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WAPPEN IN DER SEPULKRALKULTUR HERZOG RUDOLFS IV. VON ÖSTERREICH #

Michael Mitterauer

Tafelbild
Portrait Rudolfs IV. - Bild: Wikipedia
Zeugnisse der Begräbniskultur Herzog Rudolfs IV. findet man in der von ihm gestifteten Stephanskirche an verschiedenen Stellen. Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses an diesem Ensemble stand stets das berühmte Porträt, das im Mittelalter über dem Kenotaph und dem Abgang zur Herzogsgruft angebracht worden war. Als Tafelbild, das den Fürsten realistisch darstellen sollte, gilt es als eines der ältesten Fürstenbilder der europäischen Geschichte. Die überragende Bedeutung dieses Bildes für die kunsthistorische Forschung steht außer Zweifel. Neben diesem Fürstenporträt im engeren Sinn des Wortes gibt es allerdings im Stephansdom mehrere Darstellungen Rudolfs, die man als „porträthaft“ charakterisieren kann. Das gilt für die Grabplatte auf der Tumba des Kenotaphs von Rudolf und seine Gattin Katharina von Böhmen, ebenso für die Figuren des Herzogspaars an der Außenseite der Kirche, nämlich am südlichen und am nördlichen Eingang, dem sogenannten „Singertor“ und dem „Bischofstor“, die zusammengefasst als „Fürstenportale“ charakterisiert werden, sowie die Skulptur Rudolfs an der Westfassade des Doms. Bei allen diesen Figuren handelt es sich wie bei der Grabplatte um „porträthafte Darstellungen“, die die Kirchenstifter als Personen repräsentieren sollten – allerdings nicht als Tafelbilder, mit dem wir den Begriff „Porträt“ heute assoziieren. Porträthafte Darstellungsformen von Fürsten durch Grabplastiken sind weit älter als „Fürstenporträts“ im engeren Sinn des Wortes. Das gilt etwa für die Grabplatte von Rudolfs IV. Urgroßvater, König Rudolf I., im Kaiserdom von Speyer, die die Gesichtszüge des Herrschers exakt wiederzugeben versucht.

St. Stefan
Seine Gattin Katharina,
Fotos: P. Diem
St. Stefan
Rudolf IV. am Westportal von
St. Stefan

Die porträthaften Darstellungsformen Herzog Rudolfs IV. ergeben - über das Porträt im engeren Wortverständnis hinaus - zusätzliche Formen der Repräsentationen des Fürstenpaares, das als Stifter der Kirche verehrt wurde und an das weiterhin erinnert werden sollte. Rudolf und Katharina werden hier mit ihren Wappen dargestellt. Diese Wappen repräsentieren sie als Angehörige ihrer Herkunftsfamilie - Rudolf als Sohn Herzog Albrechts II. und seiner Gattin, der Erbgräfin Johanna von Pfirt, Katharina als Tochter des Luxemburgers König Karl IV. von Böhmen und seiner ersten Gattin Blanche von Valois, der Schwester des französischen Königs Philipp VI. Die Wappen der beiden Stifterfiguren und ihrer Eltern an den Fürstenportalen und an der Westfassade legitimieren die dargestellten Persönlichkeiten nach ihrer hochadeligen Abstammung vor einer breiten Öffentlichkeit. Die jeweiligen Wappen werden jeweils als so wichtig betrachtet, dass ein eigener Wappenträger beigegeben wird, der die Wappen hält. Aber auch an den fürstlichen Personen selbst finden sich Wappenzeichen – etwa an der Gürtelschnalle Rudolfs oder in der Kleidung Katharinas als Gewandbordüre oder in den Stoff eingewebt. Die Symbolik der Wappen sollte jeweils die ganze Person erfassen. Der Zusammenhang von Porträt als äußerem Erscheinungsbild und Wappen als Symbolzeichen der dargestellten Personen wurde offenbar von den Künstlern, die diese Figuren geschaffen hatten, als sehr eng angesehen. In solchem Kontext soll den Wappen in der Begräbniskultur Herzog Rudolfs IV. hier nachgegangen werden. Es ergeben sich – von dieser materiellen Quelle ausgehend - interessante Hinweise für die Bedeutung der Heraldik in den Formen fürstlicher Repräsentation im Spätmittelalter auf einer allgemeineren Ebene.

