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Mein Beruf#

Archiv externer Beiträge, Blatt #29#

von Martin Krusche

Wem müßte ich nun noch erzählen, daß wir Kunstschaffende derzeit in Schwierigkeiten stecken? Das war schon vor der Pandemie ein schwieriges Terrain. Nun haben wir eine prächtige Krise, aus der etwas gemacht werden will. Genau das beschäftigt mich derzeit. Die Krise zu Verbesserungen nützen.

Die Vielfalt der Genres und Lebenskonzepte (von links): Autor Martin Krusche, Politologin Monika Mokre, Autor Helmut Schranz (†), Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov, Künstler Jörg Vogeltanz und Architekt Ivan Redi (Foto: Archiv van.at)
Die Vielfalt der Genres und Lebenskonzepte (von links): Autor Martin Krusche, Politologin Monika Mokre, Autor Helmut Schranz (†), Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov, Künstler Jörg Vogeltanz und Architekt Ivan Redi (Foto: Archiv van.at)

Ich hab an verschiedenen Stellen schon betont, daß wir dabei augenblicklich vor allem auf uns selbst gestellt sind. Es war schon vor Covid-19 sehr fordernd, als Freelancers in Kunst und Kultur ökonomisch zu bestehen. Derzeit verschärft sich das sprunghaft. Der Kulturbereich ist in jeder gesellschaftlichen Krise der letzten 40 Jahre auf der Prioritätenliste sofort nach unten geschoben worden, zuletzt zwischen 2008 und 2010.

Wenn ich in Schwierigkeiten stecke, brauche ich so schnell wie möglich einen präzisen und tauglichen Befund, womit ich es zu tun hab. Dazu gehört – was unser Metier angeht – unter anderem die Absage an jeglichen Obskurantismus.

Klischeebilder und Privatmythologien#

Es kursieren allerhand Klischeebilder und Privatmythologien über das Leben in der Kunst. Das sehen wir in einen permanenten Diskurs über Kunst eingebettet, der mehr als zweitausend Jahren Geschichte hat.

Ist denn nun bedeutender, was viele Menschen, was breite Kreise anspricht? Zählt doch eher der Geschmack erlesener Kennerschaft, also einer Minorität? Wer darf sagen, was Kunst ist? Betriebsgeräusche auf der Metaebene! Das will mit dem Alltag sinnvoll verbunden werden.

Habe ich heute ganz konkret mit Künstlerinnen und Künstlern zu tun, reden wir gewöhnlich so nicht über unsere Profession. Wir sprechen über Themen und Aufgabenstellungen. Wir unterhalten uns über Lebens- und Arbeitsbedingungen. Wir erörtern Perspektiven und Optionen. Wir tun also, was in jedem Metier vorkommt. Wir reden über die Hackn und über unsere Möglichkeiten.

Wo wir zu Kooperationen ansetzen, verzahnen sich all diese Aspekte. Auf diesem Feld erlebe ich etwas, das meinen Begegnungen mit den alten Handwerkern gleicht. Wer eine große Klappe hat, aber inhaltlich auffallend schwächelt, wer in der Arbeit stümpert und womöglich auf Kosten anderer expandiert, muß sich flott neue Freunde suchen.

Aus der Antike haben wir den Hinweis: wenn ich mit der Realität kollidiere, brauche ich Theorie. Ich brauche Annahmen darüber, womit ich es zu tun habe und wie es nun konkret weitergehen könnte. Dazu nützt oft schon ein Blick in triviale Winkel. Sogar Wikipedia hilft bei der Orientierung: „Eine Theorie ist im Allgemeinen eine durch Denken gewonnene Erkenntnis im Gegensatz zum durch Erfahrung gewonnenen Wissen.“

Planend handeln#

Ich betone das, weil wir immer noch in einer Tradition der Intellektuellenfeindlichkeit leben, da man leicht zu hören bekommt: „Du theoretisierst nur!“ Eine dumme Abschätzigkeit, weil ich selbst für banale Alltagsbewältigung ständig Annahmen entwickeln muß, wann ich was weshalb tun sollte.

Obskurantismus ausschlagen. Kulturpolitische Überlegungen nicht auf Privatmythologien stützen. An brauchbaren Befunden arbeiten. Dazu gehört, daß wir uns selbst und anderen nahvollziehbare Auskunft geben, was denn unser Beruf sei. Besser: was unsere Berufe seien. Plural!

Zu diesem Zweck hab ich die Notiz „Mein Beruf“ verfaßt. Darüber kam ich einerseits mit Wissenschafter Hermann Maurer ins Gespräch, andrerseits mit dem Musiker Sir Oliver Mally. Dadurch entstanden weiterführende Notizen zum Thema.

Inzwischen darf ich ankündigen: es wird eine kleine Serie geben, in der versierte Menschen darstellen, wovon ihr Metier in der Praxis handelt. Wir bemühen uns, einen realistischen Ausschnitt zu erarbeiten, was der Status quo sei. Dabei ziehen wir einen Bogen durch mehrere Generationen und berühren verschiedene Genres, von der Malerei über Schauspiel, Design und Architektur.

P.S.: Das Foto gehört zum Tra(c)ktat zur Gründungsurkunde eines postnationalen Reisebüros (Nach dem Manifest des Avantourismus des Philosophen der Tat Georg Flachbart) von Emil Gruber und entstand 2005 im Rahmen von „the cybertrail: the locomotion“.

Erstmals publiziert in der KW 24/2020 auf „Kunst Ost