Notiz 008: Hundert Jahre sind um#
(Drei Jahre, drei Themenschwerpunkte)#
von Martin KruscheEs werden heuer am 25. und 26. April 2020 europaweite Oldtimer-Tage realisiert. Wir blicken in der Oststeiermark vom Jahr 2020 aus auf 1920. In diesem Zeitfenster hatte sich erst einmal die Zweite Industrielle Revolution durchgesetzt. Sie wurde durch die Digitale Revolution in den 1970ern zur dritten, brach mittlerweile in die Vierte Industrielle Revolution um. Das bedeutet, Menschen meiner Generation haben innerhalb ihrer Lebensspanne zwei industrielle Revolutionen erlebt. Das gab es davor noch nie.
Dem ersten Maschinenzeitalter folgt also nun das zweite, dessen Realität von den Gesellschaften nur langsam wahrgenommen wird. Kohle und Stahl waren bisher die dominanten Motive des industriellen Geschehens. Das ist inzwischen praktisch vorbei.
Nun haben wir eine völlig neue Situation, in der Maschinen von Maschinen lernen, Silizium und seltene Erden zum Material für innovative Entwicklungen wurden.
Das Automobil durchlief alle diese Phasen, bildete sie ab, machte sie anschaulich. Es wurde zum sozialen Statement, zum General-Fetisch industrialisierter Gesellschaften und zum kulturellen Code, auch zum Kultgegenstand.
Mit der Volksmotorisierung Ende der 1950er Jahre änderten sich - im Kielwasser einer Mechanisierung der Landwirtschaft - radikal das Leben und der Lebensstandard in weiten Teilen Europas. (Wer, wie ich, in den 1950ern zur Welt kam, begegnete noch real Menschen aus dem 19. Jahrhundert.)
Ich hab im Rahmen von „Mythos Puch“ schon mehrmals mit Gottfried Lagler zusammengearbeitet, jüngst bei "Nächste Spuren" (Drei Tage im November). Nun werden wir inhaltlich eine mehrjährige Erzählung entfalten, die sich über verschiedene Veranstaltungen in das reale Leben verzweigt. In einem Arbeitsgespräch haben wir nun den Grundraster dieser Erzählung festgelegt.
Drei Jahre, drei Themenschwerpunkte#
Das Automobil (ergänzt um die Motorradwelt) hat quer durch das 20. Jahrhundert nicht nur wirtschaftliche und soziale Effekte gezeigt, sondern auch eine erhebliche kulturelle Bedeutung entwickelt. Daher machen wir die Struktur an markanten Ereignissen des Automobilismus fest.- Arbeitsjahr 2020: Von den 1920er Jahren zum Zweiten Weltkrieg
- Arbeitsjahr 2021: Vom Steyr Baby zu Ponton & selbsttragenden Karosserien
- Arbeitsjahr 2022: Die gelungene Volksmotorisierung und die Keilform
Dabei gibt es eine spezielle Verquickung zwischen Automobilismus und Flugzeugwelt, die Rennfahrer und Piloten miteinander assoziiert, zum Heldentypus werden läßt. Das hat Wurzeln im Kriegshandwerk und Effekte im Autorennsport. Ich hab dieses Thema in „Lackierte Kampfhunde“ (Jagdgeschwader in Bodennähe und ihre Dekors) etwas ausführlicher beschrieben.
Formensprache#
Bedeutende Grundformen des Autobaus kennzeichnen Abschnitte, die man in verschiedenen Zusammenhängen betrachten und darstellen kann. Für unser mehrjähriges Vorhaben betone ich folgende Grundformen: Box, Torpedo, Tropfen, Ponton und Keil. (Ich werde das in einer der nächsten Notizen noch genauer erläutern.)Diese Grundelemente verweisen auf Karosserieformen, welche der alten Karre folgten, dem Flivver, wie etwas heruntergekommen Kisten und Flugzeuge mit einem amerikanischen Slang-Wort genannt wurden, vor allem auch der Ford Model T.
Upton Sinclair betitelte seinen1937 erschienen Schlüsselroman zu diesem Thema „The Flivver King“, den König der Schrottkisten, was Henry Ford meint. Die Tin Lizzy wirkte anfangs, als habe man verschieden große Kisten zusammengeschraubt. Die Torpedo-Karosserie ergab sich später in der Begradigung der Gürtellinie. Nun überragte die Spritzwand nicht mehr die Motorhaube, die markante Stufe zwischen Fahrgastraum und Motorraum entfiel.
Post Scriptum#
Die Branche boomt. Das unterstreicht unsere Bemühungen, dieses Thema soziologisch und auch kulturell auszuloten, weil es hier nicht nur um rationale und ökonomische Intentionen geht. Die Kleine Zeitung titelte im Februar 2017: „Österreich hat halb so viele Pkw wie Einwohner“ und erläuterte: „In Österreich sind 4,8 Millionen Autos zugelassen. Ein Drittel davon sind älter als zehn Jahre, 9000 sind Elektroautos.“ (Quelle)Im Februar 2018 meinte man beim ORF: „Fast fünf Millionen Pkws in Österreich“. Das meinte: „In Österreich waren per Jahresende 4,9 Millionen Autos zugelassen, um 1,6 Prozent mehr als im Jahr 2016." (Quelle) Die UniCredit Bank Austria AG teilte im September 2019 per Branchenbericht mit: „Kfz- und Zubehörhandel (6.200 Betriebe, 33,5 Mrd. € Umsatz): Abschwung im Autohandel endet noch 2019“ (Quelle als PDF)
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