WERKSTOFF GUMMI#
Neben der Entwicklung der Bauformen läuft durch die Jahrhunderte der technische Werdegang der Baustoffe. Holz und Stein waren für lange Zeit die ersten und einzigen Materialien die der Mensch zur Verfügung hatte. Glas, Eisen, Beton und Eisenbeton eroberten eigentlich erst in den letzten Jahrzehnten die Anerkennung und Verwendung durch den künstlerisch denkenden Architekten.
In den vergangenen Tagen des Jahres 1933 ist von einem neuen Werkstoff die Rede: Gummi. Ein Material mit großer Verwendungsmöglichkeit ist also hinzugekommen. Seine unersetzlichen Eigenschaften sind alsbald bekannt: hohe Elastizität, Wasser dicht, schlechte Wärme und Elektrizitätsleitung, unempfindlich gegen Schmutz, Staub und Fett, schalldämpfende Wirkung, sowie hohe Lebensdauer.
Dieser Werkstoff mit seiner Vielseitigkeit hielt alsbald im Bauhandwerk Einzug. Die „Semperit“ Österreichisch-amerikanische Gummiwerke AG., hat die Erzeugung eines Flächenbelages aus Gummi unter dem Namen „Terra-Gomme“ schon vor mhreren Jahren aufgenommen, bringt eine reiche Skala monochromer und mehr oder wenig bunt gemaserter Farbtöne die dem Architekten die Möglichkeit gibt, seine Fantasie mit ein zu bringen und zauberhafte Kompositionen Wirklichkeit werden zu lassen. Er hat jene Eigenschaft die zur Verlegung des „Terra Gomme“ mit Konsequenz und Einheitlichkeit erfolgen kann. Neuerdings wird auch gerne der „Semperit“ Läufer verwendet, der immer flach liegt, auch wenn er längere Zeit eingerollt aufbewahrt wurde.
Davon abgesehen, wird der „Terra Gomme“ immer fest und fugenlos mit dem Unterboden verbunden, bildet also einen unverwüstlichen Bestandteil des Baues. Architekt und Baumeister werden ermessen, was es heißt, einen Fußboden von solchen Qualitäten organisch mit dem Innenraum zu verbinden.
Aber auch die Wände werden jetzt vom Gummibelag erobert. Eine Gummitapete, in Farben und Dessins ebenso abwechslungsreich wie der Bodenbelag, stattet den Raum mit sehr leicht zu reinigenden, praktisch, ewig dauernden vertikalen Flächen aus.
Der neue Werkstoff hat von den sechs Begrenzungsebenen des Innenraumes schon fünf gewonnen.
„Terra Gomme“ ist also die Beherrscherin der Fläche geworden. Und für die Wirkung des Innenraumes ist wohl die Fläche, ihre Farben, ihre künstlerische Belebung, ihre Beschaffenheit das Wichtigste. In einen neuen Bau die Elemente der Fläche hinein zu komponieren, einen alten Raum durch die Neubelebung der Begrenzungsebenen zu neuer Wirkung zu erwecken – das sind vielleicht die reizvollsten Aufgaben der Architektur. Stimmung, besonderer Zweck, hygienische Bedingungen, individuelle Anpassung an gegebene Formen – das alles kann der Baumeister oder Dekorationskünstler durch diesen idealen Flächenbelag zum Ausdruck bringen,
Und nun zu jenen, die zwischen diesen Flächen wohnen. Ihnen bringt „Terra-Gomme“ täglich neue Freuden. Der Frau des Hauses liegt wohl die Reinlichkeit am meisten am Herzen. Dem Hausherrn die Ruhe. Jenen, denen die Kinder anvertraut sind, wird es willkommen sein, dass der Fußboden im Winter warm, im Sommer kühl ist. Dass er immer blitz blank ist. Wenn etwas zu Boden fällt, nicht so leicht zerbrechen kann, da der Boden elastisch ist. Der elektrische Strom im Haus ist keine Gefahr mehr; „Terra Gomme“ isoliert verlässlich. Der Gummibelag kostet kaum wesentlich mehr als der übliche Bodenbelag, weniger als Parkettböden und Teppiche. Da er durch schwere Möbel, durch Klavier und Eisenbett keine dauernden Eindrücke aufnimmt, also praktisch unverwüstlich ist, so bedarf er auch keiner Reparaturen und innerhalb eines Menschenalters auch keine Erneuerung. Es ist also zweifellos der billigste Bodenbelag, der billigste Wandbehang.
QUELLE: Heimkultur 1933, Heft 2, Seite 7, Anno Österreichische Nationalbibliothek
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