Heiliges Grab#
Im Widerspruch zum Ernst und zur Kargheit der Liturgie am Karfreitag steht das "Heilige Grab" in seiner Pracht. Zur Zeit der Kreuzzüge entstanden überall in Europa Nachbildungen der Jerusalemer Grabkapelle. In der Barockzeit erlebten diese eine Hochblüte. In den Kirchen stellte man Nachbildungen des Felsengrabs auf, legte eine Holzfigur hinein und hielt die Grabwache. Oft war damit die Anbetung des Allerheiligsten verbunden. Zu Ostern bildete das Grab die Kulisse für die geistlichen Schauspiele der Auferstehung Christi.
Im Stephansdom lässt sich der Brauch schon um 1400 nachweisen. Das "Grab" war eine Holztruhe, deren Deckel Auferstehungsszenen darstellte. Die Schmalseiten zeigten die schlafenden Wächter. Wenn in der Osternachtsfeier der Deckel geöffnet wurde, erblickte man auf der Innenseite die Frauen und den Engel am leeren Grab. Manche Kirchen schufen jedes Jahr neue, effektvolle Dekorationen. In der Zwischenkriegszeit war der Besuch der Heiligen Gräber so beliebt, dass der geregelte Besuch kaum mehr möglich war. Einige Anlagen waren als Felsengrotten gestaltet, andere zeichneten sich durch üppigen Blumenschmuck und "zauberhafte Beleuchtung" aus. Diese erfolgte durch mit gefärbtem Wasser gefüllte "Schusterkugeln". (Bild siehe Karwoche). Junge Männer im Kostüm römischer Legionäre hielten die Ehrenwache. Kongregationen waren zum 40-stündigen Gebet anwesend.
In Pfunds, Tirol existiert seit 1511 existiert die „Heiliggrab-Bruderschaft“. Unabhängig von Kirche und Gemeinde hat sie sich die Pflege der Tradition des Aufstellens des Heiligen Grabes am Samstag vor dem Palmsonntag sowie die 24-stündige, ununterbrochene Anbetung des Allerheiligsten von Karfreitag bis Karsamstag zur Aufgabe gemacht. In der gotischen Liebfrauenkirche in Pfunds ist jedes Jahr eine der 12 Gruppen zu je 16 Männern für den Auf- und Abbau des Heiligen Grabes zuständig. Dieses besteht aus drei Kulissenbögen und mit farbiger Flüssigkeit gefüllten Glaskugeln für die Öllämpchen. Andere Gruppen übernehmen das Tragen des Baldachins, der Laternen und der Grabbrüderfahne bei der feierlichen Prozession. Die Grabbrüder finden sich von Karfreitag 15 Uhr bis Karsamstag 15 Uhr, stündlich abwechselnd, in der Kirche ein, um eine ununterbrochene Verehrung des Altarsakraments zu gewährleisten. Seit 2013 steht die Heiliggrab-Bruderschaft auf der UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes
Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurden viele Heilige Gräber nicht mehr aufgebaut. In den letzten Jahren erleben sie eine Renaissance.
Fotos: Doris Wolf, Karsamstag 2013
Vergleiche zeigen, wie sich die Dekoration bei traditionellen Einrichtungen verändert.
Fotos: Doris Wolf, Karsamstag 2015
Quelle:
J.E. Schlager: Wiener Skizzen aus dem Mittelalter. Wien 1836. S. 16 f.
UNESCO-Liste
Siehe auch:
Essays Passion und Emotion:
1 Kreuzwege
2 Kalvarienberge
3 Heiliges Grab