Kreis#
Kreis und Kreisschließung erscheinen in vielen Symbolen und Bräuchen, bei Bittgängen, Umritten, Heilungspraktiken. Der Kreis schützte nach außen, innerhalb des magischen Kreises wurden Geister beschworen, Orakel gestellt und Schätze gesucht. Populäre Praktiken knüpften an Rechtsbräuche an: Umkreisung bedeutete Besitzergreifung. Im Kreis gebannte Geister können nicht mehr schaden. Als Gürtel, Kette, Band oder Ring wird die Kreisform zum Schmuck oder Amulett. Reigentänze beschreiben die Kreisform. Wie in der Musik, wo die Intervalle als Abbild der göttlichen Ordnung galten, könnte es hier um Analogien zum Kosmos - Planetenbewegung, Lauf der Sonne - gehen. Die Zeit wird als "Jahreskreis" und "Lebenskreis" zyklisch gedacht.
Die Psychologin Ingrid Riedel schrieb: "Der Kreis als vollkommen in sich geschlossene Linie führt in sich selbst zurück, er umfängt, birgt, schützt. Die Kreisgestalt ist von einzigartiger Ganzheit." Sie zählt die Umarmung von Mutter und Kind zu den Ursprungserfahrungen, den Kreis zu den ältesten Bildern der Meditation. Sie meint, die ersten Behausungen könnten rund gewesen sein, wie die Iglus der Eskimos oder afrikanische Hütten, und verweist auf Sakralräume mit Kuppeln als Sinnbild der "heiligen Weisheit". Im Christentum versinnbildlichen konzentrische Kreise die Stufen der Schöpfung, wie bei Hildegard von Bingen (1098-1179). Die Symbolik des Kreises findet sich in gotischen Rosettenfenstern ebenso wie in indischen Mandalas.
Quellen:
Udo Becker: Herder Lexikon der Symbole. Freiburg/Br. 1992. S. 153
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S. 474
Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Berlin 1933/1987. Bd. 5/Sp. 462 f.
Ingrid Riedel: Formen. Zürich 1985. S. 89 f.
Bilder:
Rosettenfester der Kirche Neuberg an der Mürz (Steiermark). Foto: Alfred Wolf
Hildegard von Bingen: Liber divinorum operum („Buch der göttlichen Werke“). In ihrem dritten Buch beschreibt sie die Schöpfungsordnung nach der mittelalterlichen Mikrokosmos-Makrokosmos-Vorstellung. Aus Wikipedia, gemeinfrei