Raab, Julius#
* 29. 11. 1891, St. Pölten (Niederösterreich)
† 8. 1. 1964, Wien
Baumeister und Politiker
Der Sohn eines Baumeisters besuchte das Stiftsgymnasium Seitenstetten (Niederösterreich),
danach studierte er Hochbau an der Technischen Hochschule in Wien.
Im 1. Weltkrieg eingerückt, begegnete er an der Isonzofront dem Oberst
im Generalstab
Körner, der großen Eindruck auf ihn machte.
Nach dem Krieg setzte er das Studium zunächst fort,
trat aber dann in die väterliche Firma ein.
Daneben wurde er politisch aktiv und zog 1927 für die
Christlichsozialen in den Nationalrat ein.
Ignaz Seipel
delegierte den jungen Abgeordneten in die Heimwehrbewegung,
um über die dortigen Vorgänge informiert zu sein. In der Heimwehr stieg
Raab rasch zum Niederösterreichíschen Landesführer auf. 1930 leistete er den "Korneuburger Eid",
mit dem die Heimwehren dem Parlamentarismus den Kampf ansagten,
distanzierte sich jedoch bald davon und trat als Landesleiter zurück.
Er konzentrierte sich nunmehr auf den Aufbau der neuen Handelskammer.
Im Februar 1938 ernannte ihn
Schuschnigg für wenige Wochen zum Handelsminister.
Von den Nationalsozialisten in Niederösterreich mit Berufsverbot belegt, kam
Raab in Wien in einer Baufirma unter, wo er später auch
Leopold Figl
unterbrachte. 1945 gründete er den Wirtschaftsbund. Als Präsident
der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (ab 1947) trug er in der
Folge gemeinsam mit
Johann Böhm
wesentlich zur Etablierung der
Sozialpartnerschaft bei. Außerdem war er Niederösterreichíschen Landesparteiobmann der ÖVP.
Figl wollte ihn in die Regierung holen, da dies jedoch am Einspruch der
Sowjets scheiterte, wurde
Raab Klubobmann im Parlament. 1953 schließlich
löste er Figl als Bundeskanzler ab und stellte wirtschaftspolitisch mit
Finanzminister
Kamitz entscheidende Weichen für die Prosperität des Landes. Den ins
Stocken geratenen Staatsvertragsverhandlungen gab er neuen Schwung,
indem er den Gedanken einer militärischen Neutralität Österreichs ins
Spiel brachte. Nach der Rückkehr von einem Moskaubesuch am 14. April
1955 konnte er den Durchbruch bei den Verhandlungen bekanntgeben, der
Vertrag wurde einen Monat später von allen 4 Alliierten in Wien
unterzeichnet.
Nach seinem Rücktritt als Bundeskanzler 1961 übernahm
Raab erneut die
Präsidentschaft der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, zog jedoch
weiterhin alle politischen Fäden. 1963 fand sich der schon schwerkranke
Politiker bereit, für seine Partei als Bundespräsidentschaftskandidat
gegen
Adolf Schärf
in den Wahlkampf zu ziehen. Er unterlag
erwartungsgemäß.
© "Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik" von Isabella Ackerl und Friedrich Weissensteiner, 1992