszenierungen immer wieder gegen gesellschaftliche Konventionen und Theaterkonventionen. Er arbeitete häufig experimentell und war somit immer überraschend. Ein Schwerpunkt war jedoch die Psychologie der Figuren, für die er den Schauspielern viel abverlangte. Zuletzt zu begutachten war er am Berliner Ensemble mit seiner Sichtweise des Peer Gynt von Henrik Ibsen (2004). 2005 gründete er mit Tom Stromberg die Theaterproduktionsfirma my way Production. Erste Produktion sollte William Shakespeares Was ihr wollt sein.

Außerhalb seiner Theaterarbeit wagte er sich zweimal an Kinofilme heran: 1969 Ich bin ein Elefant, Madame und 1983 Die wilden Fünfziger nach dem Roman Hurra, wir leben noch von Johannes Mario Simmel.

Im Oktober 2012 wurde das rund 35 Regalmeter Aufzeichnungen umfassende Peter-Zadek-Archiv in der Akademie der Künste in Berlin für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.[9]

Ehrungen

Zadek erhielt zahlreiche Preise und Ehrungen, dazu gehören:

Zadek wurde mehrfach von Theater heute zum Regisseur des Jahres gewählt und ist mit 21 Einladungen zum Berliner Theatertreffen der Regisseur mit den meisten Einladungen.

Gemeinsam mit dem kanadischen Regisseur Robert Lepage sollte Zadek 2007 den Europäischen Theaterpreis erhalten. Zadek sagte jedoch seine Teilnahme an der Preisverleihung aufgrund von Probenarbeiten und Erkrankung kurzfristig ab. Die Jury entschied daraufhin, Preis und Preisgeld in Höhe von 60.000 Euro in Gänze Robert Lepage zu überreichen. Das Preisgeld sollte der my way-Produktion von Was ihr wollt zugutekommen. Als Zadek kurz nach der Bekanntgabe des Preisgeldentzuges in ein Berliner Krankenhaus eingeliefert wurde, meldete das Unternehmen Insolvenz an. Das Stück sollte ursprünglich bei den Wiener Festwochen Premiere haben und später auf der RuhrTriennale in Bochum gezeigt werden.

Nach seinem Tod würdigte ihn der Schauspieler Gert Voss:

„Er hat einen Schauspieler davon befreit, sich zu verstellen, und ihn dazu gebracht, sich zu enthüllen.[10]

In einem Kondolenzschreiben an seine langjährige Lebensgefährtin Elisabeth Plessen würdigte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Verstorbenen wie folgt: „Mit unermüdlicher kreativer Energie hat Peter Zadek über Jahrzehnte hinweg insbesondere das Theater im deutschen Sprachraum durch seine Inszenierungen bereichert und geprägt. Immer gelang es ihm, sein Publikum tief zu berühren.“[11]

In Bremen wurde 2010 ein Platz nach Peter Zadek benannt.[12] In Berlin-Wilmersdorf erinnert eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus in der Offenbacher Straße an ihn.[13]

Werk

Inszenierungen

Filmografie (Auswahl)

Schriften

Rezeption

Literatur

Dokumentationen

  • Peter Zadek – Mein Leben. Doku-Portrait, Deutschland, 2007, 45 Min., Buch und Regie: Jean Boué, Produktion: Macroscope Film, ZDF, arte, Inhaltsangabe von arte
  • Peter Zadek inszeniert Peer Gynt. Deutschland, 2006, 90 Min., Buch und Regie: Alexander Nanau
  • Ich bin ein Emigrant, Madame. Dokumentation, Deutschland, 2001, Buch und Regie: Klaus Dermutz und Benedikt Gondolf, Produktion: ZDFtheaterkanal, Erstsendung: 19. Mai 2001, Besprechung
  • Zeugen des Jahrhunderts. Peter Zadek. Deutschland, Gespräch, 1998, 70 Min., mit Benedikt Gondolf, Produktion: ZDF
Commons: Peter Zadek  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiquote: Peter Zadek  – Zitate

Einzelnachweise

  1. Schauspielhaus Bochum: Geschichte (Memento vom 13. Februar 2017 im Internet Archive). Zuletzt abgerufen am 12. Februar 2017
  2. Ingolf Bossenz: Des Ortes Seele. In: Neues Deutschland, 7. Juli 2012 (Interview mit Christian Stückl).
  3. 1 2 Klaus Dermutz: Ich bin ein Streuner, nirgends zu Hause. In: Die Zeit, Nr. 2/1995 (Interview).
  4. https://www.youtube.com/watch?v=co8-4LUQKk4
  5. Vgl. WDR 3 vom 30. Juli 2009
  6. https://www.nzz.ch/feuilleton/peter-zadek-eine-erinnerung-theater-das-mut-macht-ld.83385
  7. Elisabeth Plessen: Peter Zadek und seine Bühnenbildner. In: FAZ. 18. Januar 2013, abgerufen am 12. Januar 2017.
  8. Willy Theobald: Wer backt, wird mehlig!. In: Der Spiegel, 2. März 1987.
  9. Stephan Dörschel: Mit der Buch-Präsentation "Peter Zadek und seine Bühnenbildner" wird das umfangreiche Archiv vorgestellt. In: Akademie der Künste, 24. September 2012, abgerufen am 3. Oktober 2012.
  10. Stimmen zum Tod von Peter Zadek. In: Der Tagesspiegel, 30. Juli 2009.
  11. Ulrich Seidler: Der König von Lusitanien. In: Berliner Zeitung, 31. Juli 2009.
  12. Bremen hat jetzt einen „Peter-Zadek-Platz“. In: Freie Hansestadt Bremen, Pressestelle des Senats. 22. Juni 2010, abgerufen am 22. Juni 2010.
  13. Gedenktafel für Peter Zadek enthüllt
  14. SWR2 Zeitgenossen: Der Künstler Gottfried Helnwein. Radio-Interview mit Künstler Gottfried Helnwein in der Sendung "Zeitgenossen" auf SWR2, 14. August 2021, 46 Min. Moderation: Natali Kurth. Eine Produktion von SWR2