Es ist ein altes Problem der Heraldik des Mittelalters, wie Wappen entstanden sind und in welchen Formen sie weitergegeben wurden. Manche Forscher nehmen an, dass der Ursprung adeliger Wappen mit der Formierung von Adelsgeschlechtern zusammenhängt, die ihrerseits mit dem Aufkommen der Zweinamigkeit zu tun haben. Ein solcher Prozess der „Entstehung von Geschlechtern“ wird heute von der familiengeschichtlichen Forschung nicht mehr angenommen. In diesem Kontext wird eine zweite Grundfrage der Heraldik diskutiert – nämlich ob Wappen nur in männlicher Linie weitergegeben wurden oder auch in weiblicher. Damit ist der gesamte Fragenkomplex angesprochen, ob es Frauen in dieser Epoche möglich war, Wappen zu führen und weiterzugeben. Die Wappendarstellungen der Stifterfiguren in St. Stephan, wie sie von Herzog Rudolf IV. für seine Grabeskirche vorgesehen waren, lässt zu diesen Grundsatzfragen mittelalterlicher Heraldik Stellung nehmen. Es besteht hier keine Bindung von Wappen an patrilineare Abstammungsgslinien. Männer- und Frauenwappen stehen gleichberechtigt nebeneinander.

Amtssiegel Friedrichs II. - Quelle: Wikipedia
Amtssiegel Friedrichs II. - Quelle: Wikipedia
Bindenschild
Fresken Gozzoburg - Quelle: Wikipedia
Bindenschild
Die österreichische Bindenschild - Quelle: Wappenrolle Ströhl

Verfolgt man die einzelnen Herkunftslinien der Wappen auf den Fürstenportalen von St. Stephan zurück, so führt eine solche Analyse zu weiteren bisher noch nicht endgültig gelösten Forschungsfragen. Rudolf IV. ist in allen Darstellungen seine Grabanlage zunächst durch das Bindenschildwappen charakterisiert. Dieses ging von den letzten Babenbergern als Herzogen von Österreich und König Ottokar von Böhmen, der deren Erbe beanspruchte direkt an die Söhne König Rudolfs I. als neuen Lehensträgern der babenbergischen Territorien über. Rot-weiß-rot war das Zeichen für Österreich als Reichslehen sowie die Habsburger als neue Herzogsdynastie. Bisher nicht endgültig gelöst ist die Frage, woher die Bindung dieses Wappens an die Babenberger stammt. Mit Sicherheit geht sie vor die Zeit Herzog Friedrichs II. (gest. 1246) zurück, unter dem sie mehrfach belegt ist.

Eine derzeit häufig vertretene Theorie besagt, dass der Bindenschild ursprünglich von der Lehensfahne der Kärntner Herzogsdynastie der Eppensteiner abzuleiten sei. Diese wäre von den Traungauern als Markgrafen der Kärntner Mark abgelöst worden, die wiederum von den Babenbergern beerbt wurden. Eine vermittelnde Rolle hätte in diesem Prozess auch die Kärntner Pfalzgrafenfamilie gespielt, die das Kloster Ossiach gegründet hatte, das bis heute rot-weiß-rot in seinem Wappen führt. Von den Gründern des Klosters Ossiach stammte eine Verbindung des Herzogtums Kärnten mit dem Herrschaftskomplex Cordenons-Pordenone in Friaul. Herr von Portenau findet sich immer wieder im Titel Herzog Rudolfs IV. und in der Folgezeit der österreichischen und spanischen Habsburger. Die Bourbonen übernahmen dieses Titelrelikt. Erst König Juan Carlos hat auf diesen eigenartigen Anspruch verzichtet.

Cordenons - aus „curtis Naonis entstanden – war ein Königshof, der durch Schenkung an das Patriarchat von Aquileja überging. Portenau als zugehöriger Hafenort entstand wohl aus Vogteirechten über diesen alten Besitz des Patriarchats und überflügelte Cordenons an Bedeutung. Die Vogteirechte über diesen Güterkomplex lagen immer wieder bei Kärntner Familien. Für die Habsburger als Herzoge von Kärnten seit 1335 war dieser Anspruch sehr wesentlich. Immer wieder kämpften sie um diese Friulaner Besitzungen, die für sie – die Livenza entlang - den Zugang nach Venedig eröffneten. Titel und Wappen zeigen gerade für Rudolf IV. die Bedeutung dieser Herrschaftsrechte. Ob mit der Herrschaft über Portenau die Weitergabe der Wappenfarben erfolgte, erscheint jedoch keineswegs erwiesen. Viele der vermuteten Erbschaften sind weder genealogisch noch verfassungsrechtlich plausibel. Die in der Literatur immer wieder aufgeworfene Frage nach Wappenvorgängern der Babenberger stellt sich vielleicht so gar nicht. Möglicherweise waren die Farben rot–weiß-rot schon im 12. Jahrhundert oder sogar noch früher mit dem Komplex der babenbergischen Reichslehen verbunden.

Pfirt
Wappen der Grafschaft Pfirt, Quelle: Wikimedia

Als zweites Wappen trägt Herzog Rudolf IV. auf den Darstellungen der Fürstenportale des Stephansdoms neben dem Bindenschild das Fische-Wappen der Grafen von Pfirt. Seine Mutter Johanna erbte diese Grafschaft. Deren Hauptort Pfirt heißt heute Ferrette. Die Grafschaft war im 11. Jahrhundert aus der Herrschaft über die Burg Hohenpfirt entstanden, die noch zur Zeit des Anfalls an die Habsburger als Lehen des Hochstifts Basel galt. Wahrscheinlich war sie aus Vogteirechten über alten Besitz des Bischofs entstanden. Zum Unterschied vom Bindenschild als einem reinen Farbwappen war das Symbol von Pfirt ein Tierwappen. Wie es entstanden ist, wissen wir nicht. Vielleicht waren lokale Gegebenheiten eines fischreichen Gewässers ausschlaggebend. Der Fisch hat aber auch eine uralte christliche Bedeutung, die häufig bei der Entstehung von Wappen eine Rolle spielte. Das Akronym IXTHYS stand seit frühchristlicher Zeit für „Jesous Christos Hyos Theou Soter“. Fische kommen in den Evangelien an verschiedenen Stellen vor. Bei der Ausbildung von mittelalterlichen Wappen könnten mehrere Symbolebenen einander überlagert haben. Für die spätmittelalterlichen Habsburger war das Pfirter Wappen insofern von besonderer Bedeutung, als Johanna von Pfirt nach fünfzehn Jahren kinderloser Ehe wie durch ein Wunder noch fünfmal schwanger wurde und damit den Erhalt der Dynastie ermöglichte. Rudolf hat seine Mutter in seinen Stiftungen immer wieder genannt. Zweifellos hat Johanna von Pfirt ihr Familienwappen matrilinear an die Habsburger weitergegeben. Herzog Rudolfs IV. Frau, die Luxemburgerin Katharina, ist in den Fürstenportalen nie mit dem Reichsadler abgebildet, der ihr als Tochter Kaiser Karls IV. jedenfalls seit 1355 zugestanden wäre.

Älteste Darstellung des Böhmischen Löwen in der Gozzoburg in Krems
Böhmischer Löwe, Gozzoburg - Quelle: Wikipedia

Bei ihrer Geburt 1342 war ihr Vater noch nicht einmal König von Böhmen. Nominell war er das erst nach dem Tod seines Vaters König Johann 1347- de facto wegen dessen Erblindung schon früher. Mit der Markgrafschaft Mähren – einem böhmischen Nebenland – wurde er schon 1334 belehnt. Auch mit dieser Position war die Führung des Löwenwappens bereits kompatibel. Der „böhmische Löwe“ ist als Wappentier seit dem 13. Jahrhundert dokumentiert. Er löste den Flammenadler der frühen Premysliden ab, der später als „Wenzelsadler“ bezeichnet wurde. Der Löwe als Wappentier Böhmens wird von der Forschung mit der Verleihung des Königstitels an Herzog Vladislav von 1156 in Verbindung gebracht. Zuverlässig belegt ist der Löwe jedoch erst im Jahr 1213 durch ein Wappensiegel des Markgrafen Vladislav Heinrich von Mähren. Im agnatischen Verband des Fürstenhauses der Premysliden kam es offenbar schon früh zum Wechsel der Wapppenfigur. Der Löwe ist unter den Wappentieren mittelalterlicher Fürsten ein besonders weit verbreitetes Symbol. Der „König der Tiere“ eignete sich besonders gut, um Herrscherrechte zu repräsentieren. Seine Entsprechung zum ebenso sehr häufigen Herrschernamen Leo stellte eine Brücke zwischen Name und Wappen her. Vor allem war der Löwe ein Christussymbol. Der „böhmische Löwe“ hatte unter den vielen Löwenwappen eine Sonderstellung. Bei der Wappenfigur handelte es sich um einen doppelschwänzigen Löwen. Später wurde er noch genauer definiert, nämlich als „doppeschwänziger, gold- oder rot bezungter, goldbewehrter und ebenso gekrönter steigender Löwe“. Die Doppelschwänzigkeit ist auf den Bildern der Wappen von Katharina, der Gattin Rudolfs IV., am Wiener Stephansdom eindeutig erkennbar - die Farbgebung auf den Sandsteinfiguren nicht. Auch in diesem Fall handelt es sich eindeutig um die Wappenführung durch eine Frau.

