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Es dreht und dreht und dreht sich#

Zum Abriss freigegeben, niedergebrannt und mehrfach Objekt der Enteignung, ist das Riesenrad bis heute eines der beliebtesten Wahrzeichen Wiens.#


Von der Wiener Zeitung (Samstag, 1. Juli 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.


Riesenrad
Riesenrad
Foto: Thomas Ledl. Aus: Wikicommons, unter CC BY-SA 4.0

Wien, (aum) Es zählt neben dem Stephansdom und der Gloriette zu den Top drei der beliebtesten Wiener Wahrzeichen und galt bei seiner Fertigstellung als technisches Wunderwerk: Das 65 Meter hohe Riesenrad im Prater feiert am Montag seinen 120. Geburtstag.

Die Idee für das Riesenrad stammte von einem Wiener Mitarbeiter des englischen Ingenieurs und Kesselfabrikanten Walter B. Basset, der es dann schließlich plante. Errichtet werden sollte es anlässlich des 50. Thronjubiläums von Kaiser Franz Joseph I., doch das Projekt bei den Behörden durchzubringen war alles andere als einfach. Der zuständige Baurat soll beim Studium der Pläne ausgerufen haben: „Ja, sagen Sie, ist heute der 1. April?!" Erst nach Vorlage von statischen Gutachten fiel der Startschuss für die Errichtung. Danach lief alles dermaßen glatt, dass das Riesenrad sogar ein Jahr vor dem Jubiläum eingeweiht wurde und am 3. Juli 1897 seine ersten Runden drehte.

Eine „Fahrt ins Blaue" in einem der 15 Waggons (geplant waren eigentlich 30) bietet nicht nur den Blick auf den umliegenden (Wurstel-)Prater, sondern auch eine herrliche Aussicht über ganz Wien. Bei der Inbetriebnahme fuhren 10.000 zahlende Gäste mit dem Riesenrad. Allein das zeigt schon, wie außergewöhnlich es für die Wiener war. Eine Fahrt kostete damals nämlich 8 Gulden - und das bei einem monatlichen Beamtengehalt von 30 Gulden.

Parallele zu Paris#

Eigentlich als Spektakel für einige Saisonen gedacht, etablierte sich das Riesenrad rasch als Wahrzeichen. Hier öffnet sich übrigens eine Parallele zu Paris: Auch in der französischen Hauptstadt gibt es mit dem Eiffelturm und der Kathedrale von Notre-Dame ein tech nisches und ein religiöses Wahrzeichen, die um die Position als das einzig wahre konkurrieren. Und: Eigentlich war auch der Abriss des Eiffelturms geplant, zuerst gleich nach der Weltausstellung, für die er ursprünglich gebaut wurde, dann nach Ablauf der 20-jährigen Nutzungsfrist, die dem Erbauer Gustave Eiffel eingeräumt worden war. Riesenrad wie Eiffelturm rettete schließlich der anhaltende Publikumserfolg die Existenz. Allerdings fällt die Geschichte des Wiener Riesenrads zwischen Sein und Nicht-Sein etwas bewegter aus.

1916 wurde der englische Eigentümer Walter Basset enteignet und das Karussell zur Versteigerung ausgeschrieben. Erst drei lahre später erwarb es der Prager Geschäftsmann Eduard Steiner, der es eigentlich abreißen und die Einzelteile verkaufen wollte. Allerdings stellte sich heraus, dass der Abriss mehr gekostet hätte, als der anschließende Verkauf eingebracht hätte. Also wurde das Riesenrad verpachtet.

1938 wurde es von den Nationalisten arisiert und 1939 unter Denkmalschutz gestellt. 1944 machten ihm Bomben und Feuer den Garaus. Gleich nach dem Krieg wurde es 1945 rekonstruiert und galt als Symbol für den Wiederaufbau. In den 1950er Jahren wurde es an die Erben des in Auschwitz ermordeten Eduard Steiner restituiert. 1960 kaufte es der Rechtsanwalt Karl Lamac, und bis heute ist es im Besitz seiner Enkel Dorothea Lamac und Peter Petritsch. 2016 wurden die alten Kabinen durch neue ersetzt, die nach den Originalplänen gebaut wurden und größere Fensterfronten haben.

Während das Riesenrad bei seiner Errichtung als technische Sensation Weltruhm erlangte, war es nach dem Zweiten Weltkrieg Regisseur Carol Reed, der mit dem Film „Der dritte Mann" mit Orson Welles in einer der Hauptrollen das Wiener Wahrzeichen weit über Österreich hinaus bekannt machte. 1986 schaffte es das Riesenrad erneut auf die internationalen Leinwände, diesmal im James-Bonds Film „Der Hauch des Todes". Bei den Wienern wiederum ist die Fahrt im Wahrzeichen bis heute am 1. Mai und zur Firmung ein Pflichttermin.

Wiener Zeitung, Samstag, 1. Juli 2017