Erinnerung an Byzanz in Wien #
Die byzantinische Prinzessin Theodora ist neben ihrem Gatten Heinrich II. Jasomirgott in der Wiener Schottenkrypta begraben. Eine Tafel dokumentiert das nun – endlich. #
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus: DIE FURCHE (Donnerstag, 29. September 2016).
Von
Peter Pawlowsky
Krypta der Wiener Schottenkirche: Ein schmaler Gang führt in die kleine Grabkammer, in der Herzog Heinrich II. Jasomirgott in einem Sarkophag hinter vier kurzen neuromanischen Säulen bestattet ist. Die zahlreichen Ehrengäste, die am 30. September geladen sind, werden nur einzeln und nach ein ander in die Grabkammer gehen können. Dort befindet sich der Anlass zum geplanten Festakt.
An der linken Seitenwand wird eine Tafel in rotem Marmor enthüllt werden. Darauf steht auf Deutsch und Griechisch: Theodora, Herzogin von Österreich. Sie, die Gattin Herzog Heinrichs, ist nämlich mit ihm begraben, aber niemand fand es bisher der Mühe wert, diese Tatsache klar zu dokumentieren.
Die Gründung Österreichs #
Durch die Kreuzzüge waren die Beziehungen nach Byzanz intensiviert worden. Heinrich nahm selbst am Zweiten Kreuzzug (1147–49) teil. Das bot ihm die Chance zur Brautschau in höchsten Kreisen. 1148 heiratete er Theodora, eine Nichte des regierenden byzantinischen Kaisers Manuel I. Die Hochzeit fand unter prominenter internationaler Beteiligung in Konstantinopel statt.
Die politische Bedeutung der Babenberger war unter Heinrich auf einem Höhepunkt und für die Geschichte Österreichs entscheidend. Heinrich regierte zunächst als Herzog von Bayern, aber diese Stellung beanspruchte ebenso Heinrich der Löwe aus dem Geschlecht der Welfen. Kaiser Friedrich Barbarossa, mit Babenbergern und Welfen verwandt, suchte den Streit zu schlichten. Das Ergebnis wurde in einem Gründungdokument Österreichs fest - gehalten, dem Privilegium minus von 1156, das heuer 860 Jahre alt ist: Heinrich Jasomirgott verzichtete auf Bayern; dafür wurde die Markgrafschaft Österreich, bis dahin ein Vasall Bayerns, zu einem eigenen, unabhängigen Herzogtum. Das Erbrecht sollte auch für Theodora, die „erhabene Gemahlin“, gelten, also auch für die weibliche Linie, „ohne Unterschied ob Söhne oder Töchter“ aus der Verbindung hervorgehen würden. Im Falle der Kinderlosigkeit konnte das Herzogspaar selbst die Nachfolge bestimmen; und niemand durfte ohne Erlaubnis des Herzogs irgendeine Gerichtsbarkeit ausüben.
In den nächsten Jahren baute Heinrich mit seiner durchaus selbständig politisch aktiven Theodora sein neues Machtzentrum aus. Er gründete das Schottenkloster – noch außerhalb der alten Stadtmauern wie auch St. Stephan – und verlegte seine Residenz von Klosterneuburg nach Wien in die knapp vor der Stadtmauer liegende Burg „Am Hof“. Theodora reiste 1166 gemeinsam mit Heinrich nach Sofia zu Manuel I. Sie taten es im Auftrag Friedrich Barbarossas, der nach hundert Jahren der Spaltung zwischen Ost- und Westkirche samt den daraus entstandenen politischen Folgen einen friedlichen Ausweg suchte. In ihrer Begleitung: Otto von Wittelsbach, der somit aus einer Familie stammte, mit der Österreich bis zur Kaiserin „Sissi“ zu tun haben würde.
Späte Würdigung #
Rechts unten am Rand der Marmortafel für Theodora ist ein Metallschild befestigt mit dem Text (ebenfalls auf Deutsch und Griechisch): „Mit Unterstützung des Zypriotischen Kulturzentrums“. Die durch alle Jahrhunderte umstrittene Insel Zypern war zwar damals byzantinisch, ehe sie der englische König Richard Löwenherz 1191 für die Kreuzritter eroberte – auf jenem Kreuzzug, bei dem er mit Heinrichs Sohn und Nachfolger Leopold V. in Streit geriet und schließlich in Erdberg bei Wien gefangen genommen wurde – aber mit Leopolds Mutter Theodora hatte Zypern nichts zu tun.
In Österreich leben heute 286 Personen zypriotischer Herkunft. 120 davon sind Mitglieder des Kulturzentrums, das 2004 gegründet wurde. Es hält seine Veranstaltungen im Prälatensaal des Schottenstiftes ab und tritt einmal im Jahr im Brahmssaal des Musikvereins mit einem Konzert auf; denn Kyros Patsalides, der Obmann des Kulturzentrums, ist ein international gefragter Bariton. Die Leute des Kulturzentrums als Gäste des Schottenstiftes hatten Hinweise auf ihre byzantinische Prinzessin vermisst, von der man freilich wusste, dass sie 1182 bei ihrem Mann begraben wurde, der schon 1177 gestorben war. Und nicht nur das. Auch Agnes, die Tochter der beiden, die im selben Jahr wie ihre Mutter starb, liegt im Sarkophag hinter den kleinen Säulen. Verdiente nicht auch sie eine Marmortafel? Gewiss, aber sie war auch Königin von Ungarn, und diese Würdigung überlassen die Zyprioten lieber unseren Nachbarn.
Nur eine weitere Babenberger- Verbindung mit einer byzantinischen Aristokratin ist belegt: Leopold VI., ein Enkel Heinrichs, heiratete 1203 in Wien eine weitere Theodora. Unsicher ist, mit welcher namenlosen Frau deren Sohn Friedrich II. drei Jahre lang verheiratet war; eine umstrittene Quelle behauptet, sie sei eine Tochter Kaiser Theodoros’ I. gewesen. Dieser lebte damals im Exil, weil Franken und Venezianer den Vierten Kreuzzug umfunktioniert, 1204 Konstantinopel erobert, geplündert und dort für sechs Jahrzehnte ein „Lateinisches Kaiserreich“ etabliert hatten.
Byzanz zerfiel in der Folge und wurde so geschwächt, dass es dem wachsenden Druck durch die Muslime im Osten auf die Dauer nicht standhalten konnte. 1453 eroberten die Osmanen Konstantinopel. Für zweieinhalb Jahrhunderte trat damit die Angst vor der Türkengefahr an die Stelle der österreichischen Kontakte mit Byzanz. Erst die Vertreibung der Türken nach der Belagerung Wiens von 1683 ließ langsam ein neues Bild vom türkischen Orient entstehen, das geradezu Mode wurde. Es gibt ein Bild von Maria Theresia in türkischer Kleidung. Sie war es auch, die 1754 die Akademie für orientalische Sprachen gründete, in der Türkisch und Arabisch gelehrt wurden, um die diplomatischen Beziehungen nach Osten auszubauen.
„Eia popaia“ und andere Spuren #
Griechisch hat im österreichischen Bildungskanon nie gefehlt. Die Wiener Universität beherbergt eines der bedeutendsten Institute für Byzantinistik und Neogräzistik, beschäftigt sich also auch mit Sprache und Kultur des neuen Griechenland, das sich als Erbe von Byzanz versteht. In einer entscheidenden Epoche der Staatswerdung Österreichs hat Byzanz eine Rolle gespielt. Der Volksmund würdigt das, indem er das Wiegenlied „Eia popaia“ der Theodora zuschreibt.
Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer fand zwar seinerzeit, sie wisse nicht, wozu Byzantinistik gut sei. Da wäre der 30. September eine gute Information für sie, wenn die orthodoxen Bischöfe Arsenios und Porphyrios und die Botschafter von Zypern und Griechenland samt ihrem diplomatischen Anhang die byzantinische Prinzessin Theodora ehren werden.