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Stadtentwicklung Wien#

Bis in das Hochmittelalter war Wien großteils aus Holz gebaut und dementsprechend feuergefährdet. Nur wenige Häuser wohlhabender Händler und Bürger waren aus Stein, ebenso wie Adelssitze und kirchliche Bauten. Wegen der hohen Transportkosten brach man Sandstein in der Nähe, im Wienerwald, wie es schon die Römer getan hatten.

Der älteste Stadtplan Wiens, und einer der ältesten Europas, ist der so genannte Albertinische. Er entstand um 1422 und zeigt eine Mischung von Grundriss und Aufriss. Man erkennt den Mauerring, die Hofburg, Kirchen und Klöster, die Universität sowie das "Paradeys", einen landesfürstlichen Lustgarten. Bei dem gesüdeten Plan mit der Bezeichnung "Das ist die stat Wien" und Maßstab sind die Wasserläufe Donau (dunaw), Wienfluss und Alsbach angegeben.

Seit dem 16. Jahrhundert wurde die am Rand der damaligen Stadt gelegene Babenbergerburg (Am Hof) zum Ausgangspunkt einer Entwicklung, die Hans Bobek und Elisabeth Lichtenberger als "Umwandlung der gotischen Bürgerstadt zur barocken Residenz" charakterisieren. Die prunkvolle Hofhaltung der Habsburger zog Adelige aus der ganzen Monarchie in die Stadt. Dazu kam die gegenreformatorische Klosteroffensive, deren Bauten das Stadtbild repräsentativ beeinflussten. So zeigt die Perspektivansicht von Jakob Hoefnagel von 1609 den Wandel von schmalen, gotischen Giebelhäusern, wie sie traditionell Bürger und Handwerker besaßen, zu repräsentativen Renaissancebauten mit breiter Fassade. Ihre Bauherren gehörten zumeist der neuen adeligen Oberschicht an.

Nach der 2. Osmanischen Belagerung 1683 erreichte die Residenzstadt ihre wirtschaftliche Blütezeit. Im Schutz des 1704 errichteten Linienwalls (im Verlauf der Gürtelstraße) entwickelten sich die Vorstädte. Grundherren waren meist Adelige oder Klöster, die ihre Besitzungen parzellierten und den Untertanen zu günstigen Bedingungen als Baugrund überließen.

Im Hochbarock (1683 - ca. 1770) verdoppelte sich die Einwohneranzahl Wiens von 80.000 auf 160.000. Man könnte sagen, dass die Stadt in diesem knappen Jahrhundert "Vom Bauen und für das Bauen lebte". Während in der Altstadt barocke Palais, Miethäuser, Kirchen und Klöster entstanden, wurden die zuvor dort ansässigen Gewerbetreibenden in die Vorstädte gedrängt. Auch viele Zuwanderer siedelten sich dort an, sodass anno 1779 bereits dreimal so viele Häuser (3832) in den Vorstädten standen, wie in der Inneren Stadt.

Die Aristokraten beauftragten Palais, um die sie Parks anlegen ließen. Ansatzweise kann man das im 4. Bezirk - z. B. beim Belvedere und Schwarzenbergpalais - nachvollziehen. Das nahe Palais Schönburg-Starhemberg, ein Werk Johann Lucas von Hildebrandts, mit seinem 15000 m² großen Garten wurde nach jahrzehntelangem Verfall vor einigen Jahren revitalisiert. Ein weiteres, besonders repräsentatives Beispiel ist das Gartenpalais Liechtenstein im 9. Bezirk. Im Zuge der Revitalisierung als Liechtensteinmuseum (2004) wurde der Park in Anlehnung an die barocke Anlage wieder hergestellt und ist nun öffentlich zugänglich.

Fuhrwerkerhaus

Der Grundtyp des barocken Vorstadthauses hatte straßenseitig 6-7 Fensterachsen, 1-2 Geschoße und eine Einfahrtstorhalle in der Mitte. Den tiefen Hofraum säumten schmale, ebenerdige Bauten, in denen Werkstätten, Ställe und die Kleinwohnungen der Handwerker, Gesellen und Arbeiter untergebracht waren. In den ehemaligen Vororten haben sich Weinhauerhäuser (Heurige) oder sog. Fuhrwerkerhäuser erhalten. Sie stehen traufseitig zur Straße und haben eine breite Einfahrt. An den von den Seitentrakten gebildeten Hof schließt oft ein Garten an.


Im Manufakturzeitalter (1770-1840) wuchs die Stadt weiter, sie hatte schließlich 440.000 Einwohner. Während die große Zeit der Adelspaläste zu Ende ging (viele Aristokraten hatten sich verschuldet), stieg die neue Schicht der Großbürger auf. Dazu zählten Fabrikanten (Fabrik nannte man einen Betrieb, der nicht dem Zunftzwang unterlag), Bankiers, Großhändler und hohe Beamte. Zur Zeit der Aufklärung und des Vormärz/Biedermeier baute man einfache Bürger- und Miethäuser entlang neu angelegter Straßenzüge. Als Typus entstanden Großwohnhäuser, wie das Schubladenhaus neben dem Schottenkloster auf der Freyung. Sie enthielten mehrere gleichartige Wohnungen pro Stockwerk. In den oberen Geschoßen nahm die Zahl der Wohnungen zu, deren Anzahl der Räume, Größe und Höhe jedoch ab.

Franzenstor

Bis zum Bau der Ringstraße war Wien von der Stadtmauer umgeben. Die Gründerzeit war die bis dahin bedeutendste Bauperiode Wiens. In drei Perioden unterteilt, wird sie zwischen 1840 und 1918 angesetzt. 1850 erfolgte die Eingemeindung der Vorstädte, wodurch sich die Fläche Wiens von 360 ha auf 5.540 ha vergrößerte. Mitte des 19. Jahrhunderts stieg Wien zur Weltstadt auf. Um 1910 überschritt die Einwohnerzahl in der Inneren Stadt, den ehemaligen 34 Vorstädten und den zunehmend mehr besiedelten Vororten die Zweimillionengrenze. 1869 hatten nur rund 45 % der unselbstständig Beschäftigten eine eigene Wohnung, 13,3 % waren Untermieter, 18,9 % Bettgeher und 22,9 % wohnten beim Unternehmer. Die Eingemeindung der Vororte in den 1890er Jahren führte zu einer Ausdehnung auf 17.812 ha. In den Vorstädten und in der Inneren Stadt wurden ¾ des vorhandenen Baubestands abgerissen und erneuert. Kapitalstarke Baugesellschaften profitierten vom Wohnungsbau und nützten die - seit 1859 bestehende - Bauordnung bis zum Äußersten aus.

Die typischen Bauformen der Frühgründerzeit (ca. 1840-1870) knüpfen an jene des Klassizismus-Biedermeier an: z.B. Großer Wohnhof (Mölkerhof, Wien 8). Die Anlage gruppiert sich um drei große Höfe und umfasst in vier Geschoßen 155 Wohnungen - je drei in einem Stockwerk. Meist sind es Mittelwohnungen für Beamte, Offiziere etc. Hingegen hat ein vorstädtisches Stutzflügelhaus nicht mehr als 20 Wohneinheiten. Es besteht aus der Hausherrenwohnung und mehreren Klein- bzw. Mittelwohnungen (Zimmer, Küche, Kabinett, ev. Vorzimmer). Im vorstädtischen, mehrgeschoßigen Stutzflügelhaus befanden sich Mittelwohnungen im Straßentrakt, Kleinwohnungen in den Seitentrakten. Die Aufschließung erfolgte durch einen Gang (nicht mehr über offene oder verglaste Pawlatschen). In den Vororten fanden in den kleinen Eigenhäusern der Handwerker oder Milchmeier auch die Produktionsstätten Platz.

Die schachbrettartige Verbauung der Hochgründerzeit (ca. 1870-1890) ist vor allem auf die Baugesellschaften zurückzuführen. Besonders in den Jahren vor der Weltausstellung 1873 entstanden - nach normierten Bautypen - Miethäuser für den Mittelstand und für Arbeiter (Bassenatyp), deren Fassade ähnlich erscheint. Bei Bauten auf den breiten und tiefen Parzellen zeigt sich die differenzierte Wohnungsstruktur zwischen Vorder- und Hintertrakt. Hohe Hintertrakte verdrängten die Hausgärten. Straßenseitig erfolgte der Zugang vom Stiegenhaus (Pawlatschen waren nicht mehr erlaubt) - hinten über lange Korridore. Vorne gab es Wasser und WC in der Wohnung, im Hintertrakt Bassena (Wasserauslauf) und WC zur gemeinsamen Nutzung mehrerer Parteien am Gang. Klagen über schlechte Wohnverhältnisse ziehen sich als roter Faden durch die Schriften der Gründerzeit. Das Wirtshaus Beisl wurde zum Hauptaufenthaltsort der Männer. 1/3 bis die Hälfte der Mieter wurden gekündigt, weil sie den Zins nicht zahlen konnten. In Favoriten wechselte die Hälfte der Bevölkerung jährlich die Wohnung. Im Anschluss an Industriebetriebe entstanden Werkswohnungen. Die Klein- und Kleinstwohnungen in diesen Rohziegelbauten entsprachen jenen im Arbeitermiethaus. Hohen Standard boten hingegen neue Bautypen: in den Vororten die großbürgerliche Villa bzw. Mietvilla (Cottage Währing ab 1873), in der Stadt das Ringstraßenpalais als Nobelmiethaus mit Herrschaftswohnungen. Bei den beiden letzteren finden sich die Namen bekannter Architekten, wie Heinrich Ferstel oder Friedrich Schmidt.

In die Spätgründerzeit (1890-1918) fällt die Eingemeindung der Vororte (außerhalb des Gürtels). Auf bisher ländlichem Gebiet entstanden die Rasterviertel aus den berüchtigten Zinshäusern mit Substandardwohnungen. Die Bevölkerungszahl stieg zwischen 1890 und 1918 von 1,342.000 auf 2,238.000. In großen Stiftungshäusern (z.B. Volkswohnungen der Kaiser-Franz-Josef-Jubiläumsstiftung "Lobmeyerhof", Wien 16, Roseggergasse 1-7) kam es um die Jahrhundertwende zu Verbesserungen. So erhielten nun auch die Arbeiterwohnungen Fließwasser. Als neuer vornehmer Bautyp erschien der Straßenhof, bei dem die Straßenfront durch eine kurze, oft mit einem Gittertor abgeschlossene Privatstraße eingebuchtet und verlängert ist.

Im Handschreiben vom 20. Dezember 1857 ordnete Kaiser Franz Joseph die Schleifung der alten Befestigung an. Schon vier Jahre zuvor hatte im 9. Bezirk zwischen Währinger Straße, Berggasse und Rossauer Lände mit Neu-Wien der "Probegalopp" begonnen. (Palais Weiss-Wellenstein, Wasagasse 2) Ab 1858 entstand die Ringstraße mit repräsentativen öffentlichen Gebäuden und Wohnpalais. Im Osten ergänzt der Kai am Donaukanal den "Ring" um die Stadt. Für dessen Verbauung wurde ein internationaler Wettbewerb ausgeschrieben. Die Siegerprojekte stammten von Ludwig Christian Friedrich Förster, August Sicard von Sicardsburg, Eduard van der Nüll und F. Stache. Die Ringstraße ist 6,5 km lang, 57 m breit, hat 2 Alleen und wurde am 1. 5. 1865 eröffnet. Das erste Gebäude in der Ringstraßenzone war, etwas abseits gelegen, die Votivkirche. Die zwischen 1869 und 1888 fertig gestellten Monumentalbauten entlang der Ringstraße stammen von Sicard von Sicardsburg und van der Nüll (Staatsoper), Gottfried Semper und Carl Hasenauer (Naturhistorisches und Kunsthistorisches Museum, Burgtheater und die Neue Burg), Heinrich Ferstel (Votivkirche, Universität, Museum und Akademie für angewandte Kunst) und Theophil Hansen (Börse, Parlament, Akademie der bildenden Künste). Die Finanzierung dieser Bauten erfolgte größtenteils aus dem Erlös des Verkaufs von Fortifikations- und Glacisgründen. Zwischen den Gebäuden liegen Burggarten, Volksgarten, Rathauspark und Stadtpark. Parallel dazu wurde am Außenrand des seinerzeitigen Glacis für den Schwerverkehr die Lastenstraße (Zweierlinie) angelegt. Bahnhöfe, die Donauregulierung und Kirchenbauten (neogotische Sichtziegelbauten) sind ebenfalls prägend für die Änderungen des Stadtbilds in der Gründerzeit. Unter Bürgermeister Karl Lueger (1844-1910, Bgm. ab 1897) entstand die großstädtische Infrastruktur (2. HQL, Kommunalisierung der Gas- und Stromversorgung und Straßenbahn, Vorsorgungsheim Lainz, Psychiatrisches KH Steinhof, Zentralfriedhof). Anfang des 20. Jahrhunderts kamen Floridsdorf (1904) sowie Strebersdorf und Mauer (1910) zu Wien, das nun 27.805 ha umfasste.

Karl-Marx-Hof

Im 20. Jahrhundert setzte nach dem 1. Weltkrieg der Wohnungsbau der sozialdemokratischen Stadtverwaltung ein. In den Großwohnanlagen des Roten Wien entstanden Kleinstwohnungen für die einkommensschwache Unterschicht. Hingegen kam die private Wohnbautätigkeit durch das Mieterschutzgesetz von 1922 zum Erliegen. 1923 beschloss der Gemeinderat erstmals ein 5-jähriges Bauprogramm zur Errichtung von 25.000 Wohnungen aus den Mitteln der neu eingeführten Wohnbausteuer. Bis 1934 entstanden rund 64.000 Gemeindewohnungen, 1954 wurde der Grundstein für die 100.000. Die Gemeindebauten der Zwischenkriegszeit schlossen in erster Linie an die Arbeiterviertel der Gründerzeit an (Favoriten, Simmering, Brigittenau, Floridsdorf, Meidling, Ottakring). Von den 371 kommunalen Volkswohnhäusern hatten 131 bis zu 50 Wohnungen, 171 bis 200 Wohnungen, 73 umfassten 201 bis 1000, und 7 mehr als 1000 Wohnungen. Die 3-5-stöckigen Anlagen erinnern an Burgen, besonders die ganz großen wie der Sandleitenhof in Ottakring mit 1587 oder der 1 km lange Karl-Marx-Hof in Heiligenstadt mit 1325 Wohnungen. Die sachliche und monumentale Gliederung ist auch Ausdruck des politischen Machtbewusstseins. In den Anlagen befinden sich Gemeinschaftseinrichtungen, Grünanlagen und "Kunst am Bau". Gegenüber den Arbeitermiethäusern der Gründerzeit hatten die Gemeindebauten Vorteile (keine langen Korridore, direkte Belichtung und Belüftung aller Wohnräume, Vorzimmer, Wasser - aber kein Badezimmer - und WC). Allerdings waren die Wohnungen sehr klein. 75 % hatten nur 38 m² mit Vorraum, WC, Wohnküche und Zimmer; nur ein Viertel besaß ein zusätzliches Schlafzimmer.

1932 entwarfen Josef Frank und 30 Architekten 70 Musterhäuser für die Werkbundsiedlung am westlichen Stadtrand. Namhafte InnenarchitektInnen und Einrichtungshäuser sorgten für die passende Möblierung. Die Planer verstanden ihr Modell einer Siedlung im Grünen als Alternative zu den Superblocks des Roten Wien. 100.000 Besucher sahen sich die größte Bauausstellung Europas an, danach sollten die Häuser verkauft werden. Das gelang aber nur bei den wenigsten, und die Gemeinde Wien übernahm die Siedlung. Genossenschaften bauten vor dem 2. Weltkrieg - meist zweigeschossige - Reihenhaussiedlungen, wobei sie für eine Familie durchschnittlich 60 m² berechneten. Daneben entstanden private Siedlungshäuser und "wilde Siedlungen", die den Vorschriften nicht entsprachen.

1938 wurden 98 niederösterreichische Gemeinden ein- und 1954 davon 80 wieder ausgegliedert. Die Fläche von Groß-Wien lag bei 121.541 ha, 2019 beträgt sie 41.4897 ha.

In der Nachkriegszeit nahm die Gemeinde Wien Bautätigkeit wieder auf. Das Matzleinsdorfer Hochhaus (Wien 5, Matzleinsdorfer Platz) war das erste Gemeindehochhaus Wiens. 1956 wurde die 50.000. Wohnung nach Kriegsende übergeben. Vorwiegend entstanden Großanlagen am Stadtrand. Die jährliche Bauleistung lag bei 9.000 Wohnungen. Ab den 1960er Jahren kamen Fertigteil- und Montagebauten zur Anwendung. Nachdem der dringendste Bedarf gedeckt war, setzte die Gemeinde Wien seit den 1970er Jahren mehr auf Qualität als auf Quantität. In den 1980er Jahren wurden Künstler als Planer eingeladen. So entstand 1983-1985 Friedensreich Hundertwassers "Bio-Burg" Ecke Löwengasse-Kegelgasse in Wien 3. 2017 das Wohnbauprogramm Gemeindebau neu.

2023 bestand fast die Hälfte des Stadtgebiets (49%) aus Grünland und Gewässern. Ende 2023 überschritt die Bevölkerungszahl die Zweimillionengrenze. 2022 lebten in Wien 1.982.097 Personen: 48,9 % Männer und 51,1 % Frauen. Sie wohnten zu 28 % in Privatmiete, 24 % öffentlichen (meist Gemeinde-)bauten, 21 % Eigentums-, 14 % Genossenschaftswohnungen.


Quelle:
Hans Bobek - Elisabeth Lichtenberger: Wien. Bauliche Gestalt und Entwicklung seit der Mitte des 19. Jh. Wien - Köln 1978
Helga Maria Wolf: Sehnsucht nach dem Alten Wien. Wien 2014
Peter Autengruber, Ursula Schwarz: Lexikon der Wiener Gemeindebauten. Wien 2012
Wien in Zahlen

Bilder:
Ehemaliges Fuhrwerkerhaus "Zum roten Löwen", Wien 18. Foto: Helga Maria Wolf
Franzenstor. Foto: Josef Mutterer, um 1860
Karl-Marx-Hof, Wien 19, Foto: Doris Wolf, 2013


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