Etrich-Taube#
Nach dem tödlichen Unfall des deutschen Flugpioniers Otto Lilienthal wollten Igo Etrich und sein Vater einen möglichst sicheren motorbetriebenen Flugapparat entwickeln. 1900/1901 bauten sie nach eigenen Ideen einen Rampenstartgleiter, der jedoch nicht funktionierte; 1903 stellten sie den jungen Ingenieur Franz Xaver Wels zum Studium der Literatur an.
Dieser beschäftigte sich eingehend mit Formen und Strukturen aus der Natur und studierte dazu nicht nur Flügel von Vögeln, Fledermäusen und Insekten, auch den Aufbau des Samens der auf Java wachsenden "Zanonia macrocarpa" (eine palmenartigen Pflanze).
(Ende des 19. Jahrhunderts hatte der Hamburger Professor Friedrich Ahlborn die Flugeigenschaften dieses Flugsamens untersucht und die Ergebnisse 1897 veröffentlicht).
Igo Etrich und Franz Wels entwickelten daraufhin aus der Form des Samens einen "Nurflügler" (ein Flugzeug ohne Differenzierung von Tragflächen und Rumpf; als Baumaterial dienten Holz, Spannstoff und Bambusstäbe).
1906 stieß Karl Illner als Mitarbeiter zu Etrich und Wels; am 2. 10. 1907 absolvierte Franz Wels mit dem Gleiter den Erstflug und erhielt schließlich ein Patent für das Nurflügel-Motorflugzeug.
Parallel zum Gleiter-Umbau arbeiteten Etrich und Illner ab dem Winter 1906/07 an einem Motorflugzeug mit Rumpf. 1907 gelang Etrich nach zahlreichen Versuchen die Konstruktion des ersten Motorflugzeugs Österreichs: "Etrich I", im Volksmund "Praterspatz" genannt (da Etrich seine Flugversuche vor allem im Wiener Prater vornahm).
Nach einem Zerwürfnis zwischen Etrich und Wels gelang Karl Illner mit dem sogenannten "Praterspatz" am 4. 7. 1909 in Wiener Neustadt der erste kurze Flug eines österreichischen Motorflugzeuges.
Flugtüchtiger war die sogenannte "Etrich-Taube", ein Eindecker ("Etrich II"), mit der Karl Illner 1910 in 30 Minuten von Wiener Neustadt nach Wien flog.
Entscheidende Verbesserungen gelangen durch die Zusammenarbeit mit Ferdinand Porsche: Porsche lieferte einen 60 PS Motor; die erste "Taube" konnte ihren Erstflug am 30. 7. 1909 erfolgreich durchführen.
In Deutschland wurde die Taube zu Anfang von dem bis dahin erfolglosen Konstrukteur Edmund Rumpler in Lizenzbauweise ausgeführt. Als abzusehen war, dass Etrich kein Patent in Deutschland bekommen würde, baute Rumpler ohne Lizenzabgaben diesen von ihm verbesserten und weiterentwickelten Typ weiter und vertrieb das Flugzeug unter dem Namen "Rumpler Taube". Über 60 Taube-Maschinen wurden ab 1910 von Rumpler in seiner eigens dafür gegründeten Firma auf dem Flugplatz Berlin-Johannisthal gebaut.
Etrich gab nach der Ablehnung seiner deutschen Patentschrift die Konstruktion seiner Taube frei; in Folge wurden daraufhin von fast von 50 Herstellern die Taube gebaut, sodass sie im deutschsprachigen Raum zu einem der erfolgreichsten Flugzeuge seiner Zeit wurde.
Vor allem militärische Kreise zeigten bald reges Interesse. Der Taube-Typ wurde bei der k. k. Luftschifferabteilung eingeführt (1911 baute Etrich das erste österreichische Militärflugzeug, 1912 wurden in Schlesien die Etrich-Werke gegründet.) In Österreich wurden - u. a. von der Firma Lohner - rund 50 Tauben hergestellt. 1914 schenkte Igo Etrich dem Technischen Museum Wien das ausgestellte Exemplar.
Während des Ersten Weltkrieges wurde die Taube anfangs als Beobachtungsflugzeug eingesetzt. Obwohl ihre Geschwindigkeit für diese Zwecke eigentlich zu gering war, konnte sie trotz dieses Nachteils einige Erfolge verzeichnen, wie z. B. im August 1914, als die Offiziere Canter und Mertens aufgrund ihrer Beobachtungen den Verlauf der Schlacht von Tannenberg beeinflussen konnten.
1914 wurde sie auch genutzt, um Bomben und Propaganda-Material über Paris abzuwerfen. Da die Taube aber langsam und schlecht zu wenden war, wurde sie bald nach Beginn des Ersten Weltkrieges von der Front abgezogen und diente nur noch als Ausbildungsflugzeug.
Im Technischen Museum in Wien ist das Original zu sehen.
Literatur#
- I. Etrich, Memoiren, 1962
Quellen#
- AEIOU
- Technisches Museum Wien
- Deutsches Museum
- Mosafilm.de
- www.bredow-web.de (Lexikon der Flugzeuge und Hubschrauber)
- www.flugzeuginfo.net (Flugzeuglexikon)
- www.luftfahrtarchiv.eu
Siehe auch: