Die Bauern und der Klimawandel#
Landwirtschaft im dekarbonisierten Österreich.#
Von der Wiener Zeitung (Montag, 16. Oktober 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Michael Narodoslawsky
Kaum ein anderer Sektor der Wirtschaft ist so vom Klima abhängig wie die Landwirtschaft. Stürme, die ganze Wälder zerstören, Dürre, Überschwemmungen und Spätfröste als Vorboten des Klimawandels gefährden Bauern und Forstwirte in ihrer Existenz. Kaum ein anderer Sektor, mit Ausnahme des Energiesektors, ist aber so zentral im Kampf gegen den Klimawandel wie die Landwirtschaft.
Es ist heute gesichertes Wissen, dass eine Klimakatastrophe nur durch eine radikale Abkehr von fossilen Ressourcen, durch eine weitgehende Dekarbonisierung unserer Gesellschaft, abgewendet werden kann. In dieser Ressourcenwende kommen auf die Land- und Forstwirtschaft drei große Herausforderungen zu: die Verwaltung und Pflege der beschränkten Flächenressourcen, die optimale Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen und Umweltschonung im eigenen Betrieb.
Konsequente Nutzung von Sonnenenergie#
Dekarbonisierung erfordert vor allem die konsequente Nutzung von Sonnenenergie. Sonnenenergie, in welcher Form auch immer man sie nutzt, benötigt aber Fläche zu ihrer Ernte. Fläche, vor allem produktive Landfläche ist aber eine beschränkte und sensible Ressource. Agrar- und Forstflächen schaffen nicht nur das Wunder, Sonnenenergie in Lebensmittel, Werkstoffe und Energieträger zu verwandeln. Sie sind auch wesentliche Faktoren, die die Qualität unseres Wassers, unserer Luft und auch des Klimas mitbestimmen.
Städte mit ihren versiegelten Flächen, aber auch große, offene Felder überhitzen, Feuchtgebiete und Wälder wirken wie Kühlrippen. Der Land- und Forstwirtschaft als Gestalter unserer Kulturlandschaft kommt hier entscheidende Verantwortung zu.
Die Ressourcenwende wird die Konkurrenz um die beschränkten Flächenressourcen wesentlich verstärken. Wenn fossile Ressourcen aus Klimaschutzgründen und auch, weil sie sich erschöpfen, nicht mehr zur Verfügung stehen, müssen nachwachsende Rohstoffe verstärkt dort einspringen, wo materielle Energieträger und Chemierohstoffe benötigt werden.
Bioenergie ist dabei aus der Sicht der Flächenkonkurrenz eine besonders wertvolle Energieform: Man benötigt etwa die dreißigfache Fläche, um Strom aus Biomasse zu gewinnen, verglichen mit Photovoltaik. Noch dazu kann man Photovoltaikanlagen auch auf bereits bestehende Dächer setzen. Auch die Fläche, die für Windenergie verwendet wird, kann man noch in beschränktem Maße anderweitig nutzen.
Bioenergie - eine Art Joker der Energiewende#
Gegenüber diesen beiden Energiequellen hat Bioenergie aber einen entscheidenden Vorteil: Sie ist leicht speicherbar, man kann biogene Energieträger einfach auch für Mobilität einsetzen und auch an Orten, zu denen keine Leitungen führen. Bioenergie wird damit zu so etwas wie dem Joker der Energiewende. Sie kann die weniger flächenintensiven aber dafür zeitlich variablen Energiequellen Wind und direkte Sonnenenergie ergänzen. Sie kann auch jene Anwendungen bedienen, für die man unbedingt materielle Energieträger benötigt wie etwa Langstreckenmobilität, Luft- und Schiffsverkehr.
Gerade die verstärkte Flächenkonkurrenz wird der Landwirtschaft der Zukunft eine weitere wichtige Rolle zuweisen. Eine wesentliche Erweiterung des heute gültigen Dogmas "Teller-Trog-Tank" ist notwendig. Die Land- und Forstwirtschaft wird vielmehr der Schlüsselsektor eines komplexen Managements nachwachsender Rohstoffe, in dem uns hochwertige Feldfrüchte mit Nahrung und Futter versorgen. Hochwertiges Holz wird verstärkt als Konstruktionsmaterial eingesetzt.
Plastiksackerl, Treibstoff, Wärme und Strom kann man mittels moderner Technik aus agrarischen Nebenprodukten und Abfallströmen aus der Land- und Forstwirtschaft, aber auch aus der Nahrungsmittelindustrie bereitstellen. Schließlich müssen die Reststoffe aus all diesen Nutzungskaskaden soweit als möglich wieder auf Felder und Wiesen zurückgeführt werden, um wertvolle Nährstoffe im Kreis zu führen.
Variable Unterschiede beim ökologischen Fußabdruck#
Eine wesentliche Aufgabe der Land- und Forstwirtschaft in einem dekarbonisierten Österreich ist es, ihre eigene Aktivität so umweltschonend wie möglich zu gestalten. Bereits heute hat etwa Weizen im biologischen Anbau einen um 35 Prozent geringeren ökologischen Fußabdruck (gemessen mit dem Sustainable Process Index - SPI, siehe www.fussabdrucksrechner.at) aufweist als im konventionellem Anbau.
Ein wesentlicher Grund dafür ist der Einsatz von Mineraldünger, insbesondere Stickstoffdünger. Dieser Dünger benötigt für seine Herstellung große Mengen fossiler Rohstoffe. Es sei an dieser Stelle aber darauf hingewiesen, dass der Unterschied im ökologischen Fußabdruck zwischen konventioneller und biologischer Landwirtschaft je nach betrachtetem Produkt durchaus variieren kann und in manchen Fällen (etwa bei Tomaten) auch geringe Vorteile für den konventionellen Anbau auftreten können.
Sowohl im konventionellen als auch im biologischen Landbau bewirkt der Einsatz von fossilen Rohstoffen für Dünger, Treibstoff und Verarbeitungsenergie den entscheidenden Anteil des ökologischen Druckes der Landwirtschaft. Dekarbonisierung bedeutet daher auch für die Landwirtschaft eine Abkehr von derzeitigen Rohstoffen und Vorprodukten. Neben den Düngemitteln betrifft dies insbesondere auch die Treibstoffe.
Betriebsmittel aus eigenen Abfällen statt fossilen Quellen#
Allerdings ist die Landwirtschaft hier in der komfortablen Situation, dass sich aus ihren Abfällen direkt auch ihre Betriebsmittel erzeugen lassen. So kann etwa Biogas, das aus der Gülle aus der Viehzucht erzeugt wird, zum Antrieb von Traktoren verwendet werden. Insgesamt bedeutet diese Hinwendung zu Betriebsmitteln aus eigener Produktion nicht nur eine wirtschaftliche Chance, sondern auch eine Möglichkeit, die Umweltauswirkung des ganzen Sektors wesentlich zu verringern.
Eine im Zusammenhang mit der Umweltauswirkung der Landwirtschaft immer wiederkehrende Diskussion betrifft den Transport von Lebensmitteln. Hier muss stark differenziert werden. Betrachtet man etwa Tomaten, so schlägt der Transport mittels Sattelschlepper aus den Niederlanden mehr als 135 Prozent zum ökologischen Fußabdruck einer konventionell produzierten Tomate auf.
Hingegen hat ein biologisch produziertes Rindssteak aus Argentinien - inklusive Schiffs- und Lkw-Transport - einen geringeren ökologischen Fußabdruck als eines aus konventioneller Produktion ohne jeglichen Transport (siehe www.fussabdrucksrechner.at). Generell kann man sagen, dass bei Produkten, die in ihrer Herstellung bereits einen kleinen Fußabdruck aufweisen, wie etwa Feldfrüchte und Gemüse, Ferntransport derzeit ein ökologisches No-Go ist. Je größer der Fußabdruck der Produktion ist (etwa bei Fleisch), desto geringer ist der Transportanteil und desto stärker ist der Einfluss der Produktionsmethode.
In einer dekarbonisierten Gesellschaft wird jedoch auch der ökologische Fußabdruck des Transportes geringer. Die Landwirtschaft wird daher gut beraten sein, weitere Vorteile von Regionalität der Lebensmittelversorgung herauszuarbeiten und auch zu kommunizieren. Heute wie auch in Zukunft gibt es deren ja viele: Hohe Qualität, Frische, aber auch Kundennähe und Transparenz in der Produktion sind davon nur einige. In einer dekarbonisierten Gesellschaft kommt ein wesentlicher Vorteil hinzu, nämlich die Sicherung jenes Sektors, der regional Boden, Klima und Wasser entscheidend beeinflusst und das Management biogener Stoffe verantwortet.
Michael Narodoslawsky ist außerordentlicher Universitätsprofessor i.R. für Verfahrenstechnik an der TU Graz. Sein Forschungsgebiet umfasst die ökologische Bewertung von Produkten sowie die nachhaltige Nutzung erneuerbarer Ressourcen.
Siehe dazu auch den Beitrag in IIASA-Options Summer 2019#