Trail, Protokoll #9: Poietische Arbeit#
(Archipel Gleisdorf)#
von Martin KruscheIch hab im vorigen Protokoll der literarischen/künstlerischen Poesie eine Poesie des Mechanischen nicht gegenübergestellt, sondern zur Seite gestellt. Zwei große Bereiche, in denen jeweils verschiedene Genres zu finden sind, die menschliche Kultur geprägt haben.
Das sind zwei Felder, die ich für komplementär halte. Daher ist es für mich naheliegend, sie gemeinsam zu beachten, zu betrachten und zu bearbeiten. Ich hab schon erwähnt, ich verstehe Poesie im Sinn der ursprünglichen Wortbedeutung von „Poiesis“. Die poietische Arbeit dient dem Produzieren von etwas, das vorher noch nicht da war. (Es ist eine andere Kategorie, als das triviale Handeln zur Alltagsbewältigung.)
Das trifft auf den Umgang mit Gedichten und Gütern gleichermaßen zu: poietisches Arbeiten. Im literarisch/künstlerischen Bereich sehen Sie mich hier schon einige Zeit mit Fotograf Richard Mayr im permanenten Austausch. Überdies hab ich jüngst den „Trail: Lyrik“ (Archipel Gleisdorf) aufgemacht.
Der entfaltet sich aus einer Serie von dialogischen Situationen mit Autorin Eva Surma, Künstler Heinz Payer und Künstlerin Monika Lafer. Lafer ist wiederum seit Jahren meine Kooperationspartnerin im Bereich „Zeit.Raum“/“Konvergenzzone“.
Das Themenfeld „Poesie des Mechanischen“ habe ich eben im Gespräch mit dem Ingenieur und Piloten Bruce Pedersen eröffnet. Seine Kompetenzen haben einen ihrer Schwerpunkte in der EDV, womit er vertraut ist, seit noch mit analogen Computern zu arbeiten war; eine weit ältere Technologie als das, was wir heute benutzen.
Dazu kommt jetzt ein neuerliches Einvernehmen mit Franz Lukas, einem meisterlichen Handwerker, der mir schon zu einigen wichtigen Erfahrungen verholfen hat. Siehe dazu bei den weiterführenden Links: „Episode X: Stahl“ (Stunden der Wahrheit)!
Wie erwähnt, es geht mir darum, das Gemeinsame beider Felder zu erkunden. Das altgriechische Wort „téchne“ bezeichnete gleichermaßen Kunst und Kunstfertigkeit, das Wissen, das Können, also das Handwerk, die Kunst und die Wissenschaft.
Historische Wurzeln#
Poietisches Wissen oder Können teilen wir Kunstschaffenden mit den Leuten des Handwerks und mit jenen der Wissenschaft. Ich sortiere diese Zusammenhänge augenblicklich noch. So werde ich demnächst von Sophokles und seinem Stück „Philoktet“ erzählen, einer historischen Quelle für die Begrifflichkeit „Deus ex machina“. Das bezeichnet einerseits eine Autorität, die plötzlich auftaucht und Entscheidungen trifft, wo Menschen in Konfusion feststecken. Das bezeichnet andrerseits jene Theatermaschinerie (Bühnentechnik), mit der solche und andere Erscheinungen einst inszeniert wurden.In den Mythen Europas gilt übrigens Prometheus als der Begründer des Technischen. Hephaistos der Schmied sowie der Handwerker und Künstler Daedalus sind prominente Akteure des Genres. Außerdem wissen wir durch Ovid von der schönen Anaxarete, die einen Verehrer abgewiesen hat; und zwar auf eine Art, so hart wie „norisches Eisen“.
Damit bin ich bei der Steiermark, die einst zur römischen Provinz Noricum gehörte, deren Eisen Weltrang hatte. Eben das norische Eisen. (Das meint natürlich unter anderem unseren Erzberg.)
Ich habe außerdem betont, daß ich mich derzeit gegen KI-Anwendungen im Kunstbereich abgrenze. Richard Mayr und ich benutzen EDV-gestützte Systeme sehr umfassend für unsere Arbeit. Als Werkzeuge, nicht um Inhalte zu generieren. Ich will das im Augenblick gar nicht zu sehr vertiefen, sondern berufe mich im Moment auf Nick Cave.
Zitat: „ChatGPT rejects any notions of creative struggle, that our endeavours animate and nurture our lives giving them depth and meaning. It rejects that there is a collective, essential and unconscious human spirit underpinning our existence, connecting us all through our mutual striving. ChatGPT is fast-tracking the commodification of the human spirit by mechanising the imagination.“
Das entstammt einem Brief an „Dear Leon and Charlie,...“, den Sie im Web nachlesen oder sich vom fulminanten Stephen Fry vorlesen lassen können.
Ich hab übrigens kein Interesse an einer Schlacht zwischen verschiedenen Lagern. Mögen andere in der Sache tun, was ihnen beliebt. Ich bevorzuge es, mit meinen Leuten aktuell neu zu klären, welches Verhältnis wir als Kunstschaffende zu den gegenwärtigen Maschinensysdtemen pflegen wollen.
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Weiterführende Links#
- Trail: Lyrik (Archipel Gleisdorf)
- Episode X: Stahl (Stunden der Wahrheit)
- Die Mechanisierung der Welt (Übersicht)
- Prometheus (Eine Diskussionsleiste)