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Wie sich die Welt verändern wird#

Die Verbindung von virtueller und realer Welt gilt seit Jahren als die große Zukunftsvision, der Durchbruch kommt jetzt.#


Von der Wiener Zeitung (30. Juli 2021) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von

Gregor Kucera


Egon Schiele. Die Umarmung.
Mit dem Smartphone den Egon-Schiele-Gemälden im Belvedere neue Geheimnisse entlocken.
Foto: Belvedere Wien. Aus: Wikicommons, unter PD

Es war nicht alles schlecht in der Pandemie. Besser gesagt, es muss nicht alles schlecht gewesen sein, wenn man aus den Erfahrungen seine Lehren zieht. Dies gilt vor allem im Bereich der digitalen Innovationen und technologischen Weiterentwicklungen.

Seit der Zeit, als die ersten Mobiltelefone, mit Kameras ausgestattet, zu klugen Smartphones wurden, herrschte eine Aufbruchs- und Goldgräberstimmung im Bereich der sogenannten "Augmented Reality" (AR). Nicht mehr nur im Hier und Jetzt, sondern zur gleichen Zeit an anderen Orten, virtuellen Plätzen und einer erweiterten Realität, das war das Versprechen.

Vor Ort und doch so fern#

Die Kamera am Handy, eine leistungsfähige Hardware und schnelle Internetverbindungen sollten es ermöglichen, dass man direkt auf dem Bildschirm in andere Welten eintauchen und neue Sinneseindrücke erleben könnte. Nicht vor Ort, sondern aus der Ferne zu arbeiten oder zu interagieren, aber genauso gut wie in der Realität am gleichen Platz, das war der Wunsch. Und diese Ideen haben ihren Ursprung übrigens schon in den 1960er Jahren.

Es blieb jedoch bei zahlreichen Ideen und Prototypen, nur wenige Anwendungen schafften es, sich zu etablieren. Doch nun scheint die Zeit reif. Videokonferenzen waren der Anfang, nun sind sie lästiger Alltag. Aber sie zeigen, dass es noch mehr geben muss, als gemeinsam auf Bildschirme zu starren. Virtuelle Treffen und digitale Konferenzen, Arbeiten an digitalen Modellen, die an ganz anderen Orten der Welt an echten Werkstücken zeitgleich ausgeführt werden. Die Anwendungsmöglichkeiten sind schier unendlich. In manchen Bereichen ist die erweiterte und auch die virtuelle Realität (VR) gar nicht mehr wegzudenken. In Produktion, Medizin oder auch der Gamingbranche. Zahlreiche Spiele am Smartphone nutzen die Kamera, um Monster in die reale Landschaft zu projizieren - ob "Pokemon Go", "Jurassic World Alive" oder das erst kürzlich vorgestellte "The Witcher: Monsterslayer".

Kunst auf neuen Wegen#

In der Kunst- und Kulturvermittlung nimmt die erweiterte Realität einen immer größeren Stellenwert ein. Vor einem Bild mit dem Smartphone zu stehen, mutet zunächst seltsam an, wenn aber am Bildschirm spannende, animierte Inhalte auftauchen, ermöglicht dies einen völlig neuen Zugang zu einem Werk. So kann man im Belvedere unter anderem Egon Schieles Bilder neu erleben. Acht weltbekannten Werke des österreichischen Malers sind mittels Augmented Reality mit einer zusätzlichen digitalen Bildebene versehen. Damit wird man hinter die Geheimnisse der Kunstwerke geführt. Zu sehen sind etwa Röntgen-, Infrarot- und Makroaufnahmen, die in der Belvedere-Restaurierung erarbeitet wurden. Seit kurzem kann man auch die erste rein digitale Ausstellung des Belvedere in einem virtuellen Rundgang erleben und das Schaudepot der Mittelaltersammlung entdecken.

In der Medizin werden AR und VR bei aufwendigen Eingriffen eingesetzt, um einen tieferen Einblick in den Körper des Patienten zu erhalten. Vor allem in der Chirurgie und der Prothetik werden entsprechende Tools eingesetzt. Seit einigen Monaten setzt das Wiener Herz-Jesu-Krankenhaus, als erstes Spital in Österreich (und eines von fünf weltweit) eine VR-Brille zur Visualisierung der 3D-Planung und CT-Bilder als Hologramm ein, um damit eine höhere Passgenauigkeit beim künstlichen Schultergelenksersatz zu erreichen. Durch die Anwendung der neuen Methode und Technologie "Augmented Reality" werden die 3D-Planung und die CT-Bilder im Operationssaal als Hologramm visualisiert, und der Blick des Operateurs durch die VR-Brille wird zusätzlich live auf einen Computer übertragen.

Auch in der Produktion und Fertigung ist die erweiterte Realität längst nicht mehr wegzudenken: Vom virtuellen Prototypen, den man in 360 Grad betrachten kann, bis hin zu aufwendigen Reparaturen sind hier die Einsatzgebiete. Während früher oft Wochen vergingen, bis man Schäden beheben konnte oder die Fehlerquelle entdeckt hatte, so kann ein Techniker einer Herstellerfirma vom weit entfernten Firmensitz über eine Brille und AR dem Ingenieur vor Ort an der Maschine direkte Anweisungen geben oder die notwendigen Schritte vorzeigen und ihn anleiten. Auch das Einkaufserlebnis soll sich drastisch ändern. Man sieht seine Wunschmöbel vor seinem Auge am Brillendisplay und kann sie im Wohnzimmer platzieren, Kleidungsstücke am eigenen Körper betrachten und anderes mehr.

Smarte Brillen im Metaverse#

Apropos Brille. Schon vor Jahren wurde über intelligente Brillen philosophiert. Google Glasses war ein Projekt für Privatanwender, das die Zukunft einläuten sollte, dann aber abgedreht wurde, da man unerlaubtes Filmen oder Fotografieren fürchtete und zudem keine sinnvollen Anwendungen am Horizont zu sehen waren. Dies soll sich bald ändern. Facebook-Chef Mark Zuckerberg erklärte kürzlich, dass das sogenannte "Metaverse" das nächste große Ding sei. Man werde in diesem Bereich Vorreiter und Marktführer werden. Das Metaverse soll mehr sein als virtuelle Realität, sondern VR und AR kombinieren. Es geht nicht mehr nur um Spiele oder Unterhaltung, das ganze Leben der Menschen soll sich ins Metaverse verlegen und man begegnet einander dort mit seinen Avataren. Erinnerungen an das gescheiterte Second Life werden wach. Jene virtuelle Welt, wo viele Firmen glaubten, es leitet das Ende des Internets ein. Dass es nicht so kam, ist mittlerweile bekannt.

Aber mit der richtigen Brille auf der Nase schöpfen die Firmen nun wieder Hoffnung. Der US-amerikanische Hersteller Ray-Ban soll im kommenden Jahr eine Facebook-Brille auf den Markt bringen. Man darf gespannt sein. Wenn einem dann nur die Likes und Emojis vor Augen herumfliegen, macht es wohl wenig Sinn. Es bedarf kluger und guter Anwendungen.

Wiener Zeitung, 30. Juli 2021