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Kremser Schmidt - Der österreichische Rembrandt - nur ein Essay#

Von Ernst Lanz

Martin Johann Schmidt / Kremser Schmidt, porträtiert von Paul Haubenstricker, Gemälde, 13,7 x 10,5 cm, 1778
Martin Johann Schmidt / Kremser Schmidt, porträtiert von Paul Haubenstricker, Gemälde, 13,7 x 10,5 cm, 1778; Österreichische Galerie / Belvedere Wien - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei - Hier blättert er in einem dicken Skizzenbuch und vergleicht offenbar ein für den Betrachter nicht sichtbares Bild
Eigentlich hieß er Martin Johann Schmidt. In fast jeder Kirche und Kunstsammlung entlang dem Donauraum gibt es Sakralgemälde aus seiner Hand.

Über 1100 und mehr Werke hinterließ er der Kunstwelt.
Aber auch Schüler in seinem Stil wirkten und bereiteten für Kunsthistoriker Probleme, was die Urheberschaft des Kremser Schmidt anlangte, verursachten.
Tatsache war, dass der damalige Klerus, mittels Mundpropaganda und beispielgebender Bildwerke genau wusste, ein Gemälde vom Kremser Schmidt bereicherte jedes Gotteshaus.
Im Gegensatz zu anderen Künstlern war er eher sesshaft. Sein künstlerischer Mittelpunkt spielte sich in Stein ab. Die Residenzstadt Wien als Auftragsgeberort schien er nicht gebraucht zu haben. Fast sein gesamtes Lebenswerk fand in Niederösterreich Platz.
Kaiser gingen und kamen.
Der Künstler erlebte fast ein ganzes Jahrhunderts des Wandels. In seinen Anfängen wurden barocke Klosterjuwele hochgezogen und sie brauchten Kunstwerke zur Ehre Gottes, und die konnte der Steiner Kunstmaler Kremser Schmidt erschaffen. Aber er erkannte auch, dass gegen Ende des 18. Jahrhunderts - Epoche der Aufklärung - seine klösterlichen Auftraggeber immer weniger wurden. Sein Stil erschien zwar altmodisch, aber diese Kunstauffassung überwand sogar den von ihm zu akzeptierenden Klassizismus.

An dieser Stelle sei angeführt, dass es in dieser Epoche noch einen Barockmaler mit dem Nachnamen Schmidt gab. Er hieß Johann Georg Schmidt und wurde, zwecks Unterscheidung "Wiener Schmidt" genannt. Geboren wurde er um 1685 in Böhmen und starb am 15. September 1748 in Krems (!). Johann Georg Schmidt wurde von Peter Strudel ausgebildet und von Martino Altomonte beeinflusst. Stets arbeitete er mit Baukünstler wie Johann Lucas von Hildebrandt zusammen. Vom Wiener Schmidt sind besonders in Niederösterreich und Wien etliche beeindruckende Hochaltarbilder sowie Deckengemälde erhalten (Stift Altenburg, Stift Klosterneuburg, Stift Lilienfeld und Stift Zwettl).
Johann Georg Schmidt, Wiener Schmidt: Martyrium des Heiligen Veit. St. Veit, Krems - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Johann Georg Schmidt, Wiener Schmidt: Martyrium des Heiligen Veit. St. Veit, Krems - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Leben und Werk#

In Grafenwörth (zwischen Krems und Tulln) kam er als Sohn des Bildhauers Johann Schmidt (1684-1761) und seiner Ehefrau Katharina, geb. Paumgartner (1688-1744; aus St. Pölten) zur Welt.

Johannes Schmidt war gebürtiger Deutscher. Er entstammte einer Fassbinderfamilie in Hessen. Weil dieser ein bedeutender Holzschnitzer war, holte ihn der Dürnsteiner Probst Hieronymus Übelbacher nach Habsburg-Österreich und gab ihm in Grafenwörth Quartier. 1725 übersiedelte Schmidt wegen der Figuren der Kaiserstiege im Stift Göttweig nach Stein an der Donau.

Dank seinem Vater lernte der junge Martin Johann frühe künstlerische Betätigung. In den damaligen Klöstern gab es Kunstsammlungen – darunter Stiche oder Drucke zeitgenössischer europäischer Kunstwerke von namhaften Künstlern. An ihnen studierte der angehende Künstler die wichtigsten Grundlagen künstlerischer Umsetzung.
Als er sieben Jahre alt war, übersiedelte die Familie von Grafenwörth nach Stein an der Donau. Der Vater hatte es nicht mehr so weit nach Dürnstein oder Göttweig. Es ist richtig anzunehmen, dass der junge talentierte Nachwuchskünstler von seinem Vater auf allen Gebieten ausgebildet wurde.
Wahrscheinlich gab es noch andere Vorbilder.
Um 1740 arbeitete er kurz gemeinsam mit seinem Lehrmeister Gottlieb Starmayr an den Wand- und Deckengemälden im Ratssaal von Retz (Weinviertel). Hier zeigte sich sein Interesse an mythologischen Themenkreisen. Danach folgten Lehr- und Wanderjahre. Die Kunstgeschichtsforschung vermutet einen Venedig-Aufenthalt um 1746. Aber das bleibt dahingestellt.
1743 schuf er Porträts und andere Bilder. Zumindest schuf er Bildnisse von politisch verantwortliche Lokalgrößen. Aber 1745 bekam er einen interessanten Auftrag durch das Stift Seitenstetten. Ein großes Bildnis Maria Theresias mit ihrem kleinen Sohn Erzherzog Joseph (nachmals Kaiser Joseph II.) in magyarischer Tracht. Der Abt des Stiftes Seitenstetten, Paul de Vitsch, begann Schmidt mittels Mundpropaganda bekannt zu machen.
Eine Begegnung mit dem Südtiroler Freskanten und Maler Paul Troger fand in Wien statt (1750). Einige Jahre später war Troger Rektor an der Akademie der bildenden Künste.
Erste Aufträge wurden ihm mithilfe der Akademie vermittelt. 1751: Für die Steiner Pfarrkirche St. Nikolaus schuf er ein dem Heiligen gewidmetes Seitenaltarbild. 1756: Für die Piaristenkirche Krems schuf er ein Marienbild für den Hochaltar. Damit verfestigte sich sein Ruf als Maler spezialisiert auf Andachts- und Heiligenbilder.
1752/53 schuf Martin Johann Schmidt ein beeindruckendes Selbstbildnis, das ihn als Künstler mit Malpalette vor der Staffelei zeigt (Graz, Alte Galerie, Universalmuseum Joanneum).

1753 reiste Maria Theresia durch die Donaustädte Krems und Stein. Schmidt malte aus diesem Anlass eine Apotheose für die Habsburgerin auf einer eigens errichteten Triumphpforte.
Die Epoche war gekennzeichnet von Kriegen: Zuerst der Österreichische Erbfolgekrieg und dann der Siebenjährige Krieg.
1758 heiratete Schmidt seine Elisabeth Müller und hatte mit ihr sieben Kinder. Von diesen erreichten nur drei das Erwachsenenalter.
Die Mutter des Kremser Schmidt starb 1744 und der Vater ging eine zweite Ehe ein und starb 1761.
1760 wurde Martin Johann Schmidt als „bürgerlicher Maler“ erwähnt und im Jahr darauf als „Mitglied des äußeren Rathes der Stadt Stein“ genannt. Das bedeutete politische Verantwortlichkeit. Er war schon angesehen [vom Beruf und Stand].
1764 traf er während eines Auftrages mit dem genialen Freskomaler Franz Anton Maulbertsch zusammen. Ein freundschaftliches Verhältnis begann.
1765 starben innerhalb von zehn Wochen drei seiner Kinder. Eine Tragödie, die sogar an die Lebensgeschichte Rembrandts erinnert.
1768 wurde er dank zweier eindrucksvoller Gemälde mit mythologische Inhalte in die Akademie der bildenden Künste in Wien aufgenommen. Und das obwohl er keinerlei akademische Vorbildung aufzuweisen hatte.
In den 1770er Jahren änderte sich Schmidts Stil: Die Farbe dominierte und das Kolorit uferte aus. Nun war seine Machart erst recht gefragt.
Drucke mit Werke eines Rembrandts inspirierten Schmidt zu ähnliche Werke. Meistens dominierte das Dunkle in seinem Gemälden, wodurch die Handlungsträger leuchtend herausragten. Kunsthistoriker sahen in ihm schon längst als „österreichischen Rembrandt“.
Seine wichtigsten Hauptwerke befinden sich in den Klöstern Seitenstetten, Göttweig, St. Paul im Lavanttal und St. Peter in Salzburg. In das Rom nördlich der Alpen wurden die Kremser-Schmidt-Gemälde auf den Wasserweg geschafft. 35 bedeutende Bildwerke bekam das Salzburger Benediktinerabtei aus Stein zugeschickt, angefangen von 1775 und endend 1801.
Johann Martin Schmidts Denkweise war von seinem arglosen und bedingungslosen Glauben beeinflusst. Seine tiefe Frömmigkeit brachte unnachahmliche sakrale Meisterwerke zuwege. Die damalige Gesellschaft - und wohl auch die heutige - fand sich von seinen Bildwerken angesprochen. Seine Manier wechselte im Laufe seines Künstlerlebens. Zuerst war der Inhalt wichtig, in Farbe, Form und Symbolsprache. In seinem Spätwerk waren die inneren Intentionen wichtiger geworden, was die emotionalen Natur des Themas hervorgehoben hatte. Manche Details seiner Gemälde – darunter auch mit brutale Gewaltszenen - wagten die Seele des religiös denkenden Menschen zu berühren.
Versteckte Kritik an der Gesellschaft - vor allem die Armut vieler Menschen im Barock - deutete der Künstler in manchen seiner Werke an.
Als Modelle setzte er Menschen aus völlig einfachen Verhältnissen ein. Er bevorzugte bestimmte Typen, fast markante Mitmenschen mit Charisma, deren Überlebenswille mühelos sichtbar war.
Sein Haus in der Steiner Straße 122 (damals Conscriptions Nr. 172) war auch Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Schmidt war keinesfalls der Künstler, welcher wie andere seiner Zunft die Abgeschiedenheit suchte, sondern Geselligkeit bevorzugte. Er sah auch die Missstände seiner Zeit. Das brachte er auch in Entwürfen oder Gemälden zum Ausdruck. Sein „bürgerliches“ Zuhause war nicht wenig Treffpunkt anderer Kunstliebhaber gewesen. Jedoch war es ein Kaiser, der ihn aufgesucht haben soll. Der Klosterstürmer Joseph II. Der Maler war wegen dessen kirchenfeindlicher Einstellung nicht begeistert gewesen. Später meinte er sachlich, Joseph II. war ein gottesfürchtiger Mann.
Schmidt war offenbar ein Mensch der Genüssen zugetan war. Manchmal musizierte er. Er spielte gern mit seiner Sackpfeife (Dudelsack) und erheiterte damit Familie und Freunde. Das Blasinstrument war in bäuerlichen Kreisen beliebt.
Seine immense Schaffenskraft wurde durch seine Malergehilfen und Schüler unterstützt. Er hatte die Zeit umfangreiche Entwürfe und Studien zu schaffen und seine Helfer richteten sich danach. Generell war es so, dass bereits im Entwurf die gesamte unnachahmliche Essenz des geistigen Denken des Künstlers Kremser Schmidt enthalten war. Es war nichts ungewöhnliches, wenn er Kupferstiche oder Radierungen aus anderer Hand als Vorlagen nützte. Sein Geschäftssinn brachte ihn dazu, von seinen wichtigsten Hauptwerken selbst Radierungen anzufertigen und sie gegen Erlös zu veräußern.
In der Zeit des Josephinismus kamen dem Kremser Schmidt manche geistliche Auftraggeber ab. Neuen Stilrichtungen wollte er nichts abgewinnen. Ganz im Gegenteil. Seine Machart ermöglichte eine Erneuerung des generellen Sakralbilds zum kontemplativen Andachtsbild, und das ist unwiederholbar geblieben. Bleibend für alle Zeiten. Wenn man sich so ein Bild ansieht, so entsteht das Gefühl, als ob mehr in diesem Sujet verborgen ist. Spirituell und überirdisch.
Andererseits widmete sich der älter gewordene Maler Szenen aus dem Alltag und phantasievoll ausgeschmückten mythologischen Stoffen. Die Welt der halbsterblichen und der Götter war damals offenbar kein Problem innerhalb der Gedankenwelt des Christentums. Allgemein ging es um die üblichen Probleme, die sonst Menschen zu schaffen machten. Betrachtungen über das Schöne und das Hässliche, Freude, Wonne und Traurigkeit, Liebe und Eifersucht, Rache und Krieg.
Er war ein vitaler Mann. Wenn er ein Thema gefunden hatte, setzte er es kompromisslos um. Bei unangemeldeten Besuchern entschuldigte er sich, er hätte noch zu arbeiten.
Fast siebzigjährig bestiegt er in der Pfarrkirche St. Veit in Krems Gerüste, um Fresken zu malen. Diese Technik konnte nur in der wärmeren Jahreszeit und in aufwendiger Verfertigung durchgeführt werden (1787).
Zu Lebzeiten war er dem Geheimnisvollen und Abstrakten so ziemlich nahegekommen. Seine späten Arbeiten wirken so, als ob ein in den besten Jahren stehender Künstler und Freigeist das geschaffen hätte. Sein Honorar hielt sich in Grenzen. Für ein Altarblatt verlangte er nur 1.000 Gulden, und darüber waren die Zeitgenossen verwundert, weil ansonsten Kunstmaler mehr verlangten. Aber dafür war der Kremser Schmidt und - seine Werkstatt - sehr produktiv. Seine Schüler wirkten auch später in seinem Stil. Allerdings entstand dadurch die Schwierigkeit, manche Sakralgemälde eindeutig Schmidt zuzuordnen. Die Kunstgeschichtsforschung begnügt sich mit einer Zuschreibung, damit kann man nichts zuschanden tun.
Seine Beisetzung fand am Steiner Friedhof statt. Allerdings wurde später an anderer Stelle ein Grabmonument errichtet.
Interessant: Seine beeindruckendsten Werke entstanden fast zeitgleich mit dem musikalischen Werk eines Mozarts.
Kremser Schmidts Geist lebt in seinen Gemälden, wenigen Fresken und Radierungen.


Bildteil#

Es ist hier nur eine lose Auswahl seiner Arbeiten angeführt. Eine Vielzahl an Gemälden und Entwürfen sowie Drucke - aber wenig Wandgemälde. Der Schwerpunkt läge bei den religiösen Andachtsbildern. Doch besaß der Kremser Schmidt auch eine eigenartige Stärke für mythologische und weltliche Themen, die er jedoch meisterhaft verwirklicht hatte. Einige wenige Porträts verraten seine Vorliebe die menschliche Seite darzulegen.
Ich will es mal so formulieren: Die Kunst des Kremser Schmidt ist bis heute ein Phänomen. Jedes Jahr erscheinen aus Privatbesitz in den Versteigerungshäusern einige exemplarische Bildwerke und erzielen noch immer gute Preise.

Kremser Schmidt schuf alle nur bekannten Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, und dazu die wichtigsten Ereignisse aus dem Leben jeweiliger bekannter Heiliger. Der Meister entwickelte neue Szenen für Altarbilder und schuf Studien und Entwürfe. Obwohl er in einer Epoche des gesellschaftlichen Umbruchs lebte achtete er darauf, dass die Sakralkunst als Genre erhalten blieb. Dazu interessierte ihn die visuelle Umsetzung von Begebenheiten aus der antiken Mythologie. Nebenher widmete er auch dem einfachen Leben des Volkes einige Bildwerke. Der Künstler blieb bodenverhaftet und benötigte keinerlei Ansätze aus der damaligen Führungsschicht der Monarchie Österreich. Hie und da, weil es Geld brachte, schuf er Porträts der Habsburger. Ein großformatiges Porträt zeigte Kaiserin Maria Theresia als Königin von Ungarn, und an ihrer Seite ihr Sohn Erzherzog Joseph. Mit der ehrlichen Nähe zum einfachen Volk wuchs auch Schmidts Vorliebe für Alltagsszenen jeglicher Art.


Weitere Abbildungen#


Quellen und Literatur#

(Auswahl)


Ernst Lanz 2022