Nachhaltigkeit als Verpflichtung #
Klöster tragen Verantwortung für die eigene Wirtschaftlichkeit und jene ganzer Regionen. Das Beispiel von St. Lambrecht spricht für sich. #
Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: Die Furche (15. Oktober 2020)
Von
Victoria Schmidt
Die Benediktinerabtei St. Lambrecht liegt idyllisch in der gleichnamigen 1790-Seelen- Gemeinde im obersteirischen Murtal. Es ist ein Ort des Glaubens, der Spiritualität, des Lebens – und der Wirtschaft. Seit rund 950 Jahren prägt das Stift die Region, hat maßgeblich Anteil an der soziokulturellen Entwicklung in der Umgebung und ist bis heute weit über die Klostermauern hinweg allgegenwärtig. Die Abtei fungiert als Wirtschaftsmotor, schafft Arbeitsplätze und hat sich der Erwachsenenbildung verschrieben.
So wollen die St. Lambrechter Benediktiner ihrer klösterlichen Tradition gerecht werden und „einfach gemeinsam wach“ (der derzeitige Leitspruch der Ordensgemeinschaften Österreichs) gemäß dem diesjährigen Ordensmotto „Sorge für das gemeinsame Haus“ tragen. In Anlehnung an „Laudato si’“, die Umweltenzyklika des Papstes, wird der sorgsame Umgang mit vorhandenen Ressourcen in den Vordergrund gestellt. „Nachhaltigkeit“ ist das Wort der Stunde, und zwar in jeder Beziehung. „Wir heute sind im Grunde immer nur Verwalter dessen, was wir von den Generationen vor uns übernommen haben, um es den Generationen nach uns gut weiterzugeben“, betont Abt Benedikt Plank.
Der Begriff der Nachhaltigkeit stammt in seiner ursprünglichen Betrachtung aus der Forstwirtschaft und wurde 1713 vom kursächsischen Oberberghauptmann Carl von Carlowitz etabliert, um eine Antwort auf die damals vorherrschende überregionale Holznot zu finden. Darauf besinnen sich auch die Mönche in St. Lambrecht. Unter anderem hat das Stift 5200 Hektar landund forstwirtschaftlichen Grundbesitz zu verwalten, der mit 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewirtschaftet wird. Gezielte Durchforstungen und Naturverjüngung stehen dabei im Fokus. „Die Bewirtschaftung der Forstreviere ist etwas, das langfristig gedacht werden muss, denn bis der Erfolg einer Aufforstung sichtbar wird, kann es bis zu 100 Jahre dauern“, erklärt Hofmeister Pater Gerwig Romirer.
Wertschöpfung und Umweltschutz #
Als Verantwortlicher für die wirtschaftlichen Geschicke im Stift und Prior hat Pater Gerwig ein breites Tätigkeitsfeld, zu dem auch die Verwaltung des Biomasseheizwerkes „Naturwärme St. Lambrecht“ zählt. Die Biomasseanlage wird seit 1992 betrieben – als Genossenschaft zu 50 Prozent vom Kloster, zu weiteren 50 Prozent von 14 Landwirten aus der Gemeinde. Damit „wärmt“ das Kloster beinahe den ganzen Ort, und das umweltfreundlich. Rund 140 Abnehmer, Firmen wie Privathaushalte, hat die „Naturwärme“. Dazu zählen neben dem Stift als einem der größten Abnehmer auch die Sprengstofffabrik Austin Powder, das Hotel Lambrechterhof oder das örtliche Pflegeheim.
„Wir haben seit bald 30 Jahren eine sehr gute Kooperation“, betont Pater Gerwig. Er zeigt sich zufrieden mit den Errungenschaften des Heizwerkes: „Insgesamt sparen wir jährlich 2200 Tonnen CO2 ein. Das sind etwa 1,1 Millionen Liter Heizöl, die nicht gebraucht werden.“ So wurden 2019 etwa neun Millionen Kilowattstunden Energie erzeugt. „Und es gibt noch ausreichend Kapazitäten“, wird auf weitere Abnehmer gehofft.
Dass in diesem Zusammenhang gerade ein Stift als Großunternehmen wirkt, sieht der Hofmeister nicht als Widerspruch. Immerhin ist es auch ein großer Auftraggeber, denn die Instandhaltung des rund zehn Hektar großen Klosterareals sowie rund 100 weiterer denkmalgeschützter Gebäude, davon 21 Kirchen, zählt ebenfalls zu den ökonomischen Aufgaben des Benediktinerstifts. Auch dabei wird auf Nachhaltigkeit gesetzt. Bei Renovierungen spielt etwa der bewusste Materialeinsatz eine große Rolle, die Devise lautet „Revitalisierung statt Neuschaffung“ – und Pater Gerwig erklärt: „Wir achten darauf, so viele Aufträge wie möglich an lokale Anbieter zu vergeben.“
Letztlich sei das auch der gesellschaftliche Auftrag an das Kloster. Arbeitsplatzschaffung, regionale Wertschöpfung, praktikable Lösungen für den Umweltschutz unter dem Stichwort Schöpfungsverantwortung und das Bewahren kulturhistorischer Schätze sind dabei wichtige Anliegen. Das Kloster habe in St. Lambrecht und der ganzen Region eine Verantwortung gegenüber den Menschen. „Nachhaltigkeit, der verantwortungsvolle Umgang mit der Schöpfung, das ist eine Geisteshaltung“, erklärt der Prior.
Ebendiese Geisteshaltung hat viele Facetten und bezieht sich nicht nur auf materielle Dinge, führt dazu auch der Abt aus: „Die Ausgewogenheit zwischen ‚Säen‘, ‚Pflegen und Kultivieren‘ und ‚Ernten‘ muss in Ökonomie, Ökologie und dem ‚Sozialen‘ als dem Miteinander in der Gesellschaft zur Richtschnur für Entscheiden und Handeln werden“, betont Abt Benedikt Plank.
Aus diesem Anspruch heraus werden im Stift St. Lambrecht vielfältige Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung im Begegnungszentrum „Schule des Daseins“ angeboten. Vom Ikonenmalkurs über die Auszeit im Kloster bis hin zum Kommunikationsworkshop sollen die Seminare auch Erholung vom Alltag bieten, um so auf lange Sicht nachhaltig wirken zu können. Vielfach gehe es den Seminarteilnehmer(inne)n darum, ihren persönlichen Horizont zu erweitern, aus dem alltäglichen Hamsterrad auszubrechen und hinter sich zu lassen, was sonst stresst. „Die Angebote wollen dazu beitragen, das Leben selbstbewusst zu leben und den eigenen Potenzialen zu vertrauen und sie zu nutzen“, beschreibt Pater Gerwig, der auch das Begegnungszentrum leitet, die Ziele. Die einzigartige Atmosphäre der uralten Klostermauern würde das ihre dazu beisteuern, genauso wie der etwa 3,5 Hektar große Stiftsgarten.
Spiritualität, Natur und Soziales #
Die barocke vierteilige Struktur des 2004 rekultivierten „Garten des Heile(n)s“ symbolisiert einerseits die Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft, andererseits die christliche Heilsgeschichte. Spiritualität geht hier mit der Kultivierung seltener Gemüse- und Pflanzensorten einher. Zudem steht der Garten seit 16 Jahren im Mittelpunkt des Sozialprojektes Domenico, das seit Beginn des Jahres in Kooperation mit der Caritas geführt wird: Menschen, die es am Arbeitsmarkt schwer haben, bekommen hier eine Chance, Fuß zu fassen. Nachhaltigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, die Verbindung aus Natur, Sozialem und in weiterer Folge auch Tourismus.
So versucht das Kloster auch in der aktuellen Krisenzeit Antworten zu finden und dabei bei sich selbst anzusetzen. Die Mönche erwarten Absatzschwierigkeiten und einen Preiseinbruch am ohnehin schwierigen Holzmarkt, Einbußen durch Stornierungen im Gäste- und Seminarbereich und auch im Wallfahrtsbetrieb sowie im Tourismus. Dennoch sind sie optimistisch. Durch gezielte Maßnahmen will das Kloster in der Krise als solide aufgestelltes Wirtschaftsunternehmen bestehen – und damit auch 950 Jahre nach seiner Gründung weiter eine unbestrittene ökonomische Konstante in der Region bleiben.