So wird die Steiermark zum Testlabor #
Südautobahn, Pyhrnautobahn, Graz, Leoben und der Red-Bull-Ring als Teststrecken für autonomes Fahren. Und: Helmut List über „unter Wert geschlagenen“ Diesel. #
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Kleinen Zeitung (Freitag, 5. Mai 2017)
Von
Hannes Gaisch-Faustmann und Markus Zottler
Europas „vielfältigste Testumgebung“ für selbstfahrende Autos entstehe in der Steiermark, verkündete Infrastrukturminister Jörg Leichtfried gestern mit Helmut List (AVL), Dieter Althaus (Magna Europe) und Horst Bischof (TU Graz). Zum Labor werden nicht nur die Südautobahn (Graz bis Laßnitzhöhe) und die Pyhrnautobahn (St. Michael bis Slowenien) erklärt. Der Red-Bull-Ring wird in den Wintermonaten zur Versuchsstrecke, im Leobener „Zentrum im Berg“ kann in einem Tunnel getestet werden. Und ab 2018 sollen autonome Autos erstmals auch im Grazer Stadtgebiet (etwa in der Kärntner Straße) fahren.
Das Dach all dieser Aktivitäten heißt ALP.Lab“. „Wir gründen jetzt eine Gesellschaft und machen in fünf Jahren Gewinne“, ist Bischof überzeugt. Denn die steirischen Testmöglichkeiten sollen viele Autohersteller anlocken, die die Leistungen von ALP.Lab zukaufen. Einmalig ist laut Bischof die digitale Durchgängigkeit. Das heißt, dass Testfahrten auf der Straße im Simulator wiederholt werden können. „Das kann sonst keiner.“ Mit an Bord sind zudem Joanneum Research und das Grazer Kompetenzzentrum Virtual Vehicle.
Aufbau und Betrieb der Infrastruktur fördert das Ministerium mit insgesamt 5,6 Millionen Euro. „Automatisiertes Fahren kommt so sicher wie der nächste Sonnenaufgang“, sagt Leichtfried. „Wer da vorne mit dabei ist, hat die Chance, die Entwicklung zu beeinflussen und Arbeitsplätze zu schaffen.“
Für Magna als Fahrzeugentwickler sei das steirische Testfeld ein entscheidender Baustein, um autonomes Fahren sicher und komfortabel zu machen, betonte Althaus. „Wir werden hier Wettbewerbsgeschichte schreiben.“ Hoch erfreut zeigt sich auch Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl: „So können wir unsere Position als Automotive- Standort Nummer eins in Österreich ausbauen.“
Autonomes Fahren ist auch für AVL-Lenker Helmut List ein großes Thema. Der Antriebsspezialist liefert zwar kein komplettes System, aber wesentliche Teiltechnologien. Insgesamt mache die AVL heute jedenfalls bereits 25 Prozent des Umsatzes mit „neuen Technologien“ (Elektrifizierung, Brennstoffzelle, teilautonomes Fahren), wie List im Rahmen eines Vortrags in der Wirtschaftskammer Steiermark ausführlich darlegte.
In Sachen Antrieb erwartet List indes auf „weitere Sicht ein offenes Rennen“. Auch wenn die Zulassungszahlen für reine Elektrofahrzeuge heute „völlig erschreckend“ sind, glaubt er, dass „die Elektrifizierung rasant nach vorne gehen wird“. Vor allem ab 2025, wenn die „Batterie kostentechnisch attraktiv“ wird.
Klassische Antriebsformen schreibt der findige Manager aber nicht ab. Diesel sei etwa zurzeit in der öffentlichen Meinung „weit unter seinem Wert“ geschlagen. List: „Diesel-Fahrzeuge können heute extrem sauber sein.“ Während der 75-Jährige etwa bei Lkw im städtischen Einsatz bald an eine Dominanz der Elektro-Fahrzeuge glaubt („dort herrscht ein unglaubliches Momentum“), sieht er auf der Langstrecke den „Diesel noch auf lange Zeit dominant“. Stellung bezog Helmut List auch zum in der Branche heiß diskutierten Elektro-Pionier Tesla. Dieser habe etwa in Sachen Elektrifizierung und autonomes Fahren einen wichtigen Teil zu einem „neuen Bewusstsein“ beigetragen. Aber: „Wer Tesla kopiert, wird untergehen.“ Solch ein Geschäftsmodell – obwohl der Konzern mit seinen Autos keine Gewinne einfährt, steigt der Aktienkurs – könnten in einer Branche nur wenige Konzerne leben.
Für die steirischen Automotive- Konzerne sieht List gute Chancen im Zuge einer „spannenden Zeit mit schnellen Veränderungen“. Auch, weil die Betriebe heute Kompetenz im gesamten Fahrzeugbau haben – von der Entwicklung bis zur finalen Fertigung.
Weiterführendes#
Siehe auch den Beitrag im Joannovum 2/2020#