Weihnachten#
Nach der vierwöchigen Vorbereitungszeit des Advent feiern 1,25 Milliarden Katholiken sowie Anglikaner, Protestanten und Anhänger einiger orthodoxer Kirchen das Fest der Geburt Christi und damit die Menschwerdung Gottes. Etwa ebenso viele Russisch-Orthodoxe, Serbisch-Orthodoxe, Kopten, Äthiopier und Armenier begehen es nach dem Julianischen Kalender am 6. Jänner.
Niemand weiß, wann Jesus geboren wurde. Dass man das Weihnachtsfest um die Wintersonnenwende feiert, scheint mit einer anthropologischen Konstante zusammen zu hängen: In der Zeit der langen Nächte sehnt man sich um so mehr nach der Sonne. Die Sonne, das Licht, ist überaus positiv, damit häufig mit der Gottheit gleich gesetzt. In der Antike feierten die Römer feierten um diese Zeit das Fest des unbesiegten Sonnengottes, Sol invictus. Als kirchlicher Feiertag ist der 25. Dezember seit 336 in Rom belegt. Christen nennen Jesus das "Licht, das aufstrahlt auf der Höhe", "die Sonne der Gerechtigkeit" etc. Diese Symbole finden sich schon bei den Propheten des Alten Testaments.
Im 13. Jahrhundert brachten die Wiener ihrem Herzog Schmuckstücke, Rinder, Brot und andere Geschenke zu Weihnachten. Im 14. Jahrhundert ließ die Stadt Wien dem Landesfürsten, seiner Frau und Beamten Gaben überreichen. 1418 bestanden die "Weihnachtskleinodien", damals Pflichtabgaben, aus vergoldeten Silberbechern. 1504 erhielt der österreichische Kanzler eine größere Geldsumme. Im 19. Jahrhundert sahen es Adelige und Wohlhabende als ihre Pflicht an, arme Kinder zu beschenken. Erzherzog Johann (1782-1859) äußerte sich kritisch zum Schenkbrauch, als er zu Weihnachten 1823 bei seinem Bruder Erzherzog Carl unter einem der ersten Wiener Christbäume kostbares Spielzeug für die Kinder sah. Er schrieb in sein Tagebuch:" Abends ging ich mit Bruder Ludwig zu Bruder Karl. Da es Heiliger Abend ist, so waren alle Kinder vereinigt und was von uns da ist, versammelt.... so verstimmt mich gleich die große Hitze durch die vielen Lichter. In früherer Zeit, als ich klein war, gab es ein Kripperl, welches beleuchtet war, dabei Zuckerwerk – sonst aber nichts. Nun ist kein Kripperl mehr! Wir sahen einen Christbaum mit vielem Zuckerwerk und Lichteln und ein ganzes Zimmer voll Spielereien aller Art und wahrlich manches sehr Schönes und Vieles, welches in wenigen Wochen zerschlagen, zertreten, verschleppt sein wird und welches gewiß tausend Gulden gekostet. … da wurde es mir fremd, ich fand mich so einsam und keinen frohen Blick konnte ich mehr machen. " 200 Jahre später ist Weihnachten zum wichtigsten Wirtschaftsimpuls für den Einzelhandel geworden.
Weihnachtsfeiern als besinnliches Familienfest mit dem Christkind und seinem Christbaum entstanden erst im Biedermeier. Zuvor brachte Sankt Nikolaus die, nicht so zahlreichen, Geschenke. Die Erwachsenen vertrieben sich die Zeit bis zur Christmette mit Orakeln, Kartenspiel und in den Gasthäusern.
2022 wollten Meinungsforscher wissen, woran ÖsterreicherInnen beim Wort "Weihnachten" denken. Traditionelle Elemente wurden selten genannt: Adventkalender (3%), Christkind (6%), am häufigsten war Familie (33 %), Kekse und Geschenke (18 %) sowie Einkaufsstress (16 %). Die Tageszeitung "Kurier" stellte einen statistischen Überblick vor: 90 % der Christbäume sind Nordmanntannen, der beliebteste Schmuck goldene, silberne und rote Kugeln, 10.000 Packerl (durchschnittlich sieben) werden verschenkt.
2023 verlief das Weihnachtsgeschäft für den österreichischen Handel nicht wie erhofft. Die Umsatzprognose von Handelsverband und WIFO für den österreichischen Einzelhandel ging von einem weihnachtsbedingten Dezember-Mehrumsatz von 1,25 Mrd. Euro netto aus (fast 200 Millionen Euro weniger als im Vorjahr.) Insgesamt wurde das Umsatzvolumen im Dezember 2023 vom WIFO auf 7,42 Mrd. Euro geschätzt (Vorjahr: 7,38 Mrd. Euro). Inflationsbereinigt entspricht das einem Minus von 3,6%. In einer Umfrage des Handelsverbands zeigten sich 40 % der heimischen Händler mit dem Weihnachtsgeschäft zufrieden, 60 Prozent, hingegen unzufrieden. Wesentlich positiver fällt hier die erste Trend-Bilanz der Uhren- und Schmuckbranche aus. Nur das Luxussegment der Juweliere war ein "Ausreisser nach oben": Zwei Drittel der Branche waren mit dem Weihnachtsgeschäft „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“. Aus kommerziellen Gründen dekorieren Wiener Geschäftsleute rund 30 Einkaufsstraßen mit Weihnachtsbeleuchtungen. Darunter waren 2022 Kohlmarkt, Annagasse, Graben, Kärntner Straße, Rotenturmstraße, Landstraßer Hauptstraße, Mariahilfer Straße, Hütteldorfer Straße.
Weihnachtsmärkte sind - wie Kirtage, Flohmärkte, Straßenfeste, Weihnachts-, Silvester- und Ostermärkte, "Gelegenheitsmärkte", vom Marktamt (MA 59) genehmigte Privatveranstaltungen. 2023 listete die Internetplattform www.stadt-wien.at (diese ist nicht der offizielle Internetauftritt der Stadt Wien) eine Reihe von Weihnachtsmärkten auf. Die ersten - Wiener Christkindlmarkt, Weihnachtsmarkt am Hof, Weihnachtsdorf Campus Altes AKH - öffneten am 10. November. Es folgten der Weihnachtsmarkt auf dem Stephansplatz, der Alt-Wiener Christkindlmarkt auf der Freyung, das Weihnachtsdorf auf dem Maria-Theresien-Platz, der Kunst- & Handwerksmarkt Karlsplatz, der Wintermarkt auf dem Riesenradplatz, der Kultur- und Weihnachtsmarkt Schloss Schönbrunn, der Weihnachtsmarkt im Türkenschanzpark, der Wintermarkt im Museumquartier, das Alm Advent Festival vor der Messe Wien, Weihnachtsmarkt und -Ausstellung in den Blumengärten Hirschstetten, Weihnachtsmarkt im Gartenpalais Liechtenstein, Urbaner Weihnachtsmarkt vor der Ottakringer Brauerei, Schloss Belvedere Weihnachtsdorf, Mittelalterlicher Adventmarkt hinter dem Heeresgeschichtlichen Museum, Adventmarkt in der Fußgängerzone Meidlinger Hauptstraße, Simmeringer Christkindlmarkt bei der Kirche am Enkplatz, Weihnachtsdorf im Schloss Neugebäude, Adventmarkt in der Fußgängerzone Favoriten, Adventmarkt Floridsdorf auf dem Franz Jonas Platz. Dazu kamen zahlreiche Adventmärkte in den Pfarren.
Eine wichtige Rolle, sowohl im kirchlichen wie im familiären Bereich, spielten die Weihnachtslieder, dessen bekanntestes wohl "Stille Nacht" ist und nun zum Immateriellen Kulturerbe der UNESCO zählt. Im Zentrum der religiösen Bräuche steht die Christmette. Ihr Name erinnert an die Matutin, das klösterliche Stundengebet um Mitternacht. Nach dem Vorbild der Osternacht zelebrierte man in der Heiligen Nacht zwischen 21 und 3 Uhr Gottesdienste. Einflussreiche Persönlichkeiten der Gegenreformation wie der Theologe, Dichter und Komponist David Gregor Corner (1585-1648) waren überzeugt, mit Musik und szenischen Darstellungen die katholischen Christen im Glauben zu stärken. Er veröffentlichte mehrere Gesangbücher, darunter 1648 die "Geistliche Nachtigal in Wien". Darin finden sich die überaus beliebten Hirtenmusiken zu Mette, wobei die mit Wasser gefüllten tönernen Nachtigallenpfeifen wie Vogelstimmen jubilierten. Den Aufklärer war die heitere Stimmung der Christmette ein Dorn im Auge, und sie wollten sie deshalb abschaffen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Gottesdienst auf 5 Uhr früh verlegt, seit 1823 darf die Mette in Wien wieder um Mitternacht beginnen. Aus pastoralen Gründen wird in jüngster Zeit früher oder am Nachmittag eine "Kindermette" gefeiert. Ein alter Brauch, das "Kindelwiegen", fand 2012 bis 2019 wieder in Klosterneuburg statt.
2021 verlangte die EU-Kommission, nicht mehr "Weihnachten" und "Maria und Josef" zu sagen, weil dies ür Nichtchristen diskriminierend sei. Der Glückwunsch "Frohe Weihnachten" sollte durch "Frohe Ferienzeit" ersetzt wrden, ie Namen durch "Malika und Julio".
Die in Österreich anerkannten Gemeinden der Ostkirchen - sie umfassen rund 490.000 Gläubige - feiern Weihnachten zu verschiedenen Terminen und mit unterschiedlichen Bräuchen. Zentral ist eine Göttliche Liturgie.
- In der Armenisch-apostolischen Kirche in Österreich beginnt das Fest der Geburt Jesu Christi am Vorabend des 6. Jänner, dem Dschrakaluytz Tag. Die Kirche verbindet Weihnachten mit der Erinnerung an die Taufe im Jordan am 6. Jänner, die Feierlichkeiten dauern bis 13. Jänner. Dann singen die Chöre in den armenischen Kirchen den fröhlichen Hymnus „Christus ist geboren und erschienen“.
- Griechisch-orientalische (=Orthodoxe) Kirche: Dazu zählen die griechisch-orientalische, die bulgarisch-orthodoxe, die rumänisch-griechisch-orientalische, die russisch-orthodoxe und die serbisch-griechisch-orientalische Kirchengemeinde. Die orthodoxen Kirchen von Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien, Rumänien, Bulgarien, Zypern, Griechenland, Albanien und Finnland feiern am 24. und 25. Dezember, die russisch- und die serbisch-orthodoxe Kirche erst im Jänner. Dazu kommt es wegen unterschiedlichen Kalendern in den Kirchen: 1923 hat ein Teil der orthodoxen Kirchen den gregorianischen Kalender angenommen und feiert seither gleichzeitig mit evangelischen und katholischen Kirchen, andere (wie die Äthiopier) behielten den julianischen Kalender bei, laut dem der 25. Dezember auf den 7. Jänner des gregorianischen Kalenders fällt.
- Kopten feiern Weihnachten am 29. Tag des Monats Khiakh, was dem 7. Jänner im gregorianischen Kalender entspricht. Am Abend des 6. Jänner werden mehrere Messen zelebriert, in denen durch musikalische Gestaltung und Beleuchtung eine besondere Atmosphäre entsteht. Die Symbolik des Lichtes spielt eine zentrale Rolle, da Jesus als Licht der Welt verstanden wird.
- Die syrisch-orthodoxe Kirche in Österreich begeht Weihnachten am 25. Dezember. Die Feierlichkeiten in der Kirche beginnen um 6.30 Uhr mit Choralgesängen. Es folgt eine mehrstündige Heilige Messe, bei der die Kinder im Mittelpunkt stehen.
Quellen:
Adolf Adam: Das Kirchenjahr mitfeiern. Freiburg/Br. 1979. S. 102 f.
Hans Förster: Weihnachten. Eine Spurensuche. Berlin 2003
Günter Stemberger (Hg): 2000 Jahre Christentum. Salzburg 1983. S. 166
Helga Maria Wolf: Das neue BrauchBuch. Wien 2000. S. 295 f.
CD Eberhard Kummer - Helga Maria Wolf: Lieder zur Leier und Wissenswertes von Weihnachten. Extraplatte
CD "Die geistliche Nachtigall", Clemencic Consort, 2001 (Arte Nova 74321 88508 2)
"OE 24", 22.11.2022, 5.1.2023, 7.12.2022
"Kurier", 20.12. 2022, 22.12.2022, 12.12.2022
Weihnachtsmärkte
2023
Juweliere
# Erzherzog Johann
Bild:
Weihnachten 1957, Foto: Alfred Wolf
Siehe auch:
Essay Weihnachtsbräuche