Die Kreuzweg-Andacht#
(Ein Abend der Anregungen)#
von Martin KruscheDer Hochaltar im Osten des Kirchenschiffs ist mit einer imposanten Arbeit von Maler Patrik Hábl verdeckt. Zahlreiche Fenster lassen auch gegen Abend noch genug Licht herein, so daß man mit der Betrachtung des ganzen Ensembles einige Zeit verbringen kann.
Ganz anders das westliche Ende des Sakralbaus, wo Eingang und Empore vergleichsweise im Dunkel liegen, in dem die Silhouette der wuchtigen Orgel wie ein Haus auf fernen Klippen wirkt. Darin eine von warmem Licht erhellte Nische, als wäre es ein leuchtendes Fenster in der Nacht. Dort hat Organistin Maria Suntinger zu tun. Dazu kommt Anita Steiner mit ihrer Oboe.
Diese Situation entfaltete sich am 4. April 2025 zu einem komplexeren Gefüge, für das sich Menschen zur Kreuzwegandacht eingefunden hatten. Pfarrer Giovanni Prietl schritt die Stationen ab und benannte das jeweilige Motiv. Darauf antwortete Kammerschauspieler Franz-Robert Wagner mit einer Reihe von Texten, die er dazu verfaßt hatte.
Das ereignete sich als ein Wechselspiel zwischen den gesprochenen Worten und der Musik, bei der mich besonders erstaunt hat, wie Suntingers Mezzosopran im Duett mit der Oboe klingt. Das bedeutet, es teilte sich auch vieles außersprachlich mit.
Dann aber dieser spezielle Moment, wie jede Station mit einer Fürbitte abgeschlossen wurde. Dabei stellte Wagner einen Bezug her, der wie ein Brückenschlag zwischen dieser großen Erzählung – dem Kreuzweg – und dem Alltagsleben der Menschen vermittelt hat. Es geht ja allemal darum, daß unter uns Leidende sind, Betroffene auf vielfache Art.
Oft wäre manches Leiden schon gelindert, wenn sich Leute in der Umgebung nicht ratlos abwenden würden, sondern dafür sorgen könnten, daß Betroffene in ihrem Sosein unter ihnen bleiben könnten, ohne daß das für Unruhe sorgt. Sowas verlangt aber Kenntnis der Situation und ein Anerkennen ihrer Brisanz.
Auch in einem größeren Zusammenhang, das fiel mir auf, wäre es wohl nützlich, ab und zu konkret auszusprechen, was jemand für bedeutende Werte hält. Sie kennen ja sicher dieses oft schlampig dahingeplapperte „Werte des christlichen Abendlandes“. Und das war es dann schon? Welche Werte? Was genau?
Hier hab ich abends in vierzehn Varianten sehr ausdrücklich zu hören bekommen, wofür sich Menschen zuständig fühlen, was sie für beachtenswert halten. Ich vermute, dieses Aussprechen hilft dabei, sich dem Gesagten stärker zu verpflichten. Es ist ja selbstgewählt. Da sollte es nicht bloß bei den Worten bleiben.
Anschließend waren wir, das Archipel-Team, zu einer Fastensuppe geladen, die mich auf jeden Fall nicht hungrig bleiben ließ. Eine gute Gelegenheit für weiterführende Gespräche. Wir sind höchst unterschiedliche Charaktere, die da thematisch einige Schnittpunkte gefunden haben: „Was ist der Mensch?“ Sieht ganz so aus, also ob dieser Abend im Gleisdorfer Kulturgeschehen interessante Folgen haben wird.
- Kreuzweg (Startseite)
Sehen Sie dazu auch:#
- Die Gespräche: Was ist der Mensch? (Eine weiterführende Erörterung)
- Franz-Robert Wagner: Aber ich bin nicht allein (Gedanken: Wie kam es dazu, den Kreuzweg zu gehen.)
- Das Fastentuch ist von Patrik Hábl