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Gedenken: Die Freiheit#

(…im Zusammenhang mit Kunst)#

von Martin Krusche

Das Wort Freiheit zirkuliert unter anderem als ein Container-Begriff, der oft ganz beliebig mit Inhalten befrachtet wird. Wo von Kunst die Rede ist, kommen unausweichlich Ansichten über das zur Sprache, was Freiheit der Kunst bedeuten könnte.

Dazu gehört die populäre Spießer-Fantasie, ich könnte mich als Künstler einer Art von Priesterschaft zurechnen, deren Tun nicht zur Debatte stehen dürfe. Das ist in beiden Lagern Mumpitz. Einerseits auf der Seite Kunstschaffender, die sich so gerieren, andrerseits auf der Seite eines Publikums, das sich darüber mokiert.

Selbstverständlich gehören Tabubrüche und Grenzüberschreitungen zur Entwicklung der Menschheit, also auch der Kunst. Sonst wären wir womöglich noch kleine Rudel oder Stammesgesellschaften wie einst im Neandertal.

Wo aber ist vereinbart worden, jemand sei von Konsequenzen eines Tabubruchs freigestellt? Das wäre lächerlich! Diese Freistellung gibt es nicht. Wenn ich als Künstler soziales Neuland erkunde, ist das wie eine Expedition in unbekannte Territorien der Welt; nämlich riskant.

Es gibt freilich keine bindenden Regeln, wie sich jemand in der Kunst zu verhalten habe. Ich bestehe auf der grundlegenden Annahme, daß Kunst nichts müssen muß und alles dürfen darf. Sowas notiere ich im Geist einer unverzichtbaren Grundlagenarbeit, die dem Erkenntnisgewinn gewidmet ist.

Aber ich muß in diesem Fall wissen, was ich tue. Und ich muß mich den Konsequenzen meiner Handlungen stellen. Falls ich mich, wie einst Alexander von Humboldt, in der Wildnis umtreibe, kann es mich mein Leben kosten. Falls ich mich im Dschungel sozialer Konventionen umtreibe und Regeln breche, kann es mich meine Freiheit kosten.

Radikalität erwarte ich in der Arbeit, im Umgang mit Inhalten, nicht im Benehmen. Ich gebe nichts auf jene lustige Kreativen, die sich bunte Käppchen und schrille Brillen aufsetzen, um als „nonkonform“ und als „künstlerisch“ erkannt zu werden, die ihre Auftritte mit exaltiertem Verhalten würzen.

Weshalb? Weil ich im Lager jener stehe, die von Kunst zweierlei erwarten. Wahrnehmungserfahrungen und Erkenntnis. Das soll mir meine eigene Kunstpraxis bieten, das soll mir die Kunstrezeption bieten. (Ein kostümierter Kreativer mit schlechten Manieren bietet mir nichts davon.)

Beides hat Bedingungen und Folgen auch sozialer Natur. Diese Konsequenzen nehme ich auf mich, wo ich mit Konventionen kollidiere. Das kann natürlich zu einem Beitrag in Fragen des Erkenntnisgewinns werden und kann sich als nützlich erweisen, wo sich ein Gemeinwesen entwickelt. Es kann für mich freilich auch zu Rückschlägen führen.

So oder so, ich entscheide, welche Erfahrung ich machen möchte und welcher Preis mir dafür angemessen erscheint. Dazu fordere ich grundsätzlich, daß man in einer Demokratie alles denken und sagen darf. Wir haben bloß gute Gründe, weshalb man nicht alles via Medien verbreiten darf.

Das betrifft zwei wichtige Errungenschaften dieser Gesellschaft. Den Gewaltverzicht, der sich vor allem dadurch zeigt, daß wir dem Staat ein Gewaltmonopol übertragen haben. Und die Tugend, daß wir der Menschen Würde für unteilbar zu halten.

Wer auch immer dagegen anrennen, das ignorieren möchte, wird interessante Erfahrungen machen, welche Konsequenzen das haben kann. Sich dann etwa auf die „Freiheit der Kunst“ zu berufen wäre ein Mißbrauch dieses kulturellen Konzeptes.



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