Schrift#
Die Erfindung der Schrift ist eine der wichtigsten Errungenschaften der Zivilisation. Alle Hochkulturen werden mit der Verwendung der Schrift in Verbindung gebracht. Die älteste Keilschrift fand man bei sumerischen Wirtschaftstexten aus dem 4. vorchristlichen Jahrtausend im heutigen Irak. Im 2. Jahrtausend v. Chr. schufen die Phönizier eine leicht erlernbare Alphabetschrift, die zunächst dem Handel zwischen den mediterranen Ländern zugute kam. Auf ihr basieren, nach vielen Wandlungen, die griechischen und römischen Alphabete.
Bei gedruckten Schriften unterscheidet man Fraktur ("gebrochene Schrift"), Antiqua (lat. antiquus - alt) mit Vorbildern aus der römischen Antike, glatte (serifenlose) Grotesk-Schriften, sowie Schreib- und Zierschriften. Seit Mitte des 15. Jahrhunderts der Buchdruck mit beweglichen Lettern erfunden wurde, entstand der Beruf des Schriftsetzers. Er fügte die einzelnen Bleibuchstaben zeilenweise in einem Winkelhaken aneinander. Die Buchdruckerkunst
beendete die Tätigkeit der berufsmäßigen Kopisten. Später pflegten die Bürger die Handschrift als Bildungsgut und Schreibmeister unterrichteten Schönschreiben (Kalligraphie). Im 19. Jahrhundert wurde das Bemühen um elegante Schriftformen, durch Reformatoren des Kunsthandwerks angeregt, zum Unterrichtsthema in Fach- und Kunstgewerbeschulen. Beim Schreiben mit der Hand fand überwiegend die Kurrentschrift (deutsche Schreibschrift) analog zur gedruckten Fraktur Verwendung. Die "Lateinschrift" diente zur Hervorhebung von Fremdworten. Seit 1995 gilt die vereinfachte neue österreichische Schulschrift.
Die Form der Handschrift wurde von den Schreibgeräten beeinflusst. Schüler lernten zuerst mit Kreide auf kleinen Tafeln, dann mit Tinte und Federkiel schreiben. Nach 1830 setzten sich, von England ausgehend, die spitzen Stahlfedern durch. Die älteste erhaltene Füllfeder mit Tintentank stammt aus dem 18. Jahrhundert, um 1880 begann in Amerika die Herstellung als Massenprodukt. Der Kugelschreiber wurde 1938 in Budapest (Ungarn) patentiert.
Lange Zeit war die Kenntnis des Schreibens und Lesens wenigen Gelehrten vorbehalten. Die vielen, die es nicht beherrschten, standen dem geschriebenen, später gedruckten, Wort misstrauisch gegenüber. Sie belegten es nicht selten mit magischer Bedeutung, wie handgeschriebene Amulette zeigen. Dabei verwendete man Geheimschriften, die z.B. Vokale durch Zahlen ersetzten.
Als Schriftsprache (Hochsprache) bezeichnet man seit dem 18. Jahrhundert die Sprache der Literatur und des gedruckten Wortes, der kirchlichen und weltlichen Ämter, Schule und Wissenschaft. Anders als die Mundart ("Volkssprache", Dialekt) unterliegt sie orthographischen Regeln.
Quellen:
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S. 713 f.
Schrift-Museum
Bild:
Rituale Viennense, Wien 1774, in klassischer Typographie (Antiqua) gesetzt
Siehe auch:
Rezension "Forte"
Rezension Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz