Würstelstand#
Der Würstelstand ist die Wiener Variante einer Imbisshütte. Die meisten haben bis spät in die Nacht geöffnet. Das Standardangebot umfasst Frankfurter, Debreziner, Käsekrainer, Burenwurst und Leberkäse. Als Beilagen zur Wurst gibt es Brot, Senf, Kren, Zwiebel oder Essiggurkerl. Auch alkoholische und Erfrischungs-Getränke sind zu haben. Würstelstände zählen zu den freien Gastgewerben und zur "Außengastronomie", die im Freien in einem offenen oder halboffenen Bereich ausgeübt wird. Dazu zählen öffentliche Flächen, wie Gehsteige oder Parks. Es ist keine Baugenehmigung nötig, jedoch überprüft die Abteilung Architektur und Stadtgestaltung das äußere Erscheinungsbild. Die Gestaltung muss in das örtliche Stadtbild passen was besonders für Wien von Bedeutung ist. Im Hinblick auf die Öffnungszeiten unterscheiden sich Würstelstände von sonstigen Gastronomiebetrieben. Sie dürfen von 7 bis 4 Uhr offen halten (sonst 5 bis 24 Uhr).
Vorläufer der Wiener Würstelstände waren die Bratelbrater, die zu Marktzeiten und bei Kirchweihfesten in kleinen Öfen Würste brieten. 1649 bestätigte der Wiener Magistrat ihre Bruderschaft. Um 1800 traten die Bratelbrater der Vereinigung der Selcher bei und betrieben bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ihr Gewerbe. Durch den gemeinsamen Verzehr entwickelte sich eine Art Subkultur, die sich auch in Insiderbezeichnungen für die Waren spiegelte. "A klasse Haasse" nennt man besonders wohlschmeckende Würstel, wie die paarweise abgegebenen "Frankfurter". Auf seiner Gesellenwanderung kam der Fleischhauer Johann Georg Lahner (1772-1845) 1798 nach Wien. Nach sechs Jahren eröffnete er ein eigenes Geschäft in der Vorstadt Schottenfeld (Wien 7). 1843 erwarb er das Wiener Bürgerrecht. Lahner gilt als Erfinder der Würstel, die er in Erinnerung an seine Lehrzeit "Frankfurter" nannte, und die in Deutschland "Wiener" heißen. Die Spezialität aus Rind- und Schweinefleisch erfreute sich rasch großer Beliebtheit, auch Kaiser Franz I. und auswärtige Kunden (wie Adalbert Stifter in Linz) ließen sich damit beliefern. In der zweiten Jahrhunderthälfte waren die Würstel eine Delikatesse auf den Weltausstellungen von Paris (1855) und Chicago (1893).
Die Würstelmänner der Zwischenkriegszeit waren mobil. Im Aufbau ihres Wagens erhitzten sie die Speisen und reichten sie ihren Kunden, die an Ort und Stelle Speisen und Getränke konsumierten. Als ältester seiner Art gilt Leo’s Würstelstand, in der Nähe des "Auge Gottes" (Gaststätte, später Kino) Wien 9, Ecke Währinger Gürtel, Nussdorfer Straße. Er besteht seit 1928.
In Wien gibt es derzeit (2024) rund 120 Würstelstände. Ihre Zahl ist den fünf Jahren stark gesunken. Sie haben durch Fast-Food-Ketten, Food-Trucks und Ethno-Imbisse Konkurrenz erhalten. Anders als bei diesen Verpflegungseinrichtungen handelt es sich um eine typische Wiener Institution. Es geht nicht nur um Essen und Trinken, sondern vor allem um die Kommunikation zwischen den BetreiberInnen und KundInnen. Einige Betreiber gründeten daher einen Verein zur Förderung der Würstelstandkultur und engagierten sich für die Aufnahme in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes. Dies erfolgte am 27. November 2024.
Quelle:
2019, publiziert 9.1.2019
Gesetz
Kultuerebe, publiziert 27.11.2024
Bild:
Wiener Würstelstand. Foto: Doris Wolf, 2012
Siehe auch:
Essay Würstelstand
Rezension"95 Würstelstände"
Heimatlexikon