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Jandl, Ernst#

* 1. 8. 1925, Wien

† 9. 6. 2000, Wien


Lyriker, Hörspiel- und Dramenautor

Ernst Jandl
Ernst Jandl, 1965
© IMAGNO / Otto Breicha

Ernst Jandl wurde am 1. August 1925 als Sohn eines Bankangestellten in Wien geboren, wo er auch aufwuchs und die Schule besuchte.
Seine Mutter - die selbst Gedichte und Prosatexte verfasste, starb 1940, als er vierzehn Jahre alt war; ihr jahrelanges Leiden prägte Ernst Jandls Leben und sein Lebenswerk.

Nach der Matura 1943 wurde er zum Militärdienst einberufen und geriet in amerikanische Gefangenschaft. (Hier lernte er die neuere amerikanische Literatur kennen, die nachhaltigen Einfluß auf seinen künstlerischen Werdegang haben sollte.) Nach zehn Monaten in einem englischen Gefangenenlager wurde er 1946 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und absolvierte danach an der Universität Wien ein Studium der Germanistik und Anglistik. 1949 legte er die Lehramtsprüfung ab, 1950 promovierte er mit einer Arbeit über die Novellen Arthur Schnitzlers zum Dr. phil.

Nach Abschluss seines Studiums war Ernst Jandl als Gymnasiallehrer - mit zeitweiser Beurlaubung - bis 1979 in Wien tätig. (1952/1953 wirkte er als Deutschlehrer in England; 1970/1971 lebte er als Stipendiat des DAAD in Berlin-West; im Herbst 1971 arbeitete er als Visiting German Writer an die Universität Austin/Texas und machte - gemeinsam mit Friederike Mayröcker - eine Vortragsreise durch die USA.)

Bald nach 1950, als er schon unterrichtete, begann er (zunächst noch "konventionelle") Lyrik zu verfassen, die zum Teil in der Wiener Literaturzeitschrift "Neue Wege" veröffentlicht wurde. 1954 kam es bei den Innsbrucker Kulturwochen zur Begegnung mit Gerhard Rühm und vor allem mit Friederike Mayröcker, die seine literarische und private Lebensgefährtin wurde.

Beeinflusst von Expressionismus und Dadaismus sowie von der Wiener Gruppe um Gerhard Rühm und H. C. Artmann und der Konkreten Poesie, entwickelte Ernst Jandl vielfältige experimentelle Formen. 1956 erschien sein erster Gedichtband "Andere Augen"; es fiel ihm aber in der 1950er und 1960er Jahren schwer, einen Verlag für seine Lyrik-Experimente zu finden.

Lesungen des Autors und Aufnahmen auf Tonträgern waren zunächst erfolgreicher als die gedruckte Version seiner Gedichte, da sich diese oft erst im lauten Vortrag voll entfalteten. Jandls Auftritte, häufig gemeinsam mit Musikern, wurden zu Kultveranstaltungen. In seinem bahnbrechenden Gedichtband "Laut und Luise", der erst 1966 erscheinen konnte, standen die lautlichen und optischen Aspekte der Sprache im Mittelpunkt der Dichtung. (Aus diesem Band erreichten die Gedichte "schtzngrmm" und "lichtung" besonders große Bekanntheit.)

Seine Sprachvielfalt entstand aus der poetischen Verwendung bzw. Verwandlung von Alltagssprache - so entstanden Sprech- und Lautgedichte, visuelle Gedichte, "Oberflächenübersetzungen", Texte in "heruntergekommener" oder "verhunzter" Sprache. Neben Lyrik verfasste er Prosastücke, visuelle Texte, aber auch Dramen oder Hörspiele und übersetzte Autoren aus dem Englischen (u.a. Gertrude Stein).

Ehrengrab Zentralfriedhof, © Walter Pachl 2013
Ehrengrab Zentralfriedhof
© Walter Pachl 2013

Ernst Jandl war Mitglied des Forums Stadtpark, 1973 Mitbegründer der Grazer Autorenversammlung und von 1983 bis 1987 deren Präsident. 1977 hielt Ernst Jandl an der Technischen Universität in Wien sechs Vorträge über neue Dichtung; 1984 übernahm er die Stiftungs-Dozentur für Poetik an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt/Main. (Im Jahr darauf erschien das Vorlesungsmaterial unter dem Titel "Das Öffnen und das Schließen des Mundes".) Ab 1984 trat er wiederholt mit den Musikern des Vienna Art Orchestra auf, ab 1992 mit dem Musiker Erich Meixner.

Ernst Jandl ist einer der bekanntesten deutschsprachigen Lyriker nach 1945; sein Nachlass befindet sich im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek.

Ernst Jandl war geschieden, ab 1954 mit der Schriftstellerin Friedrike Mayröcker liiert und lebte in Wien, wo er am 9. Juni 2000 verstarb.

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Hörspielpreis der Kriegsblinden, 1968
  • Georg Trakl-Preis, 1974
  • Würdigungspreis für Literatur, 1978
  • Anton-Wildgans-Preis der Österreichischen Industrie, 1982
  • Manuskripte-Preis des Landes Steiermark, 1982
  • Großer Österreichischer Staatspreis, 1984
  • Georg-Büchner-Preis, 1984
  • Preis der Deutschen Schallplattenkritik, 1985
  • Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold, 1986
  • Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor, 1987
  • Frankfurter Hörspielpreis, 1989
  • Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, 1990
  • Kleist-Preis 1993
  • Friedrich-Hölderlin-Preis, 1995
  • Großes Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, 1996
  • Zum seinem Gedenken wurde der "Ernst-Jandl-Preis" für Lyrik initiiert: der Preis wird seit im Zwei-Jahres-Rhythmus für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Lyrik an eine deutschsprachige Autorin bzw. an einen deutschsprachigen Autor vergeben.

Werke (Auswahl)#

Lyrik

  • Andere Augen, 1956
  • klare gerührt, 1964
  • lange gedichtet, 1964
  • Laut und Luise, 1966
  • Hosi-Anna!, 1966
  • sprechblasen, 1968
  • Der Gigant (m. F. Mayröcker), 1969
  • Spaltungen (m. F. Mayröcker), 1970
  • Gemeinsame Kindheit (m. F. Mayröcker), 1970
  • flöda und der schwan, 1971
  • wischen möchten, 1974
  • die bearbeitung der mütze, 1978
  • der gelbe hund, 1980
  • augenspiel, 1981
  • falamaleikum. Gedichte und Bilder, 1983
  • selbstporträt des schachspielers als trinkende uhr, 1983
  • im delikatessenladen, 1988
  • idyllen, 1989
  • der beschriftete sessel, 1991
  • Stanzen, 1992
  • peter und die kuh, 1996
  • Antipoden, 1999
  • Letzte Gedichte, 2001

Drama

  • Die Humanisten, 1977 (auch Hörspiel)
  • Aus der Fremde, Uraufführung 1979

Hörspiele

  • Fünf Mann Menschen (zusammen mit Friederike Mayröcker), 1971

Ausgaben

  • Ernst Jandl. Gesammelte Werke. Gedichte, Stücke, Prosa. (Hg. K. Siblewski) 3 Bände, 1985
  • Ernst Jandl. Poetische Werke. (Hg. K. Siblewski) 11 Bände, 1997-99
  • Ernst Jandl. Werke in 6 Bänden. (Hg. K. Siblewski), 2016

Hörprobe#

Hörprobe Österreichische Mediathek


Variationen zum Gruß; Theater; Parasitäres Stück.
Autorenlesung; Ausschnitt. Wien, 27.11.1974

Vorlesen

Weiterführendes#

Literatur#

  • W. Schmidt-Dengler (Hg.), E. Jandl Materialienbuch, 1982
  • K. Siblewski (Hg.), E. Jandl - Daten, Texte, Bilder, 1990
  • V. Kaukoreit (Red.), E. Jandl, 1996
  • K. Siblewski, A komma Punkt - E. Jandl. Ein Leben in Texten und Bildern, 2000
  • M. Vogt (Hg.), Stehn Jandl gross hinten drauf. Interpretationen zu Texten E. Jandls, 2000
  • B. Fetz (Hg.), Ernst Jandl: Musik Rhythmus Radikale Dichtung, 2005
  • B. Fetz, H. Schweiger (Hg.) Ernst Jandl vernetzt. Die Ernst-Jandl-Show, 2010

Quellen#