Notiz 037: Mein Beruf#
(Mission Statement)#
von Martin KruscheMit 2020 ging mein auf 20 Jahre angelegtes Projekt „The Long Distance Howl“ in sein 18. Jahr. Was für markante Ereignisse, da ich diese Notiz im Lockdown zur aktuellen Corona-Pandemie verfasse. Während der 2010er Jahre war klar geworden, daß wir mitten in der Vierten Industriellen Revolution angekommen sind, was unter anderem bedeutet, die Beschleunigung unser aller Leben hat innerhalb meiner Biographie zwei industrielle Revolutionen untergebracht.
Es ist genau dieses Tempo aus rund 200 Jahren permanenter technischer Revolution, wodurch Covid-19 blitzartig um die Welt verteilt und dieses Virus zum Medium einer Seuche gemacht wurde. (Wir übersehen gerne, daß ein Virus aus eigener Kraft nicht vom Fleck kommt, sondern der Passagier umtriebiger Wesen ist.)
Wenn eine Krise zu Katastrophen führt, treten allerhand Ungereimtheiten schärfer ans Licht. Dabei wurde für uns unübersehbar, daß wir massive kulturpolitische Probleme haben. Die wurzeln teilweise in der Tatsache, daß wir öffentliche Diskurse zum Thema wenigstens während der letzten 20 Jahre stark vernachlässigt haben.
Daraus entstand unter anderem ein derzeit boomendes Problem aus den Tendenzen unseres Bildungsbürgertums, auf Bildung zunehmend zu verzichten und Kunst wie Kultur bloß noch als Manövriermasse einer Art Distinktionsmaschinerie zu sehen. (Manches Personal aus diesen Reihen hat auch keine Scheu, Kulturbudgets für Public Relations, Marketing und andere Zwecke zu kapern.)
So kam es, daß sich in der aktuellen Krisensituation nicht mehr verbergen läßt, wie in Politik und Verwaltung (bis hinauf zur Regierungsspitze) in Kategorien der Gründerzeit gedacht wird. Eine merkwürdige neue Bourgeoisie äußert sich in Begriffen und Kategorien des 19. Jahrhunderts, während wir uns im 21. befinden.
Dazu kommt, daß auch mein eigenes Metier in manchen Winkeln Feste des Obskurantismus feiert und daß allerhand fröhliche Kreative zur quasiromantischen Operettisierung des Metiers beitragen.
Also habe ich eine Notiz verfaßt, die den Titel „Mein Beruf“ trägt, denn es liegt vor allem an uns primären Kräften, nun zu sagen, was es ist. Davon ausgehend können wir uns auf nötige Debatten einlassen. In der Folge habe ich begonnen, auch andere Menschen um Beiträge zu bitten. Dieser Anspruch auf Definitionsmacht muß am Beginn der fälligen Diskurse stehen.
Ist dann mehr Klarheit und Evidenz geschaffen, können wir uns den anstehenden Debatten stellen. Aber um es ganz unverblümt und durchaus hemdsärmelig zusammenzufassen: Ich hab die Schnauze voll, daß eine neue Bourgeoisie, die auf uns herabsieht, unser Berufsfeld plündert und nebenbei als Bühne benutzt, um eigene Posen zu inszenieren. Zeit für Klartext!
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