Lilie
Die heilige Königin Chrodechildis empfängt von einem Engel die Fleur-de-Lys und überreicht sie ihrem Mann, König Chlodwig - Quelle: Wikipedia

Die wohl längste Tradition hat unter den Wappenzeichen der Angehörigen Herzog Rudolfs IV. auf den Darstellungen in St. Stephan das Lilienwappen seiner Schwiegermutter Blanche de Valois. Die „Fleur-de-Lys“ steht in der Heraldik in einem speziellen Bezug zu Frankreich und seiner monarchischen Tradition. Im Selbstverständnis des kapetingischen Königtums des hohen Mittelalters unterstützte die Lilie als äußeres Symbol den Anspruch, die königliche Autorität unmittelbar von Gott zu haben - nicht vom Papst oder vom Kaiser. Christlicher Kontext war die geläufige Darstellung der Empfängnis Mariens durch die Entgegennahme einer Lilie aus der Hand des Verkündigungsengels Gabriel. Die Lilie wurde von den Kapetingern nicht nur als Wappenfigur genützt, sondern auch als Kronornament. In dieser Funktion findet sich eine älteste Darstellung der Lilienkrone im Siegel König Roberts des Frommen (996-1031). Lilienkronen verbreiteten sich – von Frankreich ausgehend – im Hochmittelalter in vielen Reichen Europas. Besonders kennzeichnend war das kapetingische Lilienwappen für Angehörige verschiedener Zweige der alten Königsdynastie - meist durch Variationen der Grundfigur charakterisiert. Das Haus Valois gehörte zu diesen Seitenlinien. Mit Philipp VI., dem Bruder der Blanche, wurde 1328 ein erster Valois französischer König. Blanche war die erste der vier Gattinnen Karls IV. Ihre zweite Tochter Katharina trägt auf ihrer Darstellung das Lilienwappen und zwar in jener Variante, die die Blumen verstreut über den ganzen Wappenschild zeigt. Katharina führte dieses Wappen neben dem böhmischen Löwen. Ganz unterschiedliche Wappenfiguren treten in diesem Wappenensemble der Fürstenportal e von St. Stephan In Erscheinung: aus reinen Farbenwappen entstandene Bilder wie der Bindenschild, Tierwappen wie die Fische von Pfirt oder der böhmische Löwe und schließlich ein Pflanzenwappen wie die französische Lilie. Einer einlinigen Ableitung von frühen Wappen aus einem bestimmten Typus von Wappenfiguren steht diese Vielfalt entgegen.

Die Kennzeichnung von Personen durch Wappen erfolgt in den habsburgischen Grabanlagen nicht immer entsprechend dem von Rudolf IV. gewählten Modell von Symbolen für seine beiden Eltern bzw. den beiden Eltern seiner Frau. Dieses Muster folgt dem Modell der damals schon aufkommenden Ahnenprobe vor einer großen Öffentlichkeit. Ganz anders gestaltet ist eine Bleitafel, die sich in der Grabkammer von Rudolfs Vater Herzog Albrecht I. in der Kartäuserkirche des Klosters Gaming fand, in der Albrecht mit seiner Frau Johanna von Pfirt begraben liegt. Die Bleitafel verzeichnet die Wappen von Österreich, Steiermark, Pfirt und Kärnten. Alle vier sind offenbar auf die Person von Albrecht bezogen. Mit den Herzogtümern von Österreich und Steiermark war er vom Kaiser belehnt, mit der Grafschaft Pfirt wurde er nach seiner Verehelichung mit der Erbgräfin Johanna vom Bischof von Basel belehnt. Das Herzogtum Kärnten erwarb er nach geschickten Verhandlungen 1335 um die Aufteilung des Görz-Tiroler Erbes des Meinhardiners Heinrich, mit dem er durch seine Mutter verwandt war. Dieses Ensemble von vier Wappen im Grab Herzog Albrechts II. in Gaming hatte also eine ganz andere Funktion als die Ensembles von vier Wappen seines Sohnes Rudolf an den Fürstenportalen seiner Grabeskirche St. Stephan in Wien.

Schloss Tirol
Linker Flügel außen
Schloss Tirol
Flügelaltar auf Schloss Tirol ca. 1370, Stifterpaar Albrecht III. und Gattin Elisabeth von Böhmen sowie Stifterpaar Leopold III. und Gattin Viridis Visconti, Quelle: Wikpedia
Schloss Tirol
Rechter Flügel außen
Mit den Wappenensembles an den Fürstenportalen von St. Stephan in Wien am ehesten vergleichbar sind die Figuren des berühmten Flügelaltars in der Burgkirche des Schlosses Tirol, einer anderen Habsburgerresidenz, mit ihren Wappendarstellungen. Rudolf IV. hatte in seinen letzten Lebensjahren den Erwerb der Landesherrschaft von Tirol systematisch vorbereitet. Nach seinem Tod kam es 1365 zur Auseinandersetzung seiner Brüder Albrecht III. und Leopold III. mit den Wittelsbachern, die ebenfalls diesen Teil des Erbes der Meinhardiner beanspruchten. 1370 wurde zwischen den beiden Streitparteien Frieden geschlossen. Albrecht und Leopold nahmen das zum Anlass, in der Stammburg Tirol bei Meran einen Altar zu stiften. Als sein Schöpfer gilt der aus Wien stammende Hofmaler der Habsburger Meister Konrad.

Auf den Außenseiten des Flügelaltars sind die beiden Stifter mit ihren Ehefrauen dargestellt – jeweils mit einem großen Wappenschild kombiniert. Auf der rechten Außenseite sieht man Herzog Albrecht III. und seine Frau Elisabeth von Böhmen – im Format traditionellen Stifterbildern entsprechend. Elisabeth ist durch eine Krone als Tochter Kaiser Karls IV. ausgewiesen. Sie wurde 1358 geboren und entstammte der dritten Ehe Karls mit Anna von Schweidnitz, war also deutlich jünger als Katharina, die Gattin Rudolfs IV. Begraben wurde sie nicht in St. Stephan, sondern in Gaming bei ihren Großeltern Herzog Albrecht II. und Johanna von Pfirt. In Verbindung mit diesem Paar findet sich am Flügelaltar von Schloss Tirol eine relativ große Darstellung des Tiroler Adlerwappens, das Albrecht als Senior des Hauses wohl zunächst für sich reklamierte. Die linke Außenseite des Altars bringt die Bilder des zweiten Stifterpaares, nämlich Herzog Leopolds III. und seiner Frau Viridis Visconti. Leopold schützt – klein dargestellt - das Tiroler Wappen. Als großes Wappenbild findet sich hier der habsburgische Bindenschild. Wenige Jahre nach Rudolfs IV. Tod ist so eine Figurengruppe mit Wappen entstanden, die ganz andere Akzente setzt, aber doch als Repräsentation der Brüder Rudolfs im Zusammenhang mit den Fürstenportalen von St. Stephan Erwähnung verdient.

So sehr der Flügelaltar des Meisters Konrad als künstlerische Leistung gepriesen wird - dessen Darstellung der Fürsten Albrecht III. und Leopold III. hat sicher bei Weitem nicht das Niveau erreicht, das beim Porträt Rudolfs IV. in St. Stephan vorgegeben war. Wenn Rudolf einen Porträtmaler von hohem Niveau gewinnen wollte, so musste er anderwärts suchen. Die einschlägige Forschung dachte dabei immer wieder an Künstler, die damals in Prag tätig waren. Letztlich steht der politische Gegensatz Rudolfs zu seinem Schwiegervater Karl IV. dieser Annahme entgegen. Viel eher konnte er einen Porträtisten dieser Qualität in Oberitalien finden. Zu denken ist dabei vor allem an Altichiero da Zevio in Verona, dessen berühmtes Frühwerk Rudolf von mehrfachen Aufenthalten in dieser Stadt bekannt war (Vgl. Michael Mitterauer, Wer malte das Porträt Rudolfs IV.? Eine Spurensuche in Oberitalien, in „Austria Forum“).

Castelbarco
Freistehendes Baldachingrab Guglielmos von Castelbarco bei der Dominikanerkirche Sant’Anastasia in Verona - Quelle Wikipedia

Interesse an Kontakten nach Oberitalien hatte Herzog Rudolf IV. sicher schon seit Anfang der 1360er Jahre. 1361 trat die aus dem Trentino stammende und mit Verona eng verbundene Adelsfamilie der Castelbarco in ein Lehensverhältnis zu ihm. Durch ihre Burgen im Etschtal beherrschte diese Familie wichtige Positionen entlang der Italienstraße über Verona. Mit den Trienter Kompakten von 1363 brachte Rudolf den Bischof von Trient in dauerhafte Abhängigkeit. Von dieser Position ausgehend konnte er noch im selben Jahr den Erwerb der Grafschaft Tirol durch die Habsburger sicherstellen. Die alte Adelsfamilie der Castelbarco hatte zu dieser Zeit enge Beziehungen zu Verona. Guglielmo da Castelbarco, „il grande“ zubenannt, war ein enger Freund und Bundesgenosse von Cangrande I. della Scala, dem Herren von Verona. Er erhielt in Verona ein großartiges Grabmal bei der Dominikanerkirche Sant’Anastasia. Als ein freistehendes Baldachingrab war es ein Vorbild für die ebenfalls außerhalb des Kirchenraums gelegenen Skaligergräber bei der Kirche Santa Maria Antica. Dieser Grabbau war sicher Herzog Rudolf bekannt. Ebensowenig wie die Skaligergräber selbst nahm er sie jedoch zum Vorbild für seine eigene Familiengruft in St. Stephan. Als Vermittler zwischen den beiden höfischen Zentren in Verona und Wien spielten die Castelbarco aber wohl eine gewisse Rolle.

Cavalli
Altichiero da Zevio, Drei Mitglieder der Familie Cavalli die heilige Maria verehrend in der Cavalli-Kapelle von Sant’Anastasia in Verona 1370 - Quelle: Wikipedia

Etwa zur gleichen Zeit, als die Herzoge Albrecht III. und Leopold III. von Österreich in der Schlosskirche der Burg Tirol den Flügelaltar mit Fürstenbildern und Wappen stifteten, erhielt in Verona Altichiero da Zevio - ein damals schon renommierter Künstler - den Auftrag, Fresken für die Grabkapelle der Familie Cavalli in der Kirche von Sant’Anastasia zu malen. Es war ein von den Skaligern stark geförderter Kirchenbau, bei dem schon zuvor Guglielmo del Castelbarco sein freistehendes Grabmal erhalten hatte. Wie die Castelbarco waren auch die Cavalli ein sehr altes mit Verona verbundenes Adelsgeschlecht. Ihr Wappentier war das Pferd – also eine typisch ritterliche Symbolfigur. In Verona passte dieses Wappentier auch aufgrund wirtschaftlicher Funktionen sehr gut, weil hier ein überregionaler Pferdemarkt abgehalten wurde. In der Cappella Cavalli in Sant‘Anastasia befindet sich ein charakteristisches Fresko, in dem drei Angehörige der Familie Cavalli mit ihren Namenspatronen St. Georg, St. Martin und St. Jakob dargestellt sind. Jeder der drei Adeligen trägt einen Schild mit dem Pferdewappen des Geschlechts. Im Hintergrund des Bildes sieht man einen repräsentativen Palast mit weiteren Darstellungen von Pferdewappen, die sich offenbar auf die Adelsfamilie beziehen, die die Grabkapelle und die Bilder der hier begrabenen Angehörigen gestiftet hat.

Der Meister, der dieses Fresko gemalt hat, war Altichiero da Zevio, auch Altichiero da Verona genannt. Er war der Begründer der Veroneser Malschule der Frührenaissance. Das Fresko von 1370 in der Cavalli-Kapelle von Sant’Anastasia war sein zweites großes Werk, das er in seiner Heimatstadt Verona geschaffen hat – die Kaisermedaillons und die Bilder des „Jüdischen Kriegs“ sein erstes. Diese Zyklen hatte er für den neuen Palast des Stadtherren Cansignorio della Scala gemalt. Herzog Rudolf IV. muss diese Bilder gekannt haben. Vor seinem plötzlichen Tod in Mailand war er mindestens dreimal in Verona bei Cansignorio zu Gast gewesen. Dieser war durch seine Nichte Viridis Visconti mit ihm verschwägert. Ob Rudolf IV. nur die Werke Altichieros da Zevio im Palast des Signore kennengelernt hat oder den Hofmaler der Skaliger selbst, lässt sich nicht definitiv entscheiden. Sei es durch Vermittlung seiner Vertrauensleute in Verona oder sei es durch persönlichen Kontakt hatte er Verbindung zu ihm. Altichiero war durch sein Frühwerk in Cansignorios Palast damals schon weit über Verona hinaus sehr berühmt. Rudolf mag ihm persönlich das Angebot gemacht haben, sein Porträt für das Grabmal in St. Stephan zu malen. Ein solcher Auftrag an den Veroneser Meister scheint jedenfalls plausibler als einer an Meister Theoderich von Prag, den Hofmaler Kaiser Karls IV, den abzuwerben politisch unmöglich war. Der Wiener Hofmaler Meister Konrad ist als Schöpfer des Porträts wohl auszuschließen. Zeitlich passt ein Auftrag in Wien gut in den Lebenslauf Altichieros. Nach Herzog Rudolfs Tod setzte der als großer Porträtist inzwischen bekannte Meister mit einem Fresko in der Grabkapelle der Cavalli sein Werk in seine Heimatstadt fort.

Cangrande
Reiterstatue des Signore Cangrande I. della Scala, ursprünglich bei der Familienkirche Santa Maria Antica - Quelle: Wikipedia

Der Zusammenhang zwischen Wappenfiguren und der Identität ihrer Träger ist im Verona der Skaliger nahezu allgegenwärtig. Die della Scala waren ursprünglich patrizischer Herkunft und führten als „sprechendes Wappen“ die Leiter als Wappenzeichen. Diese Wappenfigur begleitete sie vom Hochmittelalter bis in die Habsburgermonarchie des 19. Jahrhunderts. Neben der Leiter fanden auch zwei Hunde in ihre Wappenkomposition Aufnahme. Als Begleiter von Adeligen bei der Jagd genossen Hunde im Wappenwesen ein gewisses Ansehen. Ins Wappen der della Scala gingen die zwei Hunde die Leiter stützend ein. Sie waren aber auch mit Zweit- und Drittnamen von Angehörigen des Geschlechts verbunden. Die Skaliger empfanden sich im 14. Jahrhundert als Kampf- und Kriegshunde. Cangrande I. della Scala wurde auf den Namen Francesco bzw. Canfrancesco getauft, bevor er den Kriegsnamen „Cangrande“ erhielt. Bedeutende Signori von Verona aus dem Haus der della Scala hießen Mastino, trugen also als Erstnamen eine Bezeichnung, die einem Jagd- oder Kriegshund entsprach. Man kann diesen Namen als Variation eines Tiernamens verstehen. Cansignorio, der Zeitgenosse und Verwandte Herzog Rudolfs, der ihn in Verona aufgenommen hatte, trug einen Namen, der von den Zeitgenossen als „Leithund“ betrachtet wurde. Solche korrespondierende Tiernamen finden in der Symbolkultur der Skaliger vielfache Entsprechungen. Die primäre Bezeichnung des Geschlechts als „della Scala“ ging von seiner italienischsprachigen Wurzel auf die deutschsprachige Bezeichnung „von der Leiter“ über. Nach der Vertreibung aus ihrer Heimatstadt Verona lebte die Signorenfamilie in Bayern und in Österreich weiter. Auch das Symbol der Hunde begleitete sie dorthin. Man könnte das so deuten, dass sie sich durch ihr Wappen weiterhin als Hunde identifizierten. Es gibt Theorien über die Entstehung mittelalterlicher Adelswappen, die die Parallelität von Tiernamen und Wappenfiguren als entscheidende Wurzel des Wappenwesens insgesamt ansehen. Die Beispiele der Hundebezeichnungen von Angehörigen der della Scala in Verona könnte man dann als späte Ausläufer dieser Tradition deuten. Zwischen Frühmittelalter und Spätmittelalter lässt sich allerdings bei den della Scala keinerlei Kontinuität herstellen.

Carroccio
Der „Carroccio“ der Stadt Mailand mit den Wappenfahnen der Kommune - Quelle: Wikipedia

Die Territorien Oberitaliens – exakter formuliert von „Reichsitalien“ - scheinen insgesamt für die Entstehung des Wappenwesens ein fruchtbarer Boden gewesen zu sein. Das hängt sicher mit der spezifischen herrschaftlichen Entwicklung dieses Raums zusammen, die sich in der Vielfalt von Wappen und Wappenfiguren spiegelt. Die Spannungen zwischen Kaiser und Papst, zwischen Guelfen und Ghibellinen erscheinen dafür als wichtiger Hintergrund. Reichsitalien ist nicht nur eine Großregion eines stark differenzierten Lehenswesens gewesen, sondern auch eines frühen Kommunalismus . So gibt es hier ein Nebeneinander von Stadtwappen und Adelswappen, die sich im Lauf der Geschichte wiederum gegenseitig beeinflusst haben. Ein schönes Beispiel stellt das Wappen von Mailand dar, das primär aus einem roten Kreuz auf weißem Grund bestand, also wohl kirchlichen Ursprungs ist. Zum alten Wappen der Kommune kam im Spätmittelalter das Wappentier der Signorenfamilie der Visconti hinzu, dessen korrekte Bezeichnung „Biscione“ lautet. Es handelt sich dabei um ein gekröntes Drachen-Schlangenwesen, das einen Menschen ausspeit. Im Logo der in Mailand ansässigen Autofirma Alfa Romeo sind diese beiden Wappenzeichen bis in die Gegenwart vereint.

Innerhalb des Sonderwegs des Wappenwesens in Oberitalien gibt es wiederum einige spezifische Differenzierungn, die zu Sondertraditionen des Wappenwesens geführt haben. Mailand ist mit seinen historischen Symbolen eng mit dem „Carroccio“ verbunden – jenem heiligen Fahnenwagen , der in den Schlachten der Kommune von der Stadtgemeinde und ihren Verbündeten bis zum Äußersten verteidigt wurde. Über die gemeinsame Fahne hängt er mit dem Wappenwesen zusammen. Im östlichen Oberitalien fehlt der „Carroccio“. Die Republik Venedig ging in ihrer Staatssymbolik ganz andere Wege. Über den heiligen Markus, der den byzantinischen Heerespatron St. Theodor ablöste. konnte der Markuslöwe als Symbol des Heiligen, über dessen Reliquien man zu verfügen glaubte, zum Staatwappen werden. Der Charakter des Gemeinwesens als Seerepublik setzte in Herrschaftsform und deren Symbolik besondere Akzente. Der „Markuslöwe“ ist so nach seiner Genese ein ganz anderer Löwe als der schon besprochene „böhmische Löwe“. Für Verona konnte gezeigt werden, dass das Pferd als Wappen des alten Adelsgechlechts der Cavalli eine große Rolle spielte. Es hat seine Bedeutung als Reittier des wappenfähigen Adels. Und es erreicht einen besonderen Höhepunkt in den Grabdenkmälern der Skaliger bei deren Hauskirche von Santa Maria Antica. Es ist kein Zufall, dass gerade in Verona entscheidende Voraussetzungen für die Wiederbelebung des Reiterdenkmals im Zeitalter der Hochrenaissance entstanden. Auch in der Malerei spielten hier Berittene eine besondere Rolle – von Altichiero bis zu dem aus Altichieros Schule stammenden Pisanello, der in Verona aufwuchs.

In der Sepulkralkultur Herzog Rudolfs IV. steht stets das Porträt des Fürsten im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Darstellungen dieses Herzogs charakterisieren ihn aber auch in den Figuren der Fürstenportale und in anderen Ausdrucksformen seiner Sepulkralkultur „porträthaft“. Wenn für Rudolf IV. im Ausbau seiner Grabeskirche für das zentrale Porträt ein oberitalienischer Künstler in Frage kam, so stellt sich die gleiche Frage für die Bauplastik. Man denke dabei nur an die Pferdedarstellungen im Tympanon des Singertors im Zusammenhang mit der Lebensgeschichte des heiligen Paulus. In der Vorhalle des Singertors entstand dann auch zu Anfang des 15. Jahrhunderts ein Votivbild für Antonio della Scala, einen Angehörigen der nach Wien übersiedelten Signorendynastie von Verona, das sicher zu Recht der Schule Altichieros zugeordnet wird (vgl. Michael Mitterauer, Wer malte das Porträt Rudolfs IV.?) Vielleicht ist die kunstgeschichtliche Forschung um Herzog Rudolf IV. insgesamt zu sehr an Rudolfs Schwiegervater und Gegenspieler Karl IV. orientiert. Das ist eine einseitige Blickrichtung. Die offenkundigen oberitalienischen Einflüsse in Rudolfs Wirken sollten wohl insgesamt stärkere Beachtung finden - für die Porträtmalerei wohl genauso wie für die Bauplastik.

LITERATUR

  • Hans Belting, Wappen und Porträt: Zwei Medien des Körpers. In: Das Porträt vor der Erfindung des Porträts, 2003, S. 89-100
  • Johannes Lengeling, Entstanden die Wappen aufgrund veränderter Verwandtschaftsstrukturen? In: Heraldica Nova, 17. 02 2010
  • Georg Scheibelreiter, Tiernamen und Wappenwesen (Veröffentlichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 24), Wien 1976
  • Georg Scheibelreiter, Wappen im Mittelalter, Darmstadt 2014
  • Georg Scheibelreiter, Heraldik, Wien 2006
  • Hermann Wiesflecker, Der österreichische Bindenschild, Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark 25, 2000, S. 307-315
  • Franz-Heinz Hye, Das österreichische Staatswappen und seine Geschichte, Wien 1991
  • Peter Diem, Die Symbole Österreichs, Zeit und Geschichte in Zeichen, Wien 1994
  • Peter Diem, Der Stephansdom und seine politischen Symbolik
  • Constanze Huber, Das Porträt Rudolfs IV. im Kontext, Masterarbeit der Universität Wien, 2015
  • Annemarie Fenzl, Die Tore von St. Stephan, In: Unser Stephansdom, Nr. 115, März 2017
  • Thomas Flum, Das Paulusportal von St. Stephan in Wien, In: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschat 67, , S 9-30
  • Helga Reichert, Der Altar von Schloss Tirol. Hauptzeugnis der späten Trecento-Malerei, In: Der Schlern 86/1, 2012, S. 42-55