Brauchgebäcke #
Bräuche sind untrennbar mit gutem Essen verbunden. Das Zeitwort brauchen ist mit dem lateinischen Ausdruck für genießen (lat. frui) verwandt. Bei den großen Jahresfesten spielen Brauchgebäcke eine wichtige Rolle. Sie werden - meist aus Germteig - frei mit der Hand geformt (gebildet) und nicht in einem Model oder in einer Backform.Daher nannte man sie früher "Gebildbrot".
Den Begriff Gebildbrot prägte der deutsche Historiker und Volkskundler Ernst Ludwig Rochholz (1809-1892) im Sinne seiner Zeit, die geneigt war, hinter harmlosen Backwerken "kultische" Ursachen zu sehen. So sollten die Formen angeblich auf vorchristliche Speiseopfer zurückgehen. Das wurde auch in der NS-Zeit propagiert ("Germanische Sonnensymbole"), ist jedoch durch neuere Forschungen eindeutig widerlegt. Auch die Bezeichnung Gebildbrot wird wissenschaftlich nicht mehr verwendet und sollte vermieden werden.
Das 1974 erschienene Wörterbuch der deutschen Volkskunde zeigt sich gegenüber Meinungen der "Populärmythologen des 19. Jahrhunderts" kritisch, obwohl es diese ausführlich referiert. Eher müsse mit dem "persönlichen Bildnertrieb des Herstellers und mit Bäckerlaunen" oder den Erfordernissen des Backvorgangs (Durchlöcherung, Aufspaltung) gerechnet werden. Bei der Herstellung ist persönliche Phantasie gefragt, wie das Beispiel "Lenkrad" zum Führerscheinerhalt aus den 1980er Jahren zeigt. Kreative Bäckermeister haben oft regionale Spezialitäten erfunden, wie z.B. die "Himmelsleiter" im Bezirk Kirchdorf im südöstlichen OÖ. Das Spiralgebäck schenken Eltern ihren Kindern zu Allerheiligen statt der traditionellen Striezel. Ähnliches gibt es auch auf Niederösterreichischen Kirtagen, dann heißt es Kirtagsschlangerl.
Die meisten Brauchgebäcke bestehen aus Germteig, der seit dem 15. Jahrhundert nachweisbar ist. Um 1700 gab es Hefezüchtungen, die aber in erster Linie aber auf die Erfordernisse der Bierbrauer und Schnapsbrenner zielten und für die Bäcker wenig geeignet waren. Erst im 19. Jahrhundert stand durch neue Brauerei-Technologien ausreichend Backhefe zur Verfügung. Allein daraus führen sich die vorchristlich-kultischen Theorien ad absurdum.
Rezept#
Germteig für Brauchgebäcke:½ kg Mehl, 1 Säckchen Trockengerm, 1 Kaffeelöffel Salz, 4 Esslöffel Zucker, 10 dkg Butter, ¼ l Milch, 1 ½ Eier
Ernst Burgstaller (1906-2000) listete für den Volkskundeatlas die folgenden Brauchgebäcke auf:
- Fastenzeit: Fastenbreze, Palmbreze
- Ostern: Osterfleck, Osterstriezel, Osterkipfel, Osterbreze, Osterweihbrote
- Allerseelen: Allerseelenstriezel, Allerseelenzopfen
- Weihnachten: Kletzenbrot
Kipfel, das spitz zulaufende Weißgebäck, findet man im 12. Jahrhundert auf Abbildungen, im 13. Jahrhundert in Enenkels Fürstenbuch. Diese Belege zeigen, dass das halbmondförmige Kipfel nichts mit der Türkenbelagerung zu tun hat. Im 17. Jahrhundert machten die Mödlinger den Wiener Bäckern mit "krumpen Kipfel" Konkurrenz. Im 19. Jahrhundert waren süße Kipfe(l) das klassische Gebäck im Kaffeehaus. Godenkipfel, doppelte Martinikipfel, Kalvarienbergkipfel (bis 2016 produziert) oder Peregrinikipfel, die beträchtliche Größen erreichen, wurden und werden zu bestimmten Terminen gekauft.
Zu Allerheiligen schenkt man Striezel oder würfelt um diese (Striezelpaschen im Weinviertel, Niederösterreich).
Bei Brezeln gibt es süße zu Ostern, bekannter sind aber die Laugenbrezel. Diese waren seit dem Mittelalter eine typische Fastenspeise. Ihre Form soll auf die beim Beten verschränkten Arme der Mönche zurückgehen. Die Gegend Ecke Kramergasse-Lichtensteg, Wien 1, wurde 1391 als „Bretzeneck“ im Grundbuch erwähnt. Ein halbes Jahrhundert früher befand sich dort eine „Pretzenbanch“ als Verkaufsstelle. 1804 hieß es in einer Marktordnung: „Wenn zur Fastenzeit dem einen oder anderen Bäcker Bretzen zu backen gestattet wird, darf das nicht zu Lasten des Brotes gehen.“ Der "Bretzenbäck" im Brand'schen Kaufruf trägt einen großen, mit einem weißen Tuch ausgeschlagenen Korb auf dem Rücken, außerdem hält er einen Stab, auf dem mehr als ein Dutzend Brezel aufgesteckt sind.
Quellen:
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S. 257 f.
Felix Günther Chaloupek - Peter Eigner - Michael Wagner: Wien. Wirtschaftsgeschichte. Wien 1938. S. 1023 f.
Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Wien 1992-1997. Bd. 1/S. 461, Bd. 3/S. 511
Karl Zinnburg: Salzburger Volksbräuche. Salzburg 1972
Bilder:
Brauchgebäcke zu verschiedenen Festen, Fotos: Doris Wolf, 2012/2013
Siehe auch:
Heimatlexikon
Brauchgebäck in: Verschwundene BräucheDas Buch der untergegangenen RitualeHelga Maria WolfBrandstätter VerlagWien2015