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LINIENWALLGRÜNDE#

Im Oktober 1885 hatte Bürgermeister Uhl dem Minister-Präsidenten Grafen Taaffe die Petition des Gemeinderates bereits überreicht, in welcher die Kommune Wien die Regierung um Überlassung der Linienwallgründe in das Eigentum der Gemeinde bittet. In der Petition wird, nach einem Rückblick auf die geschichtliche Entstehung der Linienwälle, betont, dass die Gründe, auf welchen sich der Wall erhebt, zum großen Teil Eigentum der Gemeinde Wien waren, dass der Wiener Magistrat die Eigentumsansprüche des Militär- Ärars auf die Linienwallgründe niemals als zu Recht bestehend anerkannt hat, und dass, mit vollständiger Übergebung der Gemeinde die Einverleibung des Eigentumsrechtes für das Finanz Ärar durchgeführt wurde, die Gemeinde daher nicht, in der Lage gewesen sei, ihre Rechte zu wahren. Die Petition fährt dann fort: Die Frage der freien Verfügung über die Gründe, auf denen die Linienwälle erbaut sind, berührt aber die vitalsten Interessen Wiens. Die Stadterweiterung blieb nämlich nicht ohne Einfluss auf die Umgestaltung der Vorstadt Bezirke.Auch diese sind in einer durchgreifenden Regulierung begriffen, welche sich bis an die Linienwälle erstreckt, während in den Vororten die zahllosen von Jahr zu Jahr neu errichteten Wohnhäuser gleichfalls bis an die Wälle heran reichen, so dass diese in ihrer jetzigen Gestalt und Verwertung an vielen Stellen das einzige Hemmnis einer völlig freien Kommunikation zwischen Wien und den Vororten bilden und dadurch jenen regen geschäftlichen Verkehr behindern, der für eine nützliche Weiterentwicklung der Stadt unbedingt notwendig ist. Die Petition weist darauf hin, dass die Gemeinde, 95 Millionen für die Entwicklung Wiens vorfinanziert habe. Wenn nun aber die Bürger für das Emporkommen und Verschönerung ihrer Vaterstadt schon so bedeutende Opfer brachte und, soll kein Stillstand, der in diesem Fall mit dem Rückschritt gleichbedeutend wäre. Eintreten, auch in Zukunft wird bringen müssen, so liegt es gewiss auch in ihrem Interesse, dass jene Objekte, welche seit mehr als einem Jahrhundert nur rein fiskalischen Zwecken dienen, endlich einer anderen Bestimmung zugeführt werden. Es liegt außer allem Zweifel, dass die Kommune Wien nur dann, wenn ihr das freie Verfügungsrecht über die Linienwallgründe zusteht, die nötige Zahl von neuen Kommunikationen von Wien und den Vororten wird schaffen können, dann erst wird sich in bisher öden Gassen ein lebhafter Verkehr entwickeln, neue Geschäfte werden entstehen, der Wert von Grund und Boden sich heben und die Baulust neu belebt werden, dieser Umstand gerade bei der gegenwärtig herrschenden Geschäfts- und Arbeitslosigkeit eine ganz besondere Bedeutung zugemessen werden muss. Auch vom sanitären Standpunkt aus erscheint das höchst wünschenswert, ja geboten, da die Liniengräben bekanntlich trotz aller Überwachung in einer der Großstadt höchunwürdigen Weise zur Ablagerung alles möglichen Unrates benutzt werden. Die Petition schließt mit den Worten: „Wenn auf die eingangs erwähnten, früher bestandenen Rechtsverhältnisse sowie auf den Umstand Rücksicht genommen wird, dass die Gemeinde Wien durch die Unterlassung des Richtigstellung-Verfahrens seitens des Gerichtes auf den Prozessweg gedrängt erscheint, um ein bis dahin strittiges Areal wieder zu erlangen – ein Weg, welcher, abgesehen von der Langwierigkeit und den Kosten gern vermieden werden möchte – wenn erwogen wird, dass die freie Benutzung jenes Areals für die gute Entwicklung der Stadt von größter Wichtigkeit erscheint, wenn ferner gewürdigt wird, dass Gesetzgebung und Regierung die mächtige Wandlung, welche die Hauptstadt der östlichen Hälfte der Monarchie erfuhr, in richtiger Erkenntnis der Bedeutung einer Capitale durch vielfache und ausgiebige Subfidien gefördert, Industrie und Verkehr, Kunst und Wissenschaft gehoben, zahlreiche öffentliche Bauten errichtet und in der Hauptstadt Budapest den Glanz von ganz Ungarn widergespiegelt hat, so darf die Metropole des Reiches schon aus Gründen der Billigkeit hoffen, dass ihr die hohe Regierung in der vorliegenden Angelegenheit die gleich kräftige Unterstützung werde zu teil werden lassen: Aus diesem Grunde und von der festen Überzeugung getragen,, dass mit der Entwicklung und dem Emporkommen Wiens die Interessen der gesamten im Reichsrat vertretenen Königreich und Länder Hand in Hand gehen, erlaube ich mir, auf Grund des Gemeinderats Beschlusses vom 15. September 1885 an die hohe Regierung die Bitte zu richten, bei dem hohen Reichsrat eine Gesetzesvorlage wegen unentgeltlicher Übertragung des Eigentums der die Linienwälle bildenden Grund-Parzellen an die Gemeinde Wien einzubringen.“

QUELLE: Morgen Post, 13. Oktober 1885, Österreichische Nationalbibliothek, ANNO

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