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Gebhard König (Hg.): Das Land um Wien#

Bild 'König'

Das Land um Wien. Wien und sein Umland in der „Perspectiv-Karte des Erzherzogthums Oesterreich unter der Ens“ von Franz Xaver Schweickhardt. Herausgegeben und ausführlich erläutert von Gebhard König. Edition Winkler-Hermaden, Schleinbach 2013. 64 S. mit 14 ausklappbaren Faltkarten. € 49,90

Baden, Breitenfurt bei Wien, Brunn am Gebirge, Ebreichsdorf, Gablitz, Kaltenleutgeben, Klosterneuburg, Korneuburg, Leobersdorf, Maria Lanzendorf, Mauerbach, Mödling, Pottenstein, Traiskirchen, Vösendorf, Wiener Neustadt sowie zu den Wiener Vorstädten Altmannsdorf, Atzgersdorf, Döbling, Floridsdorf, Grinzing, Hacking, Hietzing, Lainz, Leopoldau, Mauer, Nussdorf, Penzing, Simmering, Speising, Währing und viele andere Orte hat der Schriftsteller und Kartograph Franz Xaver Schweickhardt (1794-1858) in seiner „Perspectiv-Karte des Erzherzogthums Oesterreich unter der Ens“ vorgestellt. Das Werk umfasst 63 großformatige Karten und eine Beschreibung aller Orte Niederösterreichs in 34 Bänden. Die Pläne aus der Vogelschau-Perspektive, die in den Jahren 1830 bis 1846 entstanden sind, zeigen die Kulturlandschaft im Land um Wien bis ins Detail. Das Kartenwerk gilt als eine der großartigsten Dokumentationen Niederösterreichs, obwohl es in seiner liebenswürdigen Art fast einen Anachronismus darstellt. Im 19. Jahrhundert war das Kartenbild war von nüchternen Grundrissen mit abstrakten Signaturen geprägt. Schweickhardts perspektivische Manier erinnert hingegen an die Art von Matthäus Merian (1593-1650) oder Clemens Beuttler (1623-1683).

"Das enorme Arbeitspensum das hinter der Gestaltung der Karten stecken musste, war beeindruckend", schreibt der Herausgeber, em. Bibliotheksdirektor Gebhard König. "In den 1830er Jahren gab es noch keine großmaßstäbige Karte von Niederösterreich, Schweickhardt wird wohl die in den 1820er Jahren erschienenen Katasterblätter als Grundlage verwendet haben; für die perspektivische Darstellung musste er aber die Orte und Landschaft bereit haben, eine gewaltige Leistung bei den damaligen Fortbewegungsmitteln." Für das vorliegende Werk hat Gebhard König 14 Blätter ausgewählt. Während seiner 35-jährigen Tätigkeit am Niederösterreichischen Landesarchiv haben ihn die Schweickhardt-Werke stets begleitet, und er hat sie wissenschaftlich aufbereitet. 2006 veröffentlichte König im Wiener Archiv-Verlag eine Gesamtausgabe der "Perspectiv-Karte", vier Jahre später die Abbildungen aus Schweckhardts "Darstellung".

Die aktuelle Auswahl konzentriert sich auf den sogenannten Speckgürtel, "jenes Wohlstandsgebiet rund um Wien, in dem die höchste Steuerleistung Österreichs erbracht wird." Sie umfasst das Gebiet von Korneuburg und dem Bisamberg im Norden über den Großraum der heutigen Stadt Wien bis nach Mödling, Baden und Wiener Neustadt im Süden, von Kaltenleutgeben im Westen bis Ebergassing im Osten. Manche Plandarstellungen weisen über die früheren Landesgrenzen hinaus, bis Lauretta (Maria Loreto) und Eisenstadt "in Ungarn".

Aus originalen Beschreibungen, welche "die wortgewaltige und überschwängliche Begeisterung Schweickhardts für seine Heimat" unter Beweis stellen, zitiert der Herausgeber markante Abschnitte und kommentiert sie aus heutiger Sicht. In der Gegenüberstellung hat sich nicht nur vieles verändert, auch manche historische Annahme bedurfte der Korrektur. Im Original heißt es über Hennersdorf: "Der Ort ist ob seines hohen Alters merkwürdig, er soll in der zweiten Hälfte des zehnten Jahrhunderts durch den ersten österreichischen Markgrafen, Leopold I., dem Erlauchten, entstanden sein. Die hiesige Pfarrkirche, dem heiligen Andreas geweiht, wurde 1527 gestiftet." Gebhard König ergänzt, dass die Ortschaft erst 1114 erstmals urkundlich erwähnt, doch die Kirche wenig später errichtet wurde.

So originell und liebenswürdig das Werk wirkt, brachte es seinem Urheber doch keinen Erfolg. Er starb völlig verarmt 64-jährig an Lungentuberkulose. Hinter ihm lag ein bewegtes Leben, man könnte ihn als schillernde Persönlichkeit beschreiben - was aber seinem Kartenwerk keinerlei Abbruch tut. Franz Xaver Schweickhardt war eines von zehn Kindern eines von Konstanz nach Wien zugezogenen Handelsmanns und Hausbesitzers, die Mutter stammte aus Iglau. Seine Eltern ermöglichten ihm eine gute Ausbildung: Gymnasium, Architekturabteilung an der Akademie der Bildenden Künste, Mathematik und Philosophie. Als 20-jähriger ging er zur Armee, nahm 1818 den Abschied und verdiente seinen Unterhalt als Schriftsteller. Doch freischaffend konnte er schlecht leben. Pfändungen, Konkurs und eine Verurteilung wegen Veruntreuung waren die Folge. Um 1830 ersuchte Franz Xaver Schweickhardt um Zuerkennung des Adelsprädikats "Reichsritter von Sickingen", das er schon zuvor unbefugt auf seine Publikationen drucken ließ. Das Ansinnen wurde abgelehnt, die Titelblätter eingestampft, eine empfindliche Strafe eingehoben.

Den detailreichen Karten merkt man die Probleme ihres Herstellers nicht an. Man kann sogar die Bäume in der Allee nachzählen, von denen z. B. die gewundene Straße von Schwechat nach Kledering gesäumt wird (I. Section). Die Wienerwaldberge wirken in der Schraffur recht beachtlich, während sich die Vororte wie Neustift oder "Ottogrün" (Ottakring) wie winzige Dörfer ausnehmen. Jenseits des markanten Linienwalls sind die Vorstädte schon dicht besiedelt (III. Section). Die Darstellung von Klosterneuburg und Umgebung wird von der gewaltigen, unregulierten Donau und ihren Inseln dominiert. Korneuburg, am anderen Ufer, ist als regelmäßige Siedlung von einer Stadtmauer umgeben. "Recht alterthümlich erhebt sich … die Stadt Korneuburg, deren äußere Umrisse mehr rund als viereckig zu nennen sind. An besonderen Gegenständen enthält dasselbe eine schöne Pfarrkirche von gothischer Bauform…." (VII. Section). Das Wiener Becken erscheint als rustikale Naturlandschaft, obwohl sich die Industrialisierung schon abzeichnet. So erwähnt der Kartograph den "ansehnlichen Markt Pottendorf", dessen 648 Familien ihren Erwerb großteils in der "k. k. priv. Baumwoll-Maschin-Garngespinst-Fabrik nach englischer Art der Herren Johann von Thornton" finden: "Diese Fabrik, die größte in der österreichischen Monarchie, ist ob ihres außerordentlichen Maschinenwesens besonders sehenswerth, wobei zwischen 1600 und 1700 Arbeitsleute beschäftigt werden." (XXVIII. Section). Besonders lobt Schweickhardt die Kurstadt Baden und das Helenental: "Kunst und Natur haben dieses Thal so reichlich ausgeschmückt, daß schwerlich ein zweites an Pracht und Schönheit in Österreich aufzuweisen sein wird." (XXXIV. Section).