Von Pionieren und Bruchpiloten#
Vom ersten Flug mit Motorantrieb gibt es zwei Versionen. Auch Österreicher leisteten einiges auf diesem Gebiet.#
Von der Zeitschrift Wiener Zeitung, freundlicherweise zur Verfügung gestellt (Freitag, 28. November 2008).
von
Andrea Reisner
In der Geschichte der Luftfahrt haben die Brüder Wright ihren festen Platz. In der kleinen Nuss Nr. 280 A beleuchtete die Gemeine Vorgänger sowie Zeitgenossen und Konkurrenten der Amerikaner. Schon in der Renaissance entwarf Leonardo Da Vinci Flugapparate, so Dr. Anna Korber, Kritzendorf. Bis zur praktischen Ausführung sollte aber noch viel Zeit vergehen. „Es war der Schneider von Ulm, Albrecht Ludwig Berblinger, der angeblich . . . ein solches Gleitflugzeug konstruierte und mit diesem 1811 die Donau überqueren wollte“. Er stürzte ins Wasser. Mathilde Lewandowski, Payerbach: „In Großbritannien entwickelte Georg Cayley (1773–1857) die noch heute übliche Flugzeugform“ und gilt als Begründer der Aeronautik. Dr. Manfred Kremser, Wien 18, nennt weiters den deutschen Ingenieur Otto Lilienthal: „Sein 1889 erschienenes Werk »Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst« war auch den Brüdern Wright bekannt.“ Er unternahm mit seinem Segelflugzeug mehr als 2000 Flugversuche. „1896 verunglückte er bei einem dieser Gleitflüge tödlich.“ Den ersten längeren Motorflug absolvierten die Wrights. Oder? Klaus-Peter Josef, Tulln, stellt fest: Sie „sind nicht die unbestrittenen Erfinder des steuerbaren Motorflugzeugs“. Ein gewisser Gustav Albin Weißkopf (1874–1927) wird in diesem Zusammenhang immer wieder erwähnt. Er soll den berühmten Brüdern zuvorgekommen sein.
Fehlende Fotografie#
„Es war am 14. August 1901, als in den frühen Morgenstunden, unweit von Bridgeport, im US-Staat Connecticut, ein schnittiger Eindecker vom Boden abhob“, erklärt Maria Schoßmann, Wien 19. „Am Steuer sein Erfinder und Konstrukteur . . . Gustav Weißkopf.“ Doch dies war nicht der erste Flugversuch des gebürtigen Deutschen, der sich in den USA Whitehead nannte. Dr. Heribert Plachy, Wien 7, berichtet: Schon vor der Jahrhundertwende sei er abgehoben. „Außer Whitehead soll auch noch ein zweiter Mann mitgeflogen sein, als Heizer. Das Fluggerät wurde von einer Dampfmaschine betrieben!“ Allerdings habe das Unternehmen „an einer Hauswand geendet.“ Beim Flug von 1901 wurde nicht mehr mit Dampf gearbeitet. Brigitte Schlesinger, Wien 12: „Bestätigt werden die Berichte durch . . . notariell beglaubigte Aussagen von Zeugen.“ Trotzdem geriet Weißkopf in Vergessenheit. Ein Grund: Während die Wrights stets auf die Dokumentation ihrer Aktionen bedacht waren, existiert von Weißkopfs Flug keine Fotografie. Welche Konkurrenz die Brüder Wright vor allem in Frankreich herausforderten, berichtet Hildegard Rabel, Wien 1, und nennt den in Frankreich tätigen Brasilianer Alberto Santos-Dumont, der die ersten längeren Motorflüge in Europa unternahm. Christine Sigmund, Wien 23, führt einen weiteren französischen Pionier an: „Louis Blériot flog am 25. Juli 1909 in seinem Eindecker »Blériot XI« von Calais nach Dover.“ DI Ewald Pangratz, Wien 13, ergänzt: Der Fabrikant von Autozubehör errang so „den Preis der »Daily Mail« für die erste Überfliegung des Ärmelkanals. Damit war er als Flugzeugproduzent ein gemachter Mann.“
Tauben und Spatzen#
Welche Rolle spielten die Österreicher in der Luftfahrt? Prof. Dr. Monika Rath, Wien 7, nennt den Flugzeugentwickler Igo Etrich. Bekannt wurde er durch den „Bau der »Etrich II«, die einem Vogel glich, weshalb der Name »Etrich-Taube« aufkam.“ Ihren ersten Flug absolvierte sie 1910. Das Vorläufermodell, die „Etrich I“, wurde „Praterspatz“ genannt. Einen weniger erfolgreichen, doch ebenso verdienstvollen österreichischen Aeronauten nennt Karl Meywald, Wien 20: Wilhelm Kreß (auch Kress) unternahm schon früh „verschiedene Versuche mit Flugmaschinen . . . Da ihm das geeignete Gelände für Versuche mit Landflugzeugen fehlte, baute Kreß an einem Wasserflugzeug“, mit dem er 1901 auf dem Wienerwald-Stausee experimentierte. Dr. Karl Beck, Purkersdorf: Das Unternehmen misslang „wegen eines nicht leistungsfähigen Motors.“ Gewicht und PS-Zahl entsprachen nicht den Anforderungen.Der richtige Antrieb#
Für den Erfolg der Flugpioniere war ein entsprechender technischer Fortschritt unerlässlich. Dr. Alfred Komaz, Wien 19, nennt Ferdinand Porsche, der bei „der Österreichischen Daimler-Motoren AG für bedeutende Entwicklungen im (Auto- und Flugzeug-)Motorenbau verantwortlich war.“ Technische Entwicklung war jedoch nur durch unermüdliche Praxis möglich. Gerhard Toifl, Wien 17, zitiert Wilbur Wright: „Wenn man vollkommene Sicherheit will, tut man gut daran, sich an ein Fenster zu setzen und die Vögel zu beobachten – wenn man aber wirklich etwas lernen will, muss man einen Flugapparat besteigen und sich durch praktische Versuche mit seinen Eigenheiten vertraut machen.“ Doch MedR DDr. Othmar Hartl, Linz, möchte auch die Theorie nicht zu kurz kommen lassen und nennt den österreichischen Wissenschafter Richard Knoller (1869–1926), Professor und Vorstand der 1909 neu eingerichteten „Lehrkanzel »Luftschifffahrt und Automobilwesen« an der Technischen Hochschule in Wien.“ Mit Ernst Mach führt Maria Auli, Wien 3, einen anderen bedeutenden Flugtheoretiker an: „Eine seiner mannigfaltigen wissenschaftlichen Leistungen war die Beobachtung und Registrierung der Schallgeschwindigkeit . . . Die Mach-Zahl geht auf ihn zurück.“
Der Tod fliegt mit#
Mit dem Fliegen kam auch der Absturz – Tüftler Dr. Beck nennt als erstes Todesopfer der österreichisch-ungarischen Motorluftfahrt „Eduard Rusjan, der während eines Schaufliegens über Belgrad am 9. Jänner 1911 abstürzte.“ Die Gefahr, die dem Fliegen anhaftete, entwickelte sich zu einem wahren Publikumsmagnet, wie Manfred Korinek, Wien 14, berichtet: „Nach dem Ersten Weltkrieg entstanden sogenannte »Air Circuses« in den Vereinigten Staaten.“ Die „Birdmen“ verdienten ihren Lebensunterhalt mit Flugshows, auch „Barnstorming“ genannt. Ihre Markenzeichen: Eine verkehrte Schirmmütze und „ein langer Schal, dessen Enden während des Fluges gut sichtbar hinterher flatterten.“