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Der gefiederte Urknall#

Die Evolution der Vögel hat mit dem Aussterben der Dinos eine neue Qualität erfahren.#


Von der Wiener Zeitung (Freitag, 12. Dezember 2014) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Alexandra Grass


Papagei
Der Papagei nutzt für seinen Gesang die gleichen Gene wie der Mensch.
© Corbis/Pete Oxford

Kopenhagen/Wien. Das Massensterben, dem vor rund 66 Millionen Jahren die Dinosaurier zum Opfer gefallen waren, hatte den überlebenden Vögeln einen wahren Evolutionsstoß verpasst. Die Vorgänge dahinter hat nun ein internationales Forscherteam entschlüsselt und mithilfe einer Erbgut-Analyse den bisher detailliertesten Stammbaum des Federviehs erstellt. Die Studie bringt neues Licht in die Entwicklung des Gesangs, des Skeletts und den Evolutionsprozess, der zum Verlust der Zähne geführt hat. Damit gibt es auch erstmals Daten darüber, wie Vögel zu ihrer spektakulären Biodiversität gekommen sind. So gibt es von ihnen immerhin rund 10.000 Arten. Damit sind sie die artenreichste Klasse der Landwirbeltiere. Um den zuverlässigsten Vogelstammbaum zu entwickeln, haben rund 200 Wissenschafter aus 20 verschiedenen Ländern das Genom von 45 verschiedenen Vogelarten sequenziert. Einige Supercomputer waren notwendig, um die Datenmenge zu verarbeiten. Mehr als 20 Studien sind daraus entstanden, die in unterschiedlichen Fachblättern publiziert sind.

Besonders leichtes Erbgut#

Obwohl sie von vielen biologischen Feinheiten geprägt sind, ist das Erbgut (DNA) der Vögel überraschenderweise leicht. Bei den meisten Arten ist es um rund 70 Prozent kleiner als etwa das der Säugetiere und enthält auch in ihrer Anzahl weniger Gene. Sich wiederholende Sequenzen finden sich bei Vögeln deutlich seltener und viele Gene sind kürzer als bei Säugetieren oder Reptilien, wie die Forscher im Journal "Science" berichten. Als sich die Vögel in der frühen Evolution von den Reptilien abspalteten, verloren sie demnach eine große Anzahl an Genen.

"Viele dieser Gene haben wichtige Funktionen beim Menschen, etwa in der Reproduktion, der Skelettformation und dem Lungensystem", erklärt Studienleiter Guojie Zhang vom Natural History Museum of Denmark in Kopenhagen. "Der Verlust dieser Schlüsselgene könnte einen signifikanten Effekt in der Evolution vieler unterschiedlicher Phenotypen gehabt haben. Das ist eine aufregende Entdeckung, weil es anders ist, als wir normal denken, dass Innovation nur durch neues genetisches Material entsteht und nicht durch den Verlust. Aber manchmal ist weniger einfach mehr."

Die Analyse einzelner Genfamilien zeigt, wie Vögel ihr leichteres Skelett entwickelt haben, ein ausgeprägteres Lungensystem, eine spezielle Ernährung, Farbsehen sowie farbige Federn und andere Geschlechtsmerkmale.

Insgesamt acht Studien beziehen sich auf die Sprachentwicklung. Demnach entwickelte sich der Gesang der Vögel im Laufe der Evolution zwei bis sogar drei Mal. Nämlich in den Gruppen der Papageien, Singvögel und Kolibris unabhängig voneinander. Wobei Vögel beim Singen größtenteils die gleichen Gene wie wir Menschen beim Sprechen benutzen.

Die Forscher gingen auch der Frage nach, wie Vögel im Laufe der Zeit ihre Zähne verloren haben. Denn moderne Vögel verwenden einen Schnabel anstelle von Beißwerkzeug und ihren Verdauungstrakt zur Verarbeitung des Futters. Mutationen in den Genen für den Zahnschmelz und das Dentin (Zahnbein) haben demnach bereits vor etwa 116 Millionen zum Verlust der Zähne geführt.

Die Studien zeigen auch, dass Falken enger mit Papageien als mit Adlern verwandt sind.

Vögel sind die vielfältigste Gruppe der Landwirbeltiere. Ihre Erforschung hilft der Wissenschaft, fundamentale Fragen der Biologie und Ökologie zu beantworten. Durch ihr Fleisch und ihre Eier gelten sie als globale Futterreserve. Die Studienautoren hoffen, dass noch weitere Forscher Daten hinzufügen, um noch tiefere Einblicke in die Genetik der modernen Vögel zu haben. Solche Informationen könnten nämlich auch dazu beitragen, Infektionskrankheiten, wie die Vogelgrippe, die nur bestimmte Spezies befällt, andere aber nicht, zu verstehen.

Wiener Zeitung, Freitag, 12. Dezember 2014