Mini Fabula: Die Klischeemaschine#
(KI und Kohabitation)#
von Martin KruscheIm Nachdenken über „Künstliche Intelligenz“ habe ich bisher darauf bestanden, die KI für einen Algorithmus zu halten, ein Werkzeug. Bestenfalls noch für ein Assistenzsystem, wie ich das in der vorigen Notiz „Verzweigungen“ (Schnittstellen zum Cyberspace) betont hab.
Jürgen Kapeller, um den es da ging, lehnt diese Zuschreibung ab. Ich werde meine Ansicht nachjustieren müssen. Das ergab sich in einem Arbeitsgespräch, das wir gemeinsam mit Chris Scheuer und Richard Mayr geführt haben.
Kapeller meinte, die KI sei „ein Kulturinstrument, das eine eigene Identität entwickelt, mit der wir kohabitieren müssen“. Ein Prozeß der Ausdifferenzierung. Und wir mitten drin. Mayr hat sich als Fotograf schon ein wenig mit KI-Optionen vertraut gemacht. Ich hab eben erst begonnen, mich etwas eingehender damit zu befassen. Für Scheuer ist dieses Thema völliges Neuland.
Da wir alle vier Teil des Projektes „Mini Fabula“ sind, ist das ein guter Ausgangspunkt, derlei Angelegenheiten nun gemeinsam zu erkunden. Dazu hat Scheuer den Text „Ein Berg“ vorgelegt, der erst einmal handschriftlich verfaßt wurde und erst digitalisiert werden muß. Ich hatte ihn gebeten, aus seiner Kompetenz als Graphic Novelist einen Schritt herauszutreten und diesmal als Textautor loszulegen, der auf die grafischen Anteile des Comic verzichtet.
Das gibt uns eine Basis für „Text zu Text“ sowie „Text zu Bild“ via KI. Es eröffnet von da aus weitere Optionen. Ich meinte, Kapeller würde nun als Chef-Maschinist des Computersystems wie ein Fährmann agieren, der den Stoff in ein anderes Reich rüberschafft. Er lehnte dieses Bild ab. Wenn schon eine Metapher, dann diese: „Was ich mache, hat mehr mit Terraforming zu tun. Ich bin ein Mixer. Ich mische.“
Er füttert die KI mit Material und entscheidet, ob er die Software einfach machen läßt oder ob er mit seinen Vorstellungen lenkend eingreift. Diesen Vorgang Anweisungen zu formulieren nennt man Prompting. Kapeller: „Läßt man die KI einfach machen, liefert sie statistisches Mittelmaß. Sie gibt das Wahrscheinlichste zurück, das sie aus ihren Trainings und Suchen bezogen hat.“
Darauf Scheuer: „Man erschafft ein Klischee.“ Kapeller: „Ja, es muß ein Klischee sein. Selbst wenn ich eingreife, tendiert die KI zum Klischee zurück. Die KI ist eine Klischeemaschine.“ Bei unserem Round Table im vergangenen März hörten überdies von Thomas Rössler: „Ich meine es sehr ernst, wenn ich meinem Team sage: Seid’s freundlich zur KI!“
Weshalb? Rössler: „Die KI, das ist ein evolutionärer Prozeß.“ Das könnte in eine Richtung gehen, wo man mit miesen Manieren dann gegen Barrieren knallt. Rössler betonte daher auch: „Nicht aufgeben und Werte vermitteln. Es wird ein neuer Mainstream kommen.“ Denn: „Die KI ist ein Mainstreamverstärker.“ Quelle: „Freundlich bleiben!“ (Menschen und Maschinen in Koexistenz)
Darin liegen einige anregende Hinweise, an dieser wachsenden Kohabitation aktiv zu arbeiten, statt eine Maschinenstürmer-Pose einzunehmen und sich bloß zu empören. Diese Technologie hat unser aller Alltag längst durchdrungen. Wir sollten in der Sache kompetent werden.
- Mini Fabula (Die Startseite)
Ergänzend#
- Verzweigungen (Schnittstellen zum Cyberspace)
- Freundlich bleiben! (Menschen und Maschinen in Koexistenz)
- Die Grammatik des Rauschens (Maschinenintelligenz und verwandten Themen)


