RUDOLF VON WALDHEIM#
Wieder hat eine der interessantesten Persönlichkeiten der Wiener Gesellschaft die Weltbühne verlassen: Rudolf Schürer von Waldheim in südlichen Gefilden von Abbazia Erholung suchend, den Tod aber gefunden. Sein Lebenslicht erlosch am 2. Jänner 1890. So erging es vielen der Prominenten die voller Hoffnung hierher in das herrliche Abbazia kamen um hier zu sterben.
Für die graphische Welt war es ein herber Verlust, der kaum zu ersetzen war. Er war jener Repräsentant der die Initiative ergriffen, zur Behebung der Stagnation in der sich das graphische Gewerbe in den fünfziger Jahren befand, zu neuen Höhen führte. In den sechziger Jahren wagte er es, und den Mut besaß, zum Erstaunen der typographischen und bibliopolischen Fachleuten, den Kampf mit der Gartenlaube und der Leipziger Illustrierten Zeitung aufzunehmen. Bestimmt wäre sein Unternehmen von Erfolg gekrönt gewesen, wenn es nicht das problematische Press- und Stempelgesetz ihn daran gehindert hätte.
Mit 23 Jahren, am 15. März 1855 verließ er nach einer kurzen Praxis die k. k. Hof- und Staatsdruckerei und errichtete gemeinsam mit dem talentierten Holzschneidekünstler F. W. Bader aus Stuttgart, ein xylographisches Atelier. Um seinem Mitarbeiter eine Continuität der Arbeit zu sichern, gründete Waldheim mit Sitter den „Figaro“, der ihn nur in zahllose Schwierigkeiten verwickelte. Das Endergebnis war, Austritt aus dem Staatsdienst. 1859 erschienen seine „Mussestunden“, ein illustriertes Familienblatt, bald darauf folgte im Jahr 1862 die „Wiener Illustrierte Zeitung“ daran beteiligt waren Künstler und Literaten wie Canon, Geiger, Kriehuber, Leopold Müller, Laufberger Juch und andere um einen materiellen Erfolg zu verzeichnen, da der Stempelkreuzer immer hindernd seinen Weg durchkreuzte wurden diese beiden Blätter 1864 zusammengefasst in ein Blatt. Es blieb ein ewiger Kampf mit Verlusten. 1865 nahm er das im Niedergang befindlichen Förster artistische Institut wahr und vollbrachte wieder das Wunder dieses zur höchsten graphischen Vollendung zu führen und bald genoss sein Etablissement Weltruf. Im Vorjahr gab es eine graphische Ausstellung im Museum für Kunst und Industrie und das Publikum hatte Gelegenheit allgemein und die Fachleute insbesondere, einen Einblick in diese großartige, umfassende Verlagstätigkeit zu nehmen.
Der gesamte Parterresaal hatte die Exposition Waldheims artistischen Anstalt für sich allein eingenommen. Die sehenswerte Ausstellung zählt zur umfangreichsten ihrer Art, umfasst sie doch zwei Epochen der Xylographie, die erste 1855 bis 1875 im Facsimileschnitt, weiter die Epoche 1875 bis zur Gegenwart, bereits mit Anwendung der Fotografie auf Holz nach Originalzeichnungen. Während der 30 Jahren wurden zirka 200 Schüler in der Holzschneidekunst herangebildet und zahlreiche Unternehmungen entstanden.
Waldheims Etablissement beherrscht in technischer Vollendung und Leistungsfähigkeit im höchsten Grad wie kaum ein anderer. All die Arbeiten sind in Spezialausstellungen zu besuchen und gleichzeitig die Entstehungsgeschichte des großartigen Unternehmens der Wiener Verlagsanstalt kennen zu lernen. Sehr viel bedeutete ihm stets das Kunstgewerbe. Kein Wunder, dass der Wiener Kunstgewerbe Verein ihn zum Präsidenten ernannte. Man hofft, dass seine Stiftung über seinen Tod hinaus bestehen bleibt.
Waldheim förderte alle kulturellen Interessen die in diesem weitverzweigten Gewerbe einen Aufschwung versprachen. Seit Jahren sammelte er für ein Museum der graphischen Künste, das inzwischen zu einer Sehenswürdigkeit mit reichhaltig gewordenen Inventar.
Berühmt waren seine „Mittwoch Abende“ wo sich ein Kreis künstlerischer und geistiger Größen ihn belagerten. Zuletzt während der Phase seiner Krankheit verliefen die einst so fröhlichen Zusammenkünfte in ruhigen Bahnen. Dazu zählten Hofrat Storck, Anzengruber, Makart, Prof. Leopold Müller ua. Dann kam die Zeit an dem sich der Kreis allmählich lichtete, das große Abschiednehmen begann.
Waldheims Refugium befand sich in der Taborstraße und war mit wienerischer Vornehmheit ausgestattet.
Rudolf Schürer von Waldheim wurde als Sohn eines Apothekers am 12. Dezember 1832 geboren. Ihn zog es immer schon zum graphischen Gewerbe. Den Eltern zuliebe trat er mit 17 Jahren als unbesoldeter Praktikant in die Wiener Oberpostverwaltung ein und nach vier Jahren sah er sich als Leiter der Rechnungskanzlei der Niederösterreichischen Postdirektion. Trotzdem blieb er der Holzschneidekunst treu.
Waldheim war verheiratet, hatte einen Sohn und zwei Töchter. Sein Sohn Ludwig arbeitete im Unternehmen des Vaters seit einiger Zeit mit und wollte es in dessen Sinne weiterführen. Ludwig war mit einer Enkelin des verstorbenen Mauthner von Markhof vermählt. Auch die beiden Schwestern sind bereits verheiratet, die eine mit dem Sohn des Handelskammer Präsidenten Isbary, die andere mit dem ungarischen Magnaten Baron Marschall. Rudolf von Waldheim, Ritter des Franz Josephs Ordens, Commandeur des belgischen Leopold Ordens. Die irdische Hülle des Verstorbenen wird vom Trauerhaus, Taborstraße 52 in die Pfarrkirche St. Josef, Karmeliter überführt und eingesegnet und anschließend auf den Zentralfriedhof zur ewigen Ruhe gebettet.
QUELLE: Buchdrucker Zeitung, 9. Jänner 1890, Österreichische Nationalbiliothek ANNO
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