Trommler und Pfeifer spielten auf #
Mit Salveschießen und Neujahrdrumbeln wurde in Graz Neujahr begrüßt. #
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Dabei wurde vor allem das oberflächliche Bild des Wohlstandes gezeigt, der die „gute alte Zeit“ repräsentierte. Das schöne Bild der Geruhsamkeit und Sicherheit zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte aber auch eine Kehrseite.
Überfüllte Wärmstuben #
Denn zu Neujahr 1900 berichteten die Grazer Zeitungen auch, „daß sich die Armen und Arbeitslosen wie noch nie zuvor in die Wärmestuben drängten, und der große Streik (damals noch englisch „Strike“ geschrieben) der Bergleute in Köflach und Voitsberg wies auf die große Notlage dieser Arbeiter hin“.
Es war ein Tanz auf dem Vulkan des Ersten Weltkriegs, den die Bürger aber noch nicht als solchen erkannten. Zahllose Gasthäuser und Cafés in Graz luden zu Silvesterunterhaltungen ein, wie die Cafés Polar- stern und Radetzky oder der Salon Königstiger. Das „Entree“, wie es so schön hieß, betrug für Männer 15 bis 20 Kreuzer, Damen hatten freien Eintritt. In der Industriehalle spielte noch die „k. k. privilegierte Bürger- Corps-Capelle“ und im „Orpheum“ war am Neujahrsmorgen großes „Schweinsrüsselessen“ angesagt. Und wer als Herr von Welt gelten wollte, kaufte den „Original-Mustache- Balsam“, der schnell und sicher einen „prächtigen Schnurr- und Vollbart“ garantierte.
Aber werfen wir einen Blick zurück, wie es ein paar Jahrhunderte früher zugegangen war in Graz. Das neue Jahr wurde bei uns traditionell in der Silvesternacht und am Dreikönigstag mit einem Salveschießen der Schloßbergsoldaten begrüßt, und die Stadttürmer bliesen vom Uhrturm und den Türmen der Stadttore eindrucksvolle Weisen. Für diesen Neujahrsglückwunsch erhielten sie vom Magistrat sogar ein spezielles Trinkgeld, berichtet Fritz Popelka in seiner „Geschichte der Stadt Graz“. Auch die Buchbinder waren voll beschäftigt, um die Neujahrskalender für den Magistrat und die anderen Behörden rechtzeitig abzuliefern. Die Glasbläser stellten spezielle „Neujahrsgläser“ her, die Trommler und Pfeifer der Stadtguardia zogen mit „rihernten Spill“ durch die Stadt, um für sich die übliche Neujahrssammlung durchzuführen. Diesen alten Brauch nannte man das „Neujahrdrumbeln“.
Auch das Neujahransingen war allgemein üblich. Vor den Bürgerhäusern und den hohen Behörden sammelten sich die Neujahrsinger und baten um eine kleine Gabe. 1655 sangen in den Gassen der Stadt Komödianten und arme Studenten das „Neue Jahrslied von dem neugeborenen Christkindlein“, und am Dreikönigstag zogen sie als Sternsinger von Haus zu Haus.
Verbot der Paradeisspiele #
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts zogen die Insassen des Bürgerspitals mit einem Karren durch Graz, auf dem der Paradeisbaum stand, ein Fichtenbaum, der Äpfel trug und am Abend mit Kerzen beleuchtet war – der Vorläufer des erst im 19. Jahrhundert bei uns eingeführten Christbaumes. Unter diesem Baum spielte man das Paradeisspiel, das den Sündenfall Adams und Evas zeigte. Auch Komödianten und Studenten wollten dieses Paradeisspiel aufführen, wurden aber vom Magistrat abgewiesen, da dabei „viel Ungelegenheiten und straffmäßige Exorbitantien“ passierten. Doch die Verbote blieben bis ins späte 18. Jahrhundert völlig wirkungslos. Erst 1770 wurden die Paradeisspiele zu Neujahr, Dreikönig und Lichtmess abgestellt, auch das sogenannte Faschingbegraben wurde in der Steiermark behördlich verboten.
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