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Der Geburtstag der österreichischen Autorin Gertrud Fussenegger jährt sich zum 100. Mal#

"Grande Dame" und "alte Sau"#


Von der Wiener Zeitung (7. Mai 2012) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Edwin Baumgartner


Gertrud Fussenegger
Gertrud Fussenegger bei der Überreichung des "Großen Goldenen Ehrenzeichens mit dem Stern" in der Wiener Hofburg im September 2002.
© APA

Gertrud Fussenegger polarisiert bis heute wie nur wenige Autoren.#

"Grande Dame" der österreichischen Literatur wurde sie von den einen genannt, für andere wie den Publizisten Matti Link war sie die "alte Sau", "die Schamlose" und die "Lohnschreiberin des Faschismus". Jene, die von ihr als "Grande Dame" sprachen, hatten ein schriftstellerisches Werk von außerordentlichem Können als Argument; die Vertreter der "alten Sau"-Meinung die Biografie und unbedeutende Nebenwerke. Die österreichische Dichterin und Schriftstellerin Gertrud Fussenegger, deren Geburtstag sich morgen, Dienstag, zum 100. Mal jährt, polarisierte. Und ganz unbefangen kann man auch heute, drei Jahre nach dem Tod der Autorin, nicht über sie reden.

Das Problem ist: In der Person Gertrud Fussenegger summiert sich gleichsam ab der Geburt so ziemlich alles, was jener Literaturszene, die sich fortschrittlich dünkt, suspekt ist: Die in Pilsen geborene Autorin entstammt einer österreichisch-tschechischen Familie, ihr Vater war Offizier der k.u.k.-Armee, sie ist überzeugte Katholikin, nimmt, auch nach 1945, deutlich Partei für die sudetendeutsche Bevölkerung und scheint obendrein eine Nationalsozialistin der ersten Stunde gewesen zu sein. Zumindest tritt Fussenegger bereits im Mai 1933 der österreichischen NSDAP bei, 1934 singt sie in Innsbruck das "Horst-Wessel-Lied" und erhebt die Hand zum Hitlergruß. Da die NSDAP zu diesem Zeitpunkt in Österreich verboten ist, wird die mittlerweile in München promovierte Historikerin zu einer Geldstrafe verurteilt.

1938, nach dem sogenannten Anschluss Österreichs, tritt sie erneut der NSDAP bei. Einen solchen doppelten Parteibeitritt unternehmen österreichische Künstler bisweilen, wenn sie vor dem Verbot beigetreten waren und nun ihrer Mitgliedschaft ganz sicher sein wollen; beispielsweise findet sich auch in der Vita des Dirigenten Herbert von Karajan ein solcher doppelter Parteibeitritt, allerdings wird er ihm nach 1945 wesentlich weniger massiv angekreidet als der Autorin. Und so wie der eine 1935 beim Aachener Kreisparteitag Kantaten zu Hitlers Ehren dirigiert und später in Paris das "Horst-Wessel-Lied" aufführt, so schreibt die andere das Gedicht "Stimme der Ostmark", das 1938 in der NS-Zeitung "Völkischer Beobachter" abgedruckt wird.

Dass dieses Gedicht sprachlich keine Kompromisse macht und in freien Rhythmen eine imponierende Deklamation entfaltet, mag man der Autorin durchaus vorwerfen: Dieses Werk ist mehr als nur ein zur Karrieresicherung schnell hingeflunkertes Poem. Wenn Fussenegger obendrein in "Aus Reiseaufzeichnungen" den alten jüdischen Friedhof in Prag erst mit eindrucksvoller Sprachmagie schildert, dann jedoch den Schlusssatz formuliert: "Hier aber berührt uns der Atem einer fremden, einer feindlichen Welt, einer heimlich noch lauernden Macht, und schaudernd verlassen wir den unseligen Ort", dann kommt man um die Erkenntnis schwer herum, dass sie auch auf der antisemitischen Welle mitschwimmt.

Konflikt mit Rosenberg#

Doch das Verhältnis zwischen Nationalsozialisten und Gertrud Fussenegger ist keineswegs unbelastet. Mit ihrer 1937 veröffentlichten "Mohrenlegende" gerät die Autorin ins Visier des Amtes Schrifttumspflege im Bereich des mit Kulturagenden beauftragten Amt Alfred Rosenberg: In der von deutlichen Sympathiegefühlen getragenen Geschichte eines schwarzafrikanischen Buben ortet man Kritik an der nationalsozialistischen Rassenideologie, das Buch wird verboten. Heute gilt die "Mohrenlegende" vielen als rassistisch. So ändern sich die Zeiten.

Woran die Nationalsozialisten bei Fussenegger primär Anstoß nehmen, ist ihr Katholizismus, in dessen Dienst sie nahezu ihr gesamtes Schaffen stellt. Fusseneggers Überzeugung ist so stark, dass sie, als sie nach der Scheidung vom Bildhauer Elmar Dietz 1950 eine zweite Ehe mit dem Bildhauer Alois Dorn eingeht, in Übereinstimmung mit dem Kirchenrecht den Verzicht auf die Sakramente auf sich nimmt, ohne Tricks zu versuchen. Sie gewinnt aus diesem Verzicht Erkenntnis: "Nur so ist mir die ganze Kostbarkeit der Eucharistie bewusst geworden."

Fusseneggers Romane "Das Haus der dunklen Krüge" (1951), "Zeit des Raben, Zeit der Taube" (1960) und "Die Pulvermühle" (1968) machen Furore im deutschen Sprachraum. Bisweilen wird sie, und das durchaus vorteilhaft, mit Thomas Mann verglichen, obwohl Fusseneggers dunkelgetönte, von einem bohrenden Geschichtspessimismus bestimmte Prosa wenig mit Manns ironischer Distanz zu tun hat. Auf jeden Fall aber ist Fussenegger eine glänzende Erzählerin mit einem genauen Blick für Details. Fast scheint es, als habe sie die Stimmen ihrer Gegner zum Verstummen gebracht, da gibt es neue Aufregung um die Autobiografie "Ein Spiegelbild mit Feuersäule" (1979). Zwar hatte Fussenegger über ihre Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus ausdrücklich gesagt, sie bedaure es, "viele gute Gedanken verschwendet" zu haben, "auf eine Sache, die dann ein Gräuel war", was man indessen von ihr verlangt, ist die Selbstdemütigung - genau dazu ist Gertrud Fussenegger jedoch nicht bereit.

Die lange schwelende Auseinandersetzung gipfelt schließlich in einer Rezension Klaus Amanns, der Fusseneggers Autobiografie 2007 als "insgesamt ein peinliches Dokument der Verdrängung und der Verstocktheit" abkanzelt und übersieht, dass Autobiografien naturgemäß blinde Flecken aufweisen: Dass die Selbstwahrnehmung von den Tatsachen abweicht, lässt sich schließlich nicht allein im Fall Fussenegger feststellen.

Doch es geht um politische, nicht literaturkritische Auseinandersetzung. So wirft man einem nach 1945 prononciert sozialistischen Autor wie dem Österreicher Rudolf Brunngraber keineswegs vor, dass er sich den Nationalsozialisten angedient hatte und zu einem ihrer gleichsam offiziellen Autoren wurde.

Ungleiches Maß#

Auch Günter Eich, deutscher Lyriker, Hörspielautor und der im sozialistischen Umfeld angesiedelten Gruppe 47 zugehörig, hatte zuvor deutliche nationalsozialistische Ambitionen gezeigt. Doch mit ihm verfährt die Kritik ebenso sanft wie mit Erwin Strittmatter, der sich bei der Waffen-SS beworben hatte und bei der jener unterstellten Ordnungspolizei seinen Dienst versah, ehe er zum literarischen Aushängeschild der DDR aufsteigt. Fast scheint es, als habe die Nachkriegs-Literaturkritik nur bei jenen Autoren ganz genau hingesehen, die dem konservativen Spektrum zuzurechnen sind.

Dass Gertrud Fussenegger konsequent einerseits die permanente Selbstzerfleischung verweigert, andererseits unablässig auf das Leid der Sudetendeutschen hinweist, macht sie sowohl zu einer Integrationsgestalt dieses konservativen Spektrums, als auch zu einer Unperson für die sich fortschrittlich gebenden Teile der Literaturszene. Letzten Endes ist es eine Auseinandersetzung über die nur persönlich und völlig individuell zu beantwortende Frage, ob einem Gertrud Fussenegger, deren Haltung man, je nach eigener Überzeugung, als verstockt oder als unbeugsam empfinden mag, sympathisch ist.

Davon unberührt bleibt jedoch der Wert ihres Werkes. Und zumindest "Das Haus der dunklen Krüge" und "Die Pulvermühle" lassen sich mit allen personenbezogenen Hasstiraden nicht aus der Geschichte der deutschsprachigen Literatur hinausschreiben.

Wiener Zeitung, 7. Mai 2012


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