Adam und Eva#
Die Bibel fängt mit zwei theologische Lehrerzählungen des Schöpfungsberichts aus verschiedenen Zeiten an: Das Buch Genesis beginnt mit der jüngeren Überlieferung aus dem Werk der Priesterschrift (Mitte des 6. vorchristlichen Jahrhunderts). Ab Gen 2,4 folgt die ältere Erzählung von der Menschenschöpfung aus der Jahwistischen Tradition, die im 10. vorchristlichen Jahrhundert entstand. Der priesterschriftliche Text formuliert sachlich: „Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich … Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie …“ (Gen 1, 26-27). In der Jahwistischen Variante heißt es: Gott formte zunächst den Menschen (Adam) aus Erde und blies ihm den Lebensatem ein. Dann sprach er: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt“ und schuf Eva aus seiner Rippe. Die Geschichte vom Sündenfall (Gen 3) erzählt, wie eine Schlange Eva Klugheit versprach und sie überredete, entgegen Gottes Verbot eine Frucht vom Baum der Erkenntnis zu pflücken. Nach deren Genuß erkannte das Paar, dass es nackt war und versteckte sich vor dem Schöpfer, der beide aus dem Garten Eden vertrieb.
Der Mythos von den Stammeltern und dem Sündenfall erfuhr durch apokryphe Evangelien und Legenden weitere Ausschmückung. Am bekanntesten ist die Überlieferung, dass es sich bei der verbotenen Frucht um einen Apfel gehandelt habe. Im (wahrscheinlich im 5. Jahrhundert n. Chr. entstandenen) Nikodemus-Evangelium heißt es: Adams Sohn Seth bat vor Adams Tod am Tor des Paradieses um ein Heilmittel für seinen Vater. Er erhielt einen Zweig vom Baum der Erkenntnis, den Seth auf das Grab seines inzwischen verstorbenen Vaters pflanzte. Aus dem Holz zimmerte man später das Kreuz Jesu. Nach anderen früh verbreiteten Legende befand sich Adams Grab auf Golgatha, durch das Erdbeben beim Kreuzestod Christi kam sein Schädel zum Vorschein. (Viele Darstellungen zeigen einen Totenkopf am Fuß des Kreuzes.)
Der Apostel Paulus stellte dem „alten“ den „neuen“ Menschen gegenüber. Im 5. Jahrhundert wurde Jesus zum positiven Gegenbild des „Erdlings“ Adam. Den Namen Eva deuteten die Theologen zum „Ave“ (Maria) um: „Maria hat uns wieder bracht, was Eva hat verloren.“ Das Gedächtnis von Adam und Eva wird am 24. Dezember - im Hinblick auf die Geburt Jesu als „zweiter Adam“ - begangen.
Seit dem Mittelalter ging Aufführungen des Weihnachtsspiels das Paradeisspiel voraus. Das Umzugsspiel stellte die Vertreibung aus dem Paradies (Gen 3) dar. Ein mit Äpfeln geschmückter Nadelbaum war der Baum der Erkenntnis. Allerdings verläuft keine direkte Verbindungslinie von diesem Brauchrequisit zum - mit Äpfeln oder roten Kugeln dekorierten - Christbaum. 1687 wunderte sich ein Reisender, der in Tirol ein solches Umzugsspiel sah: „... und setzte einen baum mit rothen früchten behangen mit in den weg und sich darneben. Nach ihm kam ein teufelgen geschlichen in gestalt eines crocodils, das legte sich an den baum an, wohin auch ein mädgen mit langen und zufeldte geschlagenen haaren kam ... daraus wir aber noch nicht klug werden konnten, dass es eine vorstellung der historie, da die schlange Evam verführet, seyn sollte.“ Ein Vierteljahrhundert jünger ist eine Schilderung aus Wien, wobei sich umherziehende Schauspieler in der Wohnung eines kranken Mannes so ungestüm benahmen, dass er sie "die Stiegen abzuprügeln" befahl. Aus dieser Schilderung geht hervor, dass Adam und Eva in Leinen gekleidet waren, der Teufel eine Kette und Gott Vater die Papstkrone mit dreifachem Kronreif (Tiara) trug.
Quellen:
Die Bibel, Altes und Neues Testament, Einheitsübersetzung. Freiburg/Br. 1980
Leopold Schmidt: Das deutsche Volksschauspiel. Berlin 1954. S. 41 f.
Bild:
Adam- und Eva-Spiel (Paradeisspiel). Aus: Kronprinzenwerk Steiermark, 1880
Siehe auch:
Adam und Eva bei der Arbeit
Adam- und-Eva-Spiel in: Verschwundene BräucheDas Buch der untergegangenen RitualeHelga Maria WolfBrandstätter VerlagWien2015