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unbekannter Gast

Mechanischer Gaul#

(Der Haflinger wird gefeiert)#

von Martin Krusche

Wer je eine große Party gegeben hat, weiß nur zu gut, daß einen die Parkplatzfragen der Party-Gäste an den Rand eines Nervenzusammenbruchs bringen können. Da ich selbst nicht zu den Hafisti gehöre, sondern per Leihwagen ankam, hatte ich mir vorab Gedanken gemacht, daß ich eventuell einen kleinen Fußweg zum Veranstaltungsort in Kauf nehmen müsse, um meine Elektro-Karre nicht an einer Stelle zu parken, wo Nachbarn dann Ärger machen. Ganz unnötige Bedenken!

Langer Radstand, zweite Generation, über hochkarätige Details veredelt. (Foto: Martin Krusche)
Langer Radstand, zweite Generation, über hochkarätige Details veredelt. (Foto: Martin Krusche)

Robert Harrer und sein Team haben für das Jubiläumsfest zum Sechziger des Grazer Allrad-Fahrzeuges im oststeirischen Passail eine erhebliche Organisationsleistung hingelegt. So blieb alles gut überschaubar, ohne daß man besondere Fußwege schaffen mußte, außer jene Strecken, die das weit gesteckte Fahrzeugfeld der Jubilare nun einmal beanspruchte.

Da wurde nun ein kurioser Aspekt erlebbar. Der Haflinger ist ab Werk mit zwei Radständen angeboten worden, wahlweise mit fester Polyesterkabine. Die Basis des Fahrzeuges ist demnach überschaubar, ein vertrauter Anblick. Daran hat sich während der gesamten Produktionszeit nicht gar so viel geändert. Was gibt es also zu sehen, wenn einmal hundert Exemplare auf einem Terrain versammelt sind?

Und genau das ist so kurios an diesem Klassiker. Man sieht eben genau nicht hundert gleiche Nasen. Es steht auch keinesfalls 50 zu 50 zwischen Blech und Polyester. Traditionelle Einsatzgebiete Gut, es dem Haflinger allerhand Variationen beschert. War er also seinerzeit in dienstlicher Vielfalt unterwegs, so haben diese Autos heute eine zweite Karriere als Privatvergnügen. Damit geht der Varianten-Fächer noch weiter auf und man staunt, welche Facetten Haflinger zeigen können.

Das kommt allein schon über die Verdeck-Variationen daher. Das zeigt sich über höchst unterschiedliche Aufbauten. Da war in Passail vom Kastenwagen über den Elektro-Haflinger zum Trial-Gerät allerhand zu sehen. Es glänzte so manches original gehaltene Dienstfahrzeug von Militär oder Feuerwehr. Oft war es nur ein kleiner Akzent, eine Edelstahl-Komponente, eine Zusatzbeleuchtung, als individuelles Statement. Oder historisches Zubehör, wie eine seitlich angebrachte Unterflur-Seilwinde, die auf den Haflinger mit Nebenantrieb schließen läßt.

Eine Reminiszenz mit Hinweis auf die legendäre Atacama-Expedition. (Foto: Martin Krusche)
Eine Reminiszenz mit Hinweis auf die legendäre Atacama-Expedition. (Foto: Martin Krusche)
Puristische Reduktion: Auf der Trial-Piste braucht man nur wenig, außer gute Nerven. (Foto: Martin Krusche)
Puristische Reduktion: Auf der Trial-Piste braucht man nur wenig, außer gute Nerven. (Foto: Martin Krusche)

Zu den Jubiläums-Ausfahrten gab es jeweils Instruktionen, was belegt, wie ernst da die Verantwortung genommen wurde. Im Konvoi zu fahren ist durchaus mit Risiken verbunden. Wer gehört zu welcher Gruppe? Wie sollen sich Nachkommende verhalten, wenn ein Fahrzeug liegenbleibt? Was läuft an den Sammelpunkten?

Gäste aus etlichen Ländern Europas haben in der Oststeiermark gezeigt, welchen erheblichen Akzent Konstrukteur Erich Ledwinka mit seinem Team vor rund 60 Jahren gesetzt hat. Zwischen all der Geselligkeit und der stellenweisen Aufgeregtheit dann auch so kleine Plaudereien: Wo geht es mit all dem hin? Was wird das mit den Elektroautos? Woher soll dafür die nötige Infrastruktur kommen? Ist nicht das Wasserstoffauto die Zukunft? Und wieso sollte der individuelle Privatbesitz von Kraftfahrzeugen weiter die Basis der persönlichen Mobilität von ganzen Bevölkerungen sein?

Das geschah nun, durchaus passend, in jenen Tagen, als China zu einer großen Konferenz geladen hatte, die dem Projekt „One Belt, One Road“ gewidmet war. Das Haflinger-Jubiläum markiert also zufällig diese Woche, in der gerade die Weichen für weltweite Transporttätigkeit neu gestellt werden. Ende April eröffnete Chinas Präsident Xi Jinping einen Gipfel zur Seidenstraßeninitiative, wozu sich 37 Staats- und Regierungschefs eingefunden haben.

Man sieht ihm die Jahre im Kommunaldienst durch Details noch an. (Foto: Martin Krusche)
Man sieht ihm die Jahre im Kommunaldienst durch Details noch an. (Foto: Martin Krusche)
Gewissermaßen das genaue Gegenteil von Tarnfarben. (Foto: Martin Krusche)
Gewissermaßen das genaue Gegenteil von Tarnfarben. (Foto: Martin Krusche)

Bei jener Konferenz war vom Bundeskanzler Österreichs bis zu exponierten Company-Leuten der heimischen Wirtschaft alles vertreten, was diese Entwicklungsschritte einer Weltmacht nicht ignorieren möchte. Chinas neue Seidenstraße, so heißt es derzeit, bezieht all das ein, Vergangenes und Zukünftiges in Sachen Handel, Transport, Mobilität.

Das scheint mir hier deshalb erwähnenswert, weil die Grazer Puchwerke wesentliche Beiträge zum Thema Mobilitätsgeschiche geleistet haben; vor allem auch im Verband der historischen Steyr-Daimler-Puch AG, deren Werksgeschichte das ganze 20. Jahrhundert durchmißt. Das historische Transportwesen ist ohne die ganze Haflinger-Verwandtschaft in Österreich nicht darstellbar. Der Haflinger ist ein Initialereignis jener Grazer Allrad-Kompetenz, die bis heute in aller Welt nachgefragt wird.

In dieser Historie ist der Hafi geradezu ein Kondensat, das hoch verdichtete Beispiel eines effizienten Nutzfahrzeuges, das sich auf eine erstklassige Konstruktion stützt. So gesehen ist der Haflinger eine bedeutende Wegmarke der Technologie- und Mobilitätsgeschichte innerhalb des 20. Jahrhunderts; übrigens in seiner Gewichtsklasse immer noch konkurrenzlos, denn kein Quad würde das gegebenen Einsatzspektrum so detailreich abdecken.

Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps! (Foto: Martin Krusche)
Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps! (Foto: Martin Krusche)
Ein wohnliches Haflinger-Unikat aus Deutschland. (Foto: Martin Krusche)
Ein wohnliches Haflinger-Unikat aus Deutschland. (Foto: Martin Krusche)

Er wurde zugleich, wie man eben in Passail sehen konnte, zu einem bedeutenden Medium innerhalb einer Volkskultur in der technischen Welt. An diesem Fahrzeug erproben und demonstrieren Menschen ihr Geschick, ihre Handfertigkeit, ihr technisches Verständnis und ihre Gestaltungsfreude. Sie zeigen Emotionen und Kreativität. Genau das ist in so einer Verbindung ein interessantes Phänomen zeitgenössischer volkskultureller Praxis, wo Volkskultur noch nicht vom Tourismus oder von der Unterhaltungsindustrie gekapert wurde.

Es ist ein kulturelles Feld, auf dem Know how gesichert wird, aber auch Wissensarchäologie betrieben wird, um verlorenes Wissen zu ergründen und zu sichern. Es ist an vielen thematischen Details mit anderen Gebieten und kulturellen Feldern verknüpft, zeigt sich zugleich als Angelpunkt von sozialem Leben.

Weiß steht ihm natürlich auch. Und ganz hinten sieht man den Haflinger zwo, also den G-Wagon, der heuer seinen Vierziger hat. (Foto: Martin Krusche)
Weiß steht ihm natürlich auch. Und ganz hinten sieht man den Haflinger zwo, also den G-Wagon, der heuer seinen Vierziger hat. (Foto: Martin Krusche)

Das wird auch deutlich, wenn man die Akteurinnen und Akteure dieser Szene betrachtet. Das reicht durch alle sozialen Schichten. Das verbindet höchst unterschiedliche Milieus und Metiers. Da finden sich Mechaniker und Kaufleute, hier ist der Goldschmied, da der Ingenieur aus der Motorenentwicklung. Natürlich kennt die Szene auch Zank und Eifersucht. Sichtbarkeit, sozialer Rang, das sind in menschlicher Gemeinschaft kostbare Güter.

Aber unterm Strich bleibt dann doch: was kann jemand? Was zeigt sein oder ihr Haflinger? Und zwar nicht als Prestigeobjekt, sondern als konkrete Maschine, die sich auf schwierigem Terrain bewähren können muß, aber zugleich ebenfalls mit symbolischen Gaben beladen ist. Mit Originalität. Mit Historie. Auch mit Schönheit. Genau das ist so interessant an derlei Kulturgütern. Sie sind gleichermaßen in der Alltagstauglichkeit und in der Transzendenz zuhause. (Siehe auch weiterführende: "Das Haflinger-Szenario"!)


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