Raimund Ločičnik: Schatztruhe Oberösterreich#
Raimund Ločičnik: Schatztruhe Oberösterreich. Sutton Verlag Erfurt 2011, 192 S., 150 Bilder (Farbe), € 22,95
Seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten hat sich der international tätige Sutton Verlag der Regional- und Alltagsgeschichte verschrieben. In der ursprünglichen Reihe „Archivbilder“ sind inzwischen in Europa mehr als 1000 Titel erschienen, allein in Österreich mehr als 100. Anfangs standen regionale Kostbarkeiten im Spiegel historischer Schwarz-Weiß-Aufnahmen im Mittelpunkt. Im Lauf der Zeit kamen immer neue Formate dazu, sodass der Verlag nun 20 Reihen ediert. Es spricht für die Verantwortlichen, dabei das bewährte, aber etwas starre, Layout des Anfangs zu verlassen und immer Neues auszuprobieren.
Ein besonders gelungenes Beispiel – mit wünschenswertem Vorbildcharakter – ist „Schatztruhe Oberösterreich“. Sein Autor, Raimund Ločičnik, ist Kunsthistoriker, Stadtarchivar von Steyr, mehrfacher Buchautor und freiberuflicher Journalist. Eine Serie über die Kunstschätze seines Bundeslandes in der Tageszeitung „Oberösterreichische Nachrichten“ bildet die Basis des vorliegenden Bandes, dessen bestechende Farbbilder fast alle aus dem Archiv des Autors stammen. Für das Buch hat er die Idee entwickelt, „eine Kunstreise durch die Zeit mit ausgewählten Beispielen aus der breit gefächerten Kulturlandschaft Oberösterreichs zusammenzustellen.“ Raimund Ločičnik spricht bescheiden vom „Versuch, viele Sachgebiete, Fakten und Daten so mit Beobachtungen, Wahrnehmungen und persönlichen Erkenntnissen zu verbinden, dass ein rundes und repräsentatives Ganzes daraus entsteht.“
Dieser „Versuch“ ist mehr als gelungen. Karten auf dem aufklappbaren Umschlag geben einen ersten geographischen und historischen Überblick von der Kunst der Karolinger bis zur Moderne. Zum Einstieg in jedes Kapitel gibt es eine Einführung zum Verständnis der Epoche und ihre kunsthistorischen Charakteristika. Schon beim Inhaltsverzeichnis fällt das gelungene Layout auf, dessen Farbcodes zur weiteren Verdeutlichung beitragen. Die einzelnen Kapitel mit gleich langen Texten und abwechslungsreich angeordneten Bildern umfassen jeweils eine Doppelseite. Kaum zu glauben, wie viel Interessantes sich auf knapp 200 Seiten darstellen lässt. Am liebsten würde man gleich, mit dem sympathischen Buch in der Hand, zu Besichtigungsfahrten in das Land ob der Enns aufbrechen.
Für die Kunst der Karolinger (8. bis 10. Jh.) sind die erhaltenen Beispiele rar, doch befindet sich mit dem um 770 entstandenen Tassilokelch ein einzigartiges Objekt im Stift Kremsmünster. Das Zeitalter der Romanik, ab dem 11. Jh., hat in Oberösterreich bedeutende Spuren hinterlassen. Der Fund des Lambacher Freskenzyklus’ (um 1080) war in den 1960er Jahren eine Sensation. Die „Kulträume von Stift Schlägl“ , das Gunthergrab in Kremsmünster oder die Ruine der Schaunburg bis Eferding sind weitere Zeugnisse jener Epoche. Der Zisterzienserorden brachte den gotischen Stil nach Österreich. Neben „Schönen Madonnen“, wie (Enns, Frauenstein…) Schnitzaltären (St. Wolfgang, Kefermarkt…), kunstvollen Gewölben (Weigersdorf, Braunau, Königswiesen…) sind auch hier Wand- und Deckenmalereien von Bedeutung, wie jene in Stadlkirchen aus der Zeit um 1330. Das berühmte „Bummerlhaus“ in Steyr, das dem Spitznamen seines Hauszeichens, eines kleinen Löwen, die Bezeichnung verdankt, zählt neben Kirchenbauten (Eferding …) zu den architektonischen Schätzen des Mittelalters. Renaissance und Manierismus sind mit einer Reihe von Sehenswürdigkeiten aller Kunstrichtungen vertreten (Landhaus in Linz, Losensteiner-Grabmäler in Garsten, Seeschloss Ort, Altäre in Mondsee und Grünau….). Dem Früh- und Hochbarock sowie Rokoko verdankt Oberösterreich „ jede Menge an Neuerungen“. Kuppeln, elliptische Grundrisse, Stuck, Lichteffekte und naturalistische Darstellungen charakterisieren die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts. Zu den Beispielen zählen hier die Werke der Brüder Zürn, der Familien Schwanthaler und Altomonte oder Meinrad Guggenbichlers. Prominente Stifte mit ihren prächtigen Ausstattungen (Kremsmünster, Gasten, St. Florian, Schlierbach, Wilhering) fallen in dieses Kapitel, ebenso Wallfahrtskirchen wie Christkindl und Stadl-Paura, einige Schlösser und das Steyrer Rathaus. Klassizismus und Historismus finden u. a. mit der Kaiservilla in Ischl, der Villa Toscana in Gmunden, dem Linzer Dom und dem Denkmal des Industriellen Josef Werndl (vom Wiener Ringstraßen-Bildhauer Viktor Tilgner) herausragende Exempel. Weniger bekannt sind wohl Werke des Jugendstils in Oberösterreich, hier vertreten etwa durch den „charakteristisch österreichischen“ Bahnhof von Spital am Pyhrn und den Linzer Sparkassensaal. Die Auswahl an Sehenswertem reicht bis fast in die Gegenwart. In der Zwischenkriegszeit entstanden markante Privatbauten, wie die Biedel-Villa in Steinbach am Attersee oder das Landhaus Gamerith in Seewalchen. Der Kreis schließt sich mit der 1962 vollendeten Theresienkirche am Linzer Keferfeld.
Man kann dieses Buch nur loben. Ein bekannt kritischer Leser meinte, das sei sein persönliches „Buch des Jahres“ – dem ist nichts hinzuzufügen.