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Gasteiner Perchten #

Schönperchten im Salzburger Volkskundemuseum. Wikipedia, gemeinfrei, Foto: Helge Rieder

Der Umzug der Gasteiner Perchten, einer der ganz großen historischen Schönperchten-Läufe der Alpen fand 2011 Aufnahme in die UNESCO-Liste des österreichischen Immateriellen Kulturerbes. Die Gasteiner Ortschaften betreiben den Perchtenlauf (seit 1951) alle vier Jahre gemeinsam. Er geht zum Faschingsbeginn an zwei Terminen (1. und 6. Jänner) über 12 bis 16 Kilometer durch das ganze Tal. Die Akteure tragen hohe, mit Spiegeln verzierte, Kopfputze.

Verschiedene Figuren begleiten sie. Der „Bajazzl“ oder „Hanswurst“ gehört in eine Reihe europäischer Umzugs- und Karnevalsfiguren, die über 600 Jahre nachweisbar sind. Sie haben viele „Verwandte“ in europäischen Maskenumzügen wie in der italienischen Komödie. Weitere alte Figuren sind der Briefträger, der Rastlbinder,der Öltrager und der Scherenschleifer – jene Wanderhandwerker und Fernhändler die Waren, Kultur und Neuigkeiten über die Alpenpässe brachten. Jäger und Wilderer, Körblweib und Körblmandl treten mit den Zuschauern in Kontakt und üben soziale Kontrolle aus. Mit der Habergeiß, dem Baumwercher, dem Zapfenmandl und einigen teuflischen Schiachperchten stellen sie das alpine Erbe im Gasteiner Perchtenlauf dar. Gleichzeitig zeigen sie die Verwandtschaft mit den Tiroler Schellern und Schleichern, mit den Mullern und Matschgern. Bären und Bärentreiber lassen sich bis zu den Märkten und Schaustellern des Spätmittelalters zurückführen.

Die Tradition der Maskenbräuche im Land Salzburg beruht auf vielen Faktoren: die Lage an jenen großen Alpenpässen, die über Jahrhunderte die Transitrouten von Venedig bis Leipzig darstellten, das geistliche, reichsunmittelbare Fürstentum mit seinen religiösen Bräuchen und schließlich der frühe Tourismus im 19. Jahrhundert, der die Bräuche entdeckte.

Im 16. Jahrhundert erreichte eine Welle von Maskenumzügen aus den großen Handelszentren das Salzburger Gebiet. Die Feste des Adels, Handwerkertänze und Karnevalsumzüge schufen eine reiche Festkultur, die besonders von Nürnberg und von Venedig über ganz Europa ausstrahlte. Die Tafel- bzw. Spiegelperchten zeigen deutliche venezianische Einflüsse. Sie sind mit vielen Maskenläufen in Tirol und Südtirol, wie mit anderen europäischen Figuren verwandt.

Im 17. Jahrhundert waren kostümierte Paare bei adeligen wie ländlichen Maskenfesten zu finden. Zwischen 1664 und 1686 nahmen die „Maschkern und Faschingläuffern" im Bezirk Pongau zu. Dann ergingen Verbote gegen die weit verbreiteten, ausgelassenen Läufe. Besonders die Verleidung von Männern in Frauenkleidern wurde gerügt. Den Akteuren drohten harte Strafen, die jedoch kaum exekutiert werden konnten. Heute sind die Verbote eine wertvolle Quelle. Die Erzbischöfe als Landesherren sahen in den Bräuchen die Möglichkeit für "Unsittlichkeit", Zusammenrottungen der Bevölkerung, Aufstände gegen den strengen Regenten und die Verbreitung der evangelischen Religion.

1731 mussten knapp 700 von knapp 4000 Bewohnern und Bewohnerinnen Gastein wegen ihres evangelischen Glaubens verlassen. Der überwiegende Teil der Protestanten ging nach Ostpreußen, weitere nach South Carolina/USA. Die enteigneten Bauernhöfe wurden mit katholischen Unterinntaler Bauern besiedelt. Diese brachten ihre Tiroler Traditionen mit: Schon Kaiser Maximilian I. hatte für die Maskenfeste an seinem Innsbrucker Hof Kostüme aus Venedig und Augsburg angekauft. Im 18. Jahrhundert wurden immer wieder Verbote gegen das Perchtenlaufen erlassen. Im Aufgeklärten Absolutismus wollten Kaiser Joseph II. und Erzbischof Hieronymus Colloredo kirchliche wie weltliche Bräuche ganz verbieten, da sie zu viel Freizeit beanspruchten, zu hohe Kosten verursachten und für unzeitgemäßen Unfug gehalten wurden.

Im 19. Jahrhundert waren die Perchtenläufe fast ganz verschwunden. Als Kaiser Ferdinand 1837 das Gasteiner Tal besuchte, führte man ihm die Kötschachtaler Perchten als Attraktion vor, die ihn begeisterte. Es war die Zeit des aufkommenden Interesses für alles „Volkstümliche". Nach dem Vorbild von Jakob Grimm begann ab 1853 eine Umdeutung der Perchten zu nationalen deutschen Mythen, zu Geistern und Dämonen, die den Winter vertreiben und die Erde aufwecken sollten. (Solche Meinungen sind längst wissenschaftlich widerlegt, aber noch immer populär). Ab 1898 fanden wieder Perchtenläufe statt. Damals sollen im Pongau jeweils sechs "schöne Perchten" (inklusive Vor- und Nachpercht) in einem Aufzug gelaufen sein. Ihre "Perchtenkappen" liefen "in ein an 2–3 Meter hohes Rahmenwerk aus Holz" aus. Diese Kappen hatten einen Wert von je 600 Gulden. Seit der Wiederaufnahme wurden die Masken immer höher und größer, die Zahl der Läufer nahm zu. 1944 waren es 58 Masken, davon acht Kappenträger. 1998 zählte man 30 Kappenträger und rund 150 Mitwirkende. Um 1800 waren die Masken viel kleiner (30-40 cm). Man trug das Alltagsgewand oder einfache Kostüme. Die "Kappen" zierten Wachs- und Seidenblüten, venezianische Spiegel und Flinserln, Geweihe und ausgestopfte Wildtiere der Region. Heute messen die Tafelperchten fast zwei Meter, sind mit Plastikblumen dekoriert und wiegen zwischen 12 und 50 Kilogramm.


Quelle:
Ulrike Kammerhofer-Aggermann, Salzburger Landesinstitut für Volkskunde, Festrede zur Eröffnung des Perchtenheimes Bad Gastein am 24.6.2012
UNESCO

Bild:
Schönperchten im Salzburger Volkskundemuseum. Wikipedia, gemeinfrei, Foto: Helge Rieder


Siehe auch:
--> Heimatlexikon